Pannen und Fehlschläge bei IT-Projekten nehmen zu Der Ärger mit der „Bananen-Software“

Für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Deutschen Lufthansa war der 23. September ein schwarzer Tag. Frühmorgens versagte das Check-in-System seinen Dienst. Erst nach sechs Stunden zeigte sich die Software wieder arbeitswillig. 3 000 Flüge mussten gestrichen werden, weltweit kam es zu Verspätungen.

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HB FRANKFURT. Für Manager sind solche Schreckensszenarien nichts Neues. Immer wieder versagt die Informationstechnologie. Die Systeme werden komplexer, ihre Steuerung wird schwieriger. Kommt es dann zum Ausfall, zeigt sich die ganze Abhängigkeit von der Technik. Das musste auch der Münchener Chipkonzern Infineon erfahren. Weil der Datenfluss in dem weit verzweigten Firmennetz nicht richtig funktionierte, bemerkten die Manager den Abschwung der stark zyklischen Branche zu spät – die Folgen waren hohe Verluste. Die Berichte über Fehlschläge bei neuen IT-Projekten häufen sich. Der IT-Riese IBM kämpft mit massiven Problemen bei der Erstellung von Rechnungen. Grund: Die Auslagerung dieses IT-Bereichs ins günstigere Bratislawa läuft alles andere als rund. Und auch staatliche IT-Vorhaben fehlen nicht auf der Liste der Pannen, allen voran das Debakel um das Mautsystem Toll Collect. Größe und Komplexität sowie schlechtes Management verzögerten das Vorzeigeprojekt mehrfach und kosteten den Steuerzahler Millionen. Auch die Software für das neue Arbeitslosengeld II bereitet Probleme. „Viele IT-Projekte werden jenseits aller Termine, Funktionalitäten, Leistungsfähigkeit und oft weit außerhalb der ursprünglichen Kosten abgeschlossen oder sogar abgebrochen“, sagt Joachim Schrey, ein auf IT spezialisierter Anwalt bei Clifford Chance. Firmen bereiteten sich nur sehr schlecht auf IT-Projekte vor. Schrey: „Da es in vielen Unternehmen keine klare IT-Strategie gibt, sind die Leistungen, die man haben will, oft gar nicht bekannt, geschweige denn klar definiert.“ Auch den geeigneten Anbieter auszuwählen sei schwer. Und: „Oft verabschieden sich die Firmen nach der Auftragsvergabe und kümmern sich während der Projektlaufzeit gar nicht mehr oder zu wenig“, sagt Schrey. Auch ständige Änderungswünsche behinderten die Arbeiten. Aber selbst bei den Programmanbietern laufe vieles schief. „Der Auftragnehmer denkt meist an seine Provision und neigt daher dazu, einen Auftrag schnell und ohne sorgfältige Prüfung anzunehmen.“ Zudem läuft in fast allen Firmen ein Flickenteppich verschiedener Anwendungen, die nicht aufeinander abgestimmt sind. Wird hier etwas umgebaut, kommt es nicht selten zu Problemen. So mussten die Kunden der Advance-Bank Ende 2003 mit teilweise massiven Verzögerungen bei der Geldauszahlung leben, weil der Übergang der Systeme an die Dresdner Bank nicht reibungslos klappte. Wie schwer komplexe Software- Systeme zu steuern sind, müssen auch die IT-Firmen selbst leidvoll erfahren. Microsoft etwa wollte sein neues Betriebssystem „Longhorn“ in diesem Jahr auf den Markt bringen. Wegen technischer Probleme wird der Start wohl auf Mitte 2006 verschoben. Fast alle großen Softwarehäuser müssen ihre Zeitpläne für neue Produkte ständig ändern. Nicht ohne Grund werden Firmenprogramme von Kritikern gerne auch „Bananen-Software“ genannt – sie reift beim Kunden. Lesen Sie Ausblicke auf das Jahr 2005 in der großen Handelsblatt.com-Jahreschronik: >>> weiter...

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