„Oligopol in Deutschland“ Politik macht den Energieriesen Druck

Nicht nur Bundesregierung und Opposition wollen mit stärkeren staatlichen Eingriffen die Marktmacht der Stromkonzerne begrenzen. Auch die EU-Kommission will wegen der hohen Preise und des ausbleibenden Wettbewerbs nun einzelne Energieriesen ins Visier nehmen.

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Die Marktmacht der Stromkonzerne ist der Politik ein Dorn im Auge. Foto: dpa

HB DÜSSELDORF/BERLIN. Die EU-Kommission wolle gegen einzelne Energiekonzerne Verfahren wegen des Verstoßes gegen europäisches Wettbewerbsrecht einleiten, kündigte EU-Industriekommissar Günter Verheugen am Freitag in Düsseldorf an. Beamte der Brüsseler Wettbewerbshüter hatten bereits im Frühjahr Razzien bei Versorgern in mehreren EU-Ländern vorgenommen. Betroffen waren davon unter anderem die deutschen Konzerne Eon und RWE. „Nach den bisherigen Ergebnissen wird es zu Verfahren kommen“, sagte Verheugen nun. Er könne sich aber noch nicht zu der Frage äußern, gegen welche Unternehmen sich diese richten würden. Auch ein Staatsanwalt gebe vor Erhebung der formellen Anklage nicht die Namen der Betroffenen preis. EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes hatte bereits in der Vergangenheit gegen eine Abschottung der Gas- und Strommärkte etwa durch langfristige Lieferverträge Front gemacht. Oligopol der Energiekonzerne In Deutschland gebe es aber ein Oligopol der Energiekonzerne, beklagte Verheugen. Die Aufteilung des Marktes unter nur wenigen Firmen sei „nicht schön“. Dies entspreche nicht dem Ziel, das die Liberalisierung verfolgt habe. Doch seien die jetzigen Strukturen in Deutschland von der Politik so gewollt gewesen. „Ich bedauere das“, fügte er hinzu. Frühere Bundesregierungen hatten sich in der Vergangenheit etwa gegen die Einrichtung eines Regulierers gestemmt und waren für freiwillige Vereinbarungen zur Liberalisierung im Energie-Sektor eingetreten. Im Frühjahr hatten Ermittler der EU-Kommission Büros von Energiekonzernen in Deutschland, Italien, Frankreich, Belgien und Österreich durchsucht und später bei einigen der Unternehmen Nachprüfungen vorgenommen. Auch die deutschen Energieriesen Eon und RWE hatten eingeräumt, dass sie von den Razzien der Brüssler Wettbewerbshüter betroffen waren. Die EU-Kommission hatte ihre Durchsuchungen mit dem Verdacht auf Verstöße gegen das europäische Wettbewerbsrecht begründet. Sie kann theoretisch Geldbußen von bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes gegen einzelne Konzerne verhängen, wenn sich der Verdacht bestätigt. Diesen Rahmen hat sie aber noch nie voll ausgeschöpft.

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Bundesregierung will ebenfalls handeln Bundesregierung und Opposition wollen außerdem mit stärkeren staatlichen Eingriffen die Marktmacht der Stromkonzerne begrenzen. „Wenn Oligopole ihre Marktmacht ausnutzen, muss auch der Staat entsprechend dagegen gehen“, sagte Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) am Freitag in der Haushaltsdebatte des Bundestags. Er will das Kartellrecht verschärfen und nach den Strom- und Gasnetzen nun auch die Stromerzeugung in den Kraftwerken kritischer unter die Lupe nehmen. „Alles, was den Strompreis zusätzlich belastet, gehört auf den Prüfstand.“ Die vier führenden Anbieter Eon, RWE, EnBW und Vattenfall kontrollieren nach Ministeriumsangaben etwa 90 Prozent der Kraftwerkskapazitäten. Der Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) wies dies zurück. Schätzungen zufolge hätten die vier Konzerne im Jahr 2004 einen Anteil von 70 Prozent an der Kraftwerksleistung von 129 000 Megawatt gehabt. Die Marktkonzentration sei in Deutschland wesentlich niedriger als in Frankreich oder den Niederlanden. Die Opposition versprach, Glos beim Kampf gegen Preistreiberei zu unterstützen. „Die Verbraucher werden systematisch abgezockt“, sagte der Grünen-Politiker Matthias Berninger. Die FDP-Energieexpertin Gudrun Kopp empfahl Glos, das Kartellamt mit mehr Personal auszustatten. Zugleich verlangten die Liberalen den Abbau der Kohlesubventionen. Längere Nutzung der Atomkraft gefordert Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Laurenz Meyer, plädierte angesichts der hohen Strom- und Gaspreise für eine längere Nutzung der Atomkraft. Der SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber forderte im „Tagesspiegel“, die Marktmacht der größten vier Unternehmen bei den Kraftwerken auf höchstens 50 Prozent zu beschränken. Der größte Anbieter allein dürfe auf höchstens 25 Prozent kommen. Eon komme momentan auf 34 Prozent. Glos sagte der „Süddeutschen Zeitung“, es sei augenfällig, dass „die Stromgroßhandelspreise in einem weit stärkeren Ausmaß gestiegen sind, als dies mit steigenden Stromerzeugungskosten erklärt werden kann“. Ein Großteil der deutschen Energieversorger will derzeit mit Hinweis auf steigende Großhandelspreise den Strompreis erhöhen. So kostete an der Leipziger Strombörse EEX die Megawattstunde Grundlaststrom im August durchschnittlich 44,48 Euro. Das sind 16 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die Stromerzeuger begründen den Anstieg mit höheren Rohstoffpreisen und Klimaschutz-Auflagen. Diese Argumentation wird von den Kartellwächtern skeptisch gesehen. Der drittgrößte deutsche Energiekonzern EnBW wies die Kritik an der Marktmacht und einer Einflussnahme auf die EEX zurück. Diese sei angesichts von rund 150 Teilnehmern aus 19 verschiedenen Ländern an der Leipziger Strombörse - darunter neben Energieunternehmen auch Banken - „schwierig nachzuvollziehen“, sagte EnBW-Sprecher Dirk Ommeln. Sein Unternehmen habe auch als Kunde der Strombörse ein „elementares Interesse an einem funktionierenden Wettbewerb“.

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