Nachfolge in Familienunternehmen Firmenerben zwischen Loyalität und Selbstverwirklichung

Streit kommt in den besten Familien vor. Doch wenn es das Familienunternehmen betrifft, geht es sprichwörtlich an die Substanz. Seine Rolle als Sohn oder Tochter kann man nun mal nicht kündigen. Wie Nachfolger mit diesem Dilemma umgehen.

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Konstantin Neven DuMont Quelle: dpa

Er wollte Ruhe geben. Sich nicht mehr öffentlich äußern. Eigentlich. Doch Mitte Januar war Schluss mit dem guten Vorsatz fürs neue Jahr: Am 18. Januar, kurz nach 17 Uhr, meldete sich Konstantin Neven DuMont zurück – auf Facebook, mit einer Replik auf einen Kommentar Kurt Kisters. Der Chefredakteur der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) hatte Neven DuMont junior in einer Online-Glosse aufs Korn genommen („Und ewig spinnen die Erben“) – im vergangenen November.

„Die SZ hatte im Herbst eine regelrechte Kampagne gegen mich gefahren. Da sie nichts Konkretes gegen mich in der Hand hatte, wurde halt fleißig spekuliert“, schreibt der 41-jährige Verlegersohn auf seiner für alle Facebook-Nutzer einsehbaren Pinnwand. „Meines Erachtens werden derartige Artikel in Zukunft nicht mehr refinanzierbar sein. Kister sollte sich um Wesentliches kümmern.“

Neven DuMonts neuerliche elektronische Ergüsse sind die jüngste Fortsetzung einer Posse um eines der größten Verlagshäuser Deutschlands, die seit Spätherbst die Republik erheitert: Ausgelöst durch einen bizarren Streit zwischen dem Verlagsspross und einem Blogger, verstieg sich Konstantin Neven DuMont junior zu einem Lamento, das bald um ein anderes grundsätzliches Thema kreiste: das offenbar schwer belastete Verhältnis zwischen Vater und Sohn, Firmenpatriarch und designiertem Nachfolger, Meister und Lehrling, Ober und Unter.

„Ich habe eigentlich immer das gemacht, was mein Vater mir gesagt hat, konnte es meinem Vater nie recht machen“, klagte Konstantin Neven DuMont, der seinen Vater öffentlich zum Rücktritt aufgefordert hatte. Und daraufhin von diesem im Dezember 2010 aller Posten enthoben worden war. Im März soll Tochter Isabella – bislang als Publizistin von Pferdebüchern und Betreiberin eines Hochseilgartens bekannt – an Konstantins Stelle in den Vorstand rücken, verkündete der 83-jährige Patriarch vergangene Woche. Vater und Sohn reden derweil nicht mehr miteinander.

Es wäre nicht die erste Familie, die an ihrem unternehmerischen Erbe zerbricht. Die Neven DuMonts, Verlegerdynastie in zwölfter Generation, reihen sich ein in eine lange Liste heillos verkrachter Familienunternehmer. In der Bankiersfamilie Finck wird um das Milliardenerbe gestritten, bei den Joops ums Potsdamer Familiendomizil, bei Haribo um die Unternehmensführung. Kaum ein klingender deutscher Markenname, hinter dem sich nicht über Jahre erbittert geführte Verwandtschaftskämpfe verbergen. Kern des Zoffs ist meist die Nachfolgefrage. Und das nicht nur bei Konflikten zwischen Junior und Senior, sondern auch zwischen Geschwistern (Bahlsen, Tchibo), Familienstämmen (Peek & Cloppenburg) oder ganzen Clans (Berentzen). Denn als Geschäftsführer kann man kündigen – als Schwester, Bruder, Sohn oder Tochter nicht.

Schmerzhafter Spagat

Die erwartet ein schmerzhafter Spagat: Die Familie erwartet Respekt vor dem Lebenswerk des Vaters, die Belegschaft vom Juniorchef einen eigenen Kurs. Liebe und Vertrauen sind die Werte der Familie, Soll und Haben die Prinzipien des Geschäfts.Gleichheit verlangen Geschwister, Hierarchie braucht die Firma. Viel Stoff für Konflikte – um Investitionen und Strategien geht es nur vordergründig.

„Enttäuschte Erwartungen spielen eine zentrale Rolle“, sagt Tom Rüsen vom Wittener Institut für Familienunternehmen. Wer einmal das Gefühl hat, dass seine Leistung oder Loyalität nicht anerkannt wird, vergisst das jahrelang nicht mehr.

Von Beruf Sohn

Hat der normale Mitarbeiter Ärger im Büro, lässt er sich zu Hause trösten. Gibt es zu Hause Ärger, kann er in die Firma flüchten. Kindern von Familienunternehmern aber sind beide Fluchtwege versperrt. Sie sehen als Ausweg oft nur den Befreiungsschlag, der die Beziehung endgültig zerstört.

So wie Neven DuMont junior – der sich, wie er sagt, gerade von seinem Übervater abnable. „Mit 41 vielleicht etwas spät.“

Stimmt, mag der Laie denken. Nachvollziehbar, sagt Arist von Schlippe. „Eigentum hat eine magnetische Wirkung“, sagt der Psychologe, der als Professor an der Universität Witten-Herdecke über Familienunternehmen forscht. „Es hält eine Familie auf unnatürliche Weise zusammen.“

Üblicherweise setzt der Ablösungsprozess vom Elternhaus mit 20 Jahren ein, ab 40 bewegen sich die meisten Kinder wieder zurück. Viele führen dann ein eigenständiges (Berufs-)Leben, haben selbst Kinder, werden den Eltern gegenüber wieder toleranter. „Diese natürlichen Mechanismen werden in Familienunternehmen erschwert“, sagt von Schlippe. Potenzielle Nachfolger tragen goldene Fußfesseln und müssen mit einem Paradox leben: Löse dich, aber bleibe uns verbunden. Diese Ambivalenz macht es dem Junior unmöglich, sich frei zu entfalten.

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