Oktoberfest Vom Bankdirektor zum Wiesnwirt

Er gehört zur ältesten Bierdynastie auf dem Oktoberfest – doch bevor er Wiesnwirt wurde, machte Peter Schottenhamel erst Karriere als Bankdirektor.

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Peter Schottenhamel: erst Bankdirektor, dann Wiesnwirt. Quelle: Martin Hangen für WirtschaftsWoche

Peter Schottenhamels Wiesnbüro liegt hinter den „Stadtratsboxen“, den Trinkabteilen für die Spitzenkräfte der Stadt, man geht vorbei an den Toiletten, einen engen Flur entlang. Hier hinten liegt in einem kleinen Raum die Schaltzentrale der 10.000 Plätze umfassenden Schottenhamel-Festhalle. Am Computer arbeitet der Festwirt allerletzte Platzreservierungen ab, während im Hintergrund gesägt und gehämmert wird: letzte Handgriffe, bevor sieben Millionen erwartete Wiesnbesucher die Zelte stürmen.

„Die letzten Wochen vor der Wiesn sind die härteste Zeit, es gibt noch so viel zu tun“, sagt der 67-jährige Wirt, „und erst wenn der Oberbürgermeister Ude dann sagt, o’zapft is!, dann fällt mir ein Stein vom Herzen.“ Eine Mischung aus Hektik und Vorfreude ist Schottenhamel anzumerken, wenn er über die Wiesn spricht wie über einen extra langen Feiertag, über 16 Tage, die wichtiger sind als Weihnachten und Ostern zusammen, die fünfte Jahreszeit der Münchner.

Am kommenden Samstag, pünktlich um 12 Uhr am Mittag, wird Christian Ude hier, in diesem Zelt, den Zapfhahn ins Fass schlagen. Die Bilder, wie der Stadtchef die erste Maß zapft und sie schäumend an Bayerns Ministerpräsidenten Günther Beckstein reicht, gehen dann um die Welt. Sie sind der Startschuss für ein gigantisches Volksfest – und lukrative zwei Wochen für die Festwirte: Zwischen 4,5 und 6,5 Millionen Euro Umsatz können große Festhallen in den 16 Oktoberfesttagen mit Bier, Brez’n und Blasmusik erwirtschaften.

Entsprechend groß ist die Zahl derer, die gerne Wiesnwirt werden würden. Doch es gibt Grenzen: Wirt wird hier eben nicht jeder – bei den 14 Festzeltbetreibern herrscht bemerkenswerte Kontinuität. Die Lizenzen bleiben oft innerhalb einer Familie, und das sei gut und nötig so, sagen die Wirte — schließlich gehören ihnen die riesigen Festhallen, die das ganze Jahr über eingelagert werden, bis zwei Monate vor dem Anstich der Aufbau beginnt. Die Betreiber stecken viel Geld in ihre Hallen: Die Gesamtkosten für Einlagerung und Aufbau belaufen sich auf 1,5 bis 2 Millionen Euro.

Eine Investition, die sich lohnt, nicht nur auf dem Wirts-Konto: „Mit dem Flair der Wiesn ist es wie mit einem Zirkus: Wer einmal hier gearbeitet hat, will immer wieder dabei sein“, sagt Schottenhamel und lässt den Blick kreisen durch die wohl größte unter den Festhallen. Der Mann muss es wissen, nicht weniger als 50 Oktoberfeste hat er miterlebt. Fast alle Jobs im Zelt hat er selbst schon einmal gemacht, vom Schankkellner bis zur Büroarbeit. Seit vielen Jahren ist er zusammen mit seinem Cousin Christian Herr über mehrere Hundert Kellnerinnen, ein Dutzend Musiker sowie zahlreiche Köche und Bierausschenker.

Schottenhamel stellt schon die vierte Generation einer etablierten Wirtsdynastie, die bereits seit 1867 auf der Wiesn vertreten ist. Obwohl er nach dem Studium eine Banklehre absolvierte und 15 Jahre Direktor bei der Münchner Bank war, konzentriert er sich heute ganz auf die Gastronomie. Die Schottenhamels herrschen in München über ein weitverzweigtes Firmenimperium, inklusive einiger Restaurants sowie dem berühmten Löwenbräukeller.

Die fünfte Generation, die Söhne Michael und Thomas, sind auch schon auf der Wiesn eingespannt. Sie sorgen mit dafür, dass „der Schottenhamel“ nicht nur die Politprominenz und zahlreiche Stammgäste anzieht. „Vor ungefähr 15 Jahren haben die jungen Leute die Wiesn neu entdeckt“, freut sich der Senior. Vor allem Bierfreunde zwischen 20 und 25 stürmten in den vergangenen Jahren das Zelt, um auf den Holzbänken, umgeben von einem Meer aus Maßkrügen und waggonweise halben Hendl, bayrisches Brauchtum zu zelebrieren. An manchen Samstagen seien um viertel nach neun in der Früh schon alle nichtreservierten Plätze belegt, sodass er zusperren müsse, um Überfüllung zu vermeiden.

Entsprechend freundlich sind auch die Geschäftsaussichten für die Wiesn 2008, die Festzelte sind seit Monaten ausgebucht – kaum ein alteingesessenes Münchner Unternehmen kann es sich leisten, nicht seine eigene Boxe zu reservieren. Pro Platz kann die locker mit 100 Euro zu Buche schlagen, ein halbes Hendl und zwei Maß Bier inbegriffen. Peter Schottenhamel blickt zufrieden auf die Reservierungsliste: „Nähme man die Wiesn als Barometer, müssten wir gerade eine blühende Konjunktur erleben.“

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