NS-Vergangenheit der Quandts "Man fühlt sich grauenvoll und schämt sich"

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"Das ist ein echtes Zukunftsprojekt"

Werden Sie der Studie Taten folgen lassen?

Stefan Quandt: Ja, wir werden das Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit in Berlin-Schöneweide fördern. An diesem historischen Ort stehen noch zwei Baracken, in denen Zwangsarbeiter der AFA-Tochter Pertrix untergebracht waren. Wir werden die Renovierung der beiden Baracken finanzieren. Die eine wird zu einem Jugendbegegnungszentrum umgebaut, die andere soll für Ausstellungen und Seminare zum Thema Zwangsarbeit genutzt werden. Außerdem fördern wir internationale Jugendbegegnungen, die am Beispiel der Zwangsarbeit für gesellschaftliche Ausgrenzung und Ausbeutung sensibilisieren sollen. Das ist ein echtes Zukunftsprojekt. Schließlich unterstützen wir ein Projekt, mit dem frühere Zwangsarbeiter aufgefunden werden sollen, um von ihnen authentische Berichte für eine Dauerausstellung zu bekommen. Alles in allem ist das die größte private Zuwendung, die es im Bereich der historischen Erinnerung in Deutschland bisher gegeben hat.

Und wenn eine Jugendgruppe den Wunsch äußerte, mit Stefan Quandt zu reden, würden Sie sich dem stellen?

Stefan Quandt: Dem würde ich mich stellen.

Bleikoliken Quelle: Aus: Joachim Scholtyseck: Der Aufstieg der Quandts

Und wenn Sie dann gefragt werden, ob Ihr Vater und Ihr Großvater Vorbilder für Sie sind?

Stefan Quandt: Was an Günther Quandt beeindruckt, ist der unternehmerische Gestaltungswille. Aber der hat an moralischen Grenzen nicht haltgemacht. Daraus kann man lernen, dass unternehmerisches Handeln nicht ohne ein stabiles Wertegerüst bleiben darf.

Und Ihr Vater?

Stefan Quandt: Sein Fall ist schwieriger zu beurteilen. Auch er war in der NS-Zeit Teil des Systems. Aber in den fast vier Jahrzehnten, die darauf folgten, hat er Werte umgesetzt, die mir sehr wohl als Vorbild dienen. Von seinen Wegbegleitern weiß ich, dass er seinen Mitmenschen viel Respekt entgegengebracht und seinen Mitarbeitern viel Freiheit gelassen hat.

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Wollte er damit etwas gutmachen?

Stefan Quandt: Auch das kann ich mir vorstellen. Vielleicht hat er in der NS-Zeit unter Druck gehandelt und dann aus dieser frühen Phase seines Lebens gelernt. Er hat seine Unternehmen nicht mehr so zentralistisch geführt wie mein Großvater.

Harald Quandt hat nach dem Krieg zwei frühere Mitarbeiter von Goebbels beschäftigt. Da gab es also eine gewisse Kontinuität.

Gabriele Quandt: Was Werner Naumann betrifft...

...einst Staatssekretär bei Goebbels...

Gabriele Quandt: ...war es wohl persönlich motiviert. Naumann war offenbar in meine Großmutter verliebt. Das hat möglicherweise meinen Vater berührt. Vielleicht hatte er das Gefühl, dass er so eine Nähe zu seiner Mutter hält oder herstellt.

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