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Paul Achleitner Ein politischer Banker erfüllt sich seinen Traum

Paul Achleitners Wechsel in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank soll dafür sorgen, dass die Bank weniger negative Schlagzeilen produziert als bislang. Er selbst aber hinterlässt bei der Allianz eine zweigeteilte Bilanz.

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Der Vorstandsvorsitzende der Allianz AG, Michael Diekmann (l), und Finanzvorstand Paul Achleitner unterhalten sich. Quelle: dpa

Frankfurt Paul Achleitner hat als Finanzvorstand der Allianz ein Motto kreiert, was er auch bei der Deutschen Bank gut anwenden kann: „Boring is the new sexy“, sagte der 55-Jährige einmal, der mit seiner umsichtigen Art entscheidend dazu beigetragen hat, dass die Allianz die Krisen an den Finanzmärkten bisher gut überstanden hat. Sein Wechsel auf den Chefsessel im Aufsichtsrat der Deutschen Bank dürfte zumindest dafür sorgen, dass die Deutsche Bank in den nächsten Monaten weniger Schlagzeilen produziert, als wenn Deutsche-Bank-Chef Ackermann selbst den Posten ohne Karenzzeit eingenommen hätte.

Achleitner bringt zwei wichtige Eigenschaften für den neuen Posten mit: Er ist ein Bankenexperte, zugleich scheut er aber auch nicht, sich in politische Diskussionen einzumischen.

Die großen Erfolge des Bankers Paul Achleitner hängen eng zusammen mit seiner Zeit als Deutschlandchef bei der Investmentbank Goldman Sachs. Nach der Wende brachte er die junge und noch unbekannte Mannschaft von Goldman Sachs ins Spiel als Berater bei der Privatisierung der ostdeutschen Wirtschaft. Der Österreicher mit der freundlichen Stimme und dem sympathischen Wesen baute sein Netz zu den deutschen Unternehmen aus.

Doch das hat er nicht nur seiner verbindlichen Art zu verdanken. In entscheidenden Momenten kann er auch Härte zeigen. Härte, um sich durchzusetzen – auch gegen die Konkurrenz. Am Ende war Goldman Sachs sogar eine der Banken, die die T-Aktie der Deutschen Telekom 1996 in einer ersten Tranche an die Börse brachten. Die Platzierung der T-Aktie war damals eine Erfolgsgeschichte, die den Banken Hunderte von Millionen an Gebühreneinnahmen brachte. Seit dieser Zeit gehört die Investmentbank nicht nur zu den Top-Beratern bei Aktienemissionen, sie ist auch bei Fusionen und Übernahmen Jahr für Jahr ganz vorne mit dabei.

Das Image des Fusionsspezialisten erhielt in seiner Zeit als Finanzchef der Allianz allerdings tiefe Kratzer. Legte die Allianz-Aktie am Tag, an dem der Wechsel verkündet wurde, noch sechs Prozent zu, so musste sie in den Jahren darauf etliche Kurseinbußen durch die Fusionspolitik des Linzers hinnehmen. Er vermasselte einen Megadeal, was die Allianz Milliarden kostete: den Kauf der Dresdner Bank am 23. Juli 2001, nachdem zuvor Fusionsversuche mit der Deutschen Bank und der Commerzbank gescheitert waren.


Im Herzen immer Investmentbanker geblieben

Kritiker betonen, dass Achleitner in seinem Herzen immer Investmentbanker geblieben ist. Er wollte sich selbst ein Denkmal setzen durch den Kauf des Instituts, das zunächst massig Versicherungspolicen für die Allianz vertreiben sollte und dann als Nukleus für eine große Konsolidierung der Banken in Deutschland gedacht war.

Doch schon der erste Schritt gelang nicht wirklich. Der Versicherer und mithin Achleitner schafften es nicht, die unter dem damaligen Vorstandschef und heutigen Chefkontrolleur Henning Schulte-Noelle betriebene Dresdner-Bank-Übernahme sinnvoll voranzutreiben. Es gelang nie eine Strategie, die Kulturen in den Konzernen Dresdner Bank und Allianz zu verschmelzen, die Investmentbank Dresdner Kleinwort Benson zu verselbstständigen oder grundlegend umzubauen. Am Ende flüchtete sich die Dresdner Bank kurz vor dem Ausbruch der Finanzkrise in die Arme der Commerzbank und trieb diese damit fast in die Pleite. Nur mit Hilfe des Staats konnte das Institut gerettet werden. Sosehr Achleitner auch im Hintergrund die Fäden zog, im Vorstand war er für die Bank nie verantwortlich. Doch von Kritikern wird er seitdem als „der Kapitalvernichter“ bezeichnet.

Dieses Urteil ist nicht fair, sagen andere – Achleitner sei vielmehr der große Kapitalvermehrer. Als Finanzchef der Allianz bestimmt Achleitner, wo die 450 Milliarden Euro an Kundengeldern investiert werden, und sorgt damit für den größten Teil des Konzerngewinns. Der Versicherer verdient sein Geld vor allem mit der Geldanlage – mit Anleihen, Immobilien, Aktien und Firmenbeteiligungen. In den vergangenen Jahren steuerte Achleitner mehr als zwei Drittel zum Betriebsergebnis des Konzerns bei. Das eigentliche Versicherungsgeschäft liefert im Vergleich dazu nur wenig Gewinn.

Achleitner ist auch ein politisch denkender Mensch. Er mischte sich mit dem Vorschlag einer Versicherung für Staatsanleihen in die aktuellen Diskussionen rund um die Schuldenkrise intensiv ein.

Wenn der gebürtige Österreicher nun Aufsichtsratschef der Deutschen Bank wird, muss er seinen Posten bei der Allianz räumen, so schreiben es die Unternehmensrichtlinien des Münchener Konzerns vor. Allianz-Chef Michael Diekmann sprach in einer Mitteilung im Intranet von einem „großen Verlust für die Allianz, den ich persönlich sehr bedauere“. Für Achleitner hingegen dürfte mit dem neuen Posten ein Traum in Erfüllung gehen.

 

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