"Niesen des Geistes" Lachen Sie!

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Jesus lachte nie Auch den leise lächelnden Stoikern von Epikur bis Seneca war das lauthalse Lachen unheimlich. Humorige Philosophen wie der "lachende Philosoph" Demokrit oder der philosophierende Possenreißer Diogenes waren in der Antike die Ausnahme. Und nicht nur da. In der Spätantike und im Mittelalter wurden Kirchenväter und Scholastiker nicht müde, vor der Sündhaftigkeit des Lachens zu warnen. So verdammte der heilige Johannes Chrysostomus das Lachen mit der Begründung, Jesus Christus habe schließlich auch nie gelacht – ganz so als habe er den dreieinhalb Jahrhunderte vor ihm geborenen Heiland höchstpersönlich kontrolliert. Auch der Heilige Benedikt verbot den Mönchen in seiner Regel ausdrücklich, laut zu lachen und drohte rückfälligen Lachsündern die Prügelstrafe an. Andererseits berichtet die mittelalterliche "Legenda Aurea" wiederholt von Märtyrern, die einen ausgeprägten Sinn für Humor hatten und mit wahrer Todesverachtung lachten. So soll der heilige Laurentius, den der römische Kaiser Decius bei lebendigem Leibe auf dem Kohlengrill rösten ließ, seinen Peinigern lachend zugerufen haben: "Dreht mich jetzt mal auf die andere Seite, da bin ich noch nicht ganz durchgebraten." Zum Lachen gehört auch das Auslachen Ausgerechnet von einem zutiefst frommen und asketischen Philosophen stammt die eingängigste Erklärung des Lachens. Der französische Mystiker-Mathematiker Blaise Pascal (er betete täglich, Krankheit möge ihn unfähig machen, die Welt zu genießen) erkannte, dass das Lachen in aller Regel von einer unerwarteten logischen Unstimmigkeit ausgelöst wird – eben jener kleinen Inkongruenz, die beim Witz die Pointe ausmacht und den Spaßmachern die besten Lachsalven beschert. "Nichts produziert mehr Gelächter", so Pascal, "als eine überraschende Disproportion zwischen dem, was man eigentlich erwartet hatte, und dem, was man wirklich wahrnimmt." Natürlich spielt bei den sozialen Komponenten des Lachens auch das Auslachen eine Rolle. So behauptete der Engländer Thomas Hobbes, das Lachen resultiere aus der Erkenntnis eigener Überlegenheit im Vergleich zu fremder Schwäche. Schon Griechen und Römer fanden die körperlichen und geistigen Gebrechen ihrer Mitmenschen urkomisch und kugelten sich angesichts von Krüppeln oder Geisteskranken vor Lachen. Könige und Fürsten beschäftigten vorzugsweise Zwerge und Bucklige als Spaßmacher. Der letzte deutsche Hofnarr versah noch im Jahr 1774 sein Amt am kurfürstlichen Hof zu Mannheim. Lachen hängt vom Lebensumfeld ab Hämisches Verlachen des Gegners (heute würde man es wohl Teamlachen nennen) war auf den antiken Schlachtfeldern gang und gäbe. Der schreibende Feldherr und Sokrates-Schüler Xenophon berichtete in seiner "Anabasis" davon. Nachdem griechische Kämpfer in einer Schlacht das feindliche Barbarenheer in die Flucht geschlagen hatten, seien sie in ein unbändiges und nicht enden wollendes Lachen ausgebrochen. Die neuzeitliche Variante dieses Siegerlachens ist durch eine historische Filmaufnahme belegt: Adolf Hitlers Lachanfall beim Erhalt des französischen Waffenstillstandsersuchens im Juni 1940. Lachen ist stark vom Lebensumfeld geprägt. Was lustig ist und worüber man lacht, ist keineswegs überall gleich. Zwischen Orient und Abendland etwa besteht ein ausgeprägtes Lachgefälle, wie der Humorforscher Goh Abe von der Tokushima Bunri University in Japan am Beispiel eines beliebten japanischen Witzes dokumentiert. "Was tut ein rohes Ei im heißen Regen? Es verbrennt sich." Über diesen Witz, den Abendländer kaum verstehen, geschweige denn lustig finden, können Japaner einen ganzen Abend lang Tränen lachen. Ein anderer Humorforscher beobachtete Besucher in chinesischen Zoos, die den Krokodilen mitgebrachte Küken ins Gehege werfen und sich köstlich über das amüsierten, was in der Folge passierte.

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