Museumsmarketing Wie Musentempel die Generation Y anziehen

Museen müssen qua Auftrag ein breites Publikum ansprechen. Es sind die sozialen Netzwerke, die es schaffen, Zwanzigjährige für Ausstellungen zu interessieren. Vorbild sind die USA.

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Werbekampagne von LaPaca Cohen griff auf erstaunliche User-Fotos zurück, die Flickr mit einem Foto-Wettbewerb initiiert hatte. Quelle: handelsblatt.com

Früher warst du, was du besitzt, heute bist du, was du mitteilst", zitiert Victor Samra aus der Abteilung Digital Media Marketing im Museum of Modern Art (MoMA) gerne den britischen Trendforscher Charles Leadbeater. Das stellt die traditionellen Paradigmen des Museumsmarketings auf den Kopf. Kultureller Konsum fängt heute schon auf dem Computer an: Elektronische Angebote wie Facebook, Youtube und Blogs spielen eine immer wichtigere Rolle bei der Auswahl kultureller Aktivitäten.

Und Smartphones sind in den USA bereits für 20 Prozent der Zugriffe auf Museums-Websites verantwortlich. Was vor wenigen Jahren noch Zukunftsmusik war, ist für die führende New Yorker Kulturmarketingfirma LaPlaca (sprich Laplaka) Cohen schon lange Wirklichkeit. Seit zehn Jahren gibt sie regelmäßig die Kulturmarktanalyse "Culture Track" heraus, die Insider als umfangreichste und tiefgehendste Untersuchung ihrer Art schätzen.Die bundesweite Befragung von über 4 000 Amerikanern im Februar zeigte, dass schrumpfende Etats und sinkende Besucherzahlen dennoch ein prächtiger Nährboden für Kultursponsoring sind. Unter den verbleibenden Besuchern steht eine gestiegene Zahl den Waren und Dienstleistungen der Sponsoren besonders positiv gegenüber. Das nützt Sponsoren und Museen. Ein Mitarbeiter von LaPlaca Cohen formulierte es einmal griffig: "Wenn Sie Ihre Marke fördern wollen, dann sollten Sie die Künste fördern."

"Wir möchten dabei helfen zu verstehen, wie das Publikum dazu animiert werden kann, sich häufiger und gehaltvoller mit Kultur auseinanderzusetzen", sagt Agenturchef Arthur Cohen. Alles läuft auf die Frage hinaus: Warum kommen Besucher, oder noch wichtiger: Warum bleiben sie fern? "Viele kommen nur, wenn die Tante in der Stadt ist", spitzt er die Situation zu.

Das genügt in der neuen ökonomischen Realität nicht mehr. Auch das Stiftungsvermögen des Metropolitan Museum ist seit 2009 gesunken. Besucher kommen seltener. Deshalb müssen breitere Kreise angesprochen werden. Deswegen organisiert das Met statt teurer Wanderausstellungen jetzt Ausstellungen mit seinem Bestand. Der ist so außergewöhnlich gut, dass Besucher schon mal staunend den Mund aufreißen, wie in dem Kampagnenfoto."Führende Institutionen sind am ehesten positioniert, Neuerungen einzuführen. Selbstzufriedenheit ist gefährlich. Die gesellschaftliche Dynamik ändert sich, da ist es ein Zeichen der Stärke, sich infrage zu stellen", sagt Cohen. Seine Agentur bietet Museen u.a. Hilfe bei strategischer Neupositionierung und Markenbildung, ein in Europa relativ neues, oft mit Skepsis betrachtetes Feld. "Viele kommen über die strategische Schiene zu uns und beauftragen uns dann als Werbeagentur", sagt Cohen.

Das Hirn der amerikanischen Museumslandschaft befindet sich in einem lichtdurchfluteten Großraumbüro in Manhattan, um die Ecke vom Flatiron Building. Seit sich Mitbegründer Michael LaPlaca zur Ruhe setzte, leitet Arthur Cohen, 50, die Firma. Er kombiniert einen Harvard-MBA und Liebe zur Kunst mit Energie und weltläufiger Eloquenz.

Das Geschäft mit der Beratung boomt nicht erst seit der Rezession. Die Firma beschäftigt zurzeit 26 Angestellte. Seit der Gründung im Jahr 1993 hat LaPlaca Cohen in den USA über 100 Kulturinstitutionen beraten, und der Bedarf ist immer noch groß. Vor allem Erweiterungen und Neubauten sind Anlass für ein Überdenken oder gar eine Neudefinierung des eigenen Auftrags.

Zu den Kunden gehören die New York Historical Society, die sich mit einem Umbau verjüngt, oder das Museum of Fine Arts in Boston, das einen neuen Trakt für amerikanische Kunst mit der Kampagne "It starts here" eröffnete.

Ganz neu gebaut werden das Indian Cultural Center & Museum in Oklahoma City, Oklahoma, das über Geschichte und Kultur einiger Indianerstämme informieren will. Die Wal-Mart-Erbin Alice Walton stampft gerade in der kulturellen Einöde von Bentonville, Arkansas, das riesige Crystal Bridges Museum of American Art aus dem Boden. Hier sorgt LaPlaca Cohen für die Marketingkampagne und graphische Identität. Bis jetzt macht das private, demnächst eröffnende Museum Schlagzeilen durch ein Stiftungsvermögen von 800 Millionen Dollar und eine sehr aggressive Ankaufspolitik.

Das Metropolitan Museum of Art setzte dagegen im Februar 2009 mit der wortspielerischen Werbekampagne "It's Time We Met" auf den Hip-Faktor. Über Flickr wurde ein Fotowettbewerb veranstaltet. Das Web-Portal sprach das Mitteilungsbedürfnis der sogenannten Generation Y an. So schaffte es das humorvolle Handyfoto einer jungen Asiatin, die den Mund aufreißt wie die Statue aus der völkerkundlichen Sammlung hinter ihr, auf die Großplakate.

Heißes Thema ist derzeit der Marketingnutzen rapide wachsender Online-Gemeinden. "Viele Kulturinstitutionen verstehen das Potenzial des Internets für die Erschließung neuer Besuchergruppen noch nicht", sieht Cohen. Einer der souveränen Erstanwender war jedoch das New Yorker MoMA, das über sein Ausstellungsprogramm hinaus ein weltweites Publikum durch den moderierten Blog "Inside/Out" an sich bindet.Langsam nimmt auch in Europa das Interesse an einigen Aspekten des US-Modells zu. LaPlaca Cohen stellte im Juli die Ergebnisse der Untersuchung "Culture Track 2011" dem Fachpublikum der Düsseldorfer Konferenz "Communicating the Museum 11" vor. Nina Auinger, Leiterin der Abteilung Kommunikation und Marketing im Kunsthistorischen Museum Wien, war dabei. "Das zeigt uns, wo es langgeht. Die anglo-amerikanische Szene ist uns immer ein bisserl voraus", räumt sie ein. Auch in Wien stehen mittlerweile Fragen der Vermittlung, Inszenierung und Schärfung des Profils zur Debatte. "Wir befinden uns gerade in einem Markenentwicklungsprozess", sagt Auinger. Arthur Cohen dagegen ist schon wieder vorausgespurtet.Er setzt seine fast 20-jährige Vertrautheit mit Vorständen und Museumsspitzen nun ein, um für große Privatsammlungen ein geeignetes öffentliches Heim zu finden. "Gemeinsam mit dem Sammler erarbeiten wir die Ziele und schlagen passende Museen vor. Dann geben wir dem Sammler eine Liste wichtiger Fragen und Bedenken, die angesprochen werden sollten, an die Hand." Leider möchte Cohen keine Namen nennen: "Das ist alles sehr vertraulich und delikat.".

"Culture Track 2011" steht frei im Netz www.laplacacohen.com/culturetrack/

Interview mit Hagen Lippe-Weißenfeld

Mit Hagen Lippe-Weißenfeld, dem kaufmännischen Direktor der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf, sprach die Handelsblatt-Redakteurin Susanne Schreiber über Museumsmarketing und Netzwerke.

Das Museum of Modern Art hat eine eigene Digital-Media-Abteilung. Die Kunstsammlung NRW auch?

Diese Aufgabe ist in der Abteilung Kommunikation angesiedelt. Der Bereich digitale Medien befindet sich derzeit im Ausbau. Unsere neue Homepage im Zeitungsstil mit täglichen News gibt es seit einem Jahr, den neuen monatlichen E-Mail-Newsletter seit einem Monat und die neu gestaltete Facebook-Seite seit zwei Wochen.

Wie sind Ihre Erfahrungen mit Facebook-Usern?

Die Seite wird gut angenommen. Es entsteht eine lebhafte Kommunikation in Wort und Bild. Dabei werden auch Veranstaltungen direkt gebucht - für uns eine ganz neue Erfahrung. In den ersten zwei Wochen unseres neugestalteten Facebook-Auftritts haben wir über 900 "Freunde" gewonnen. Viele haben auch die Möglichkeit, uns zum 50. Geburtstag Jubiläumsgrüße zu schicken, eifrig genutzt.

Was ist anders?

Das Verhalten der User unterscheidet sich von unseren bisherigen Museumsbesuchern. Internet-User entscheiden nicht mehr ausschließlich vor bildungsbürgerlichem Hintergrund, was sie unternehmen wollen, sondern spontan. Zuspruch im Internet schafft aber noch keine langen Schlangen an der Museumskasse. Die Umwandlung eines virtuellen in einen "echten" Besucher ist sicherlich die größte Herausforderung für alle Museen.

Was suchen Facebook-User?

Kommunikation, Informationsgewinn, Gemeinschaftsgefühl und schnelle, aber dennoch eindrucksvolle Erlebnisse.

Welchen Stellenwert hat Facebook?Facebook ist wie ein Stimmungsbarometer, lässt sich fast lesen wie eine Blitzumfrage. Social Media sind unverzichtbar für ein großes Haus wie die Kunstsammlung NRW. Sie helfen bei der Erschließung neuer Besucherschichten und bei der Markenbildung. Facebook-User sind im Schnitt Mitte zwanzig und damit ein völlig anderes, jüngeres Publikum als die Besucher, die sonst zu uns kommen..

Warum soll aus einem Musentempel eine Marke werden?

Als Kunstmuseum sind wir eine gemeinnützige Bildungsinstitution für die ganze Gesellschaft. Museen stehen allerdings heute im Wettbewerb mit sehr vielen anderen Freizeitangeboten. Deshalb brauchen wir bei der Präferenzbildung ein klar unterscheidbares Profil als Dienstleister. Das ist vergleichbar mit dem USP eines Unternehmens. Die Kunstsammlung hat ihr Renommee in ihren nunmehr 50 Jahren beständig ausbauen können und zählt weltweit zu den wichtigsten Museen. Nur die Kunstmuseen, die ihren Profilierungsprozess erfolgreich bestehen, werden als Kulturmarken dauerhaft attraktive Partner für Sponsoren sein. Deshalb veranstalten wir am 3. Dezember ein hochkarätiges Fundraising Dinner, das zum Treffpunkt von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur wird..

Wie stark ist die Marke Kunstsammlung jenseits der Bildungsbürger?

Sicherlich ausbaufähig. Deshalb ist der Markenbildungsprozess auch weiterhin wichtig. Durch gezielte Vermittlungsarbeit für alle Altersgruppen bauen wir Hemmschwellen ab. Wir bieten ein "spartenübergreifendes" Angebot an bildender Kunst, Film, Literatur, Musik oder Tanz, z. B. aktuell in unserer Ausstellung "Move". Das bewirkt Identifikation, erzeugt Emotionen und Bindekraft. Die Besucher von heute sind die Markenbotschafter von morgen!.

Was wissen Sie über Ihre Besucher?

Dass sie mehrheitlich gut vorgebildet und gut informiert sind, häufiger kommen und im Schnitt um die 50 Jahre alt sind.

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