Paul und Ann-Kristin Achleitner Die Familien-Aufseher

Bayer, Daimler, Henkel....: Die Liste der Konzern-Aufsichtsratsposten des Ehepaars Paul und Ann-Kristin Achleitner ist ungewöhnlich lang. In den Gremien wollen beide einen neuen Aufseher-Stil etablieren.

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Zusammen kontrollieren Paul und Ann-Kristin Achleitner bald jeden vierten Dax-Konzern. Quelle: BrauerPhotos (c) Sabine Brauer

Düsseldorf Der Aufstieg in die Riege der einflussreichsten Firmenaufseher verläuft ganz in ihrem Sinne. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat das Ehepaar Ann-Kristin und Paul Achleitner sechs Topmandate in Dax-Konzernen übernommen, sie zwei und er vier. Mit der Benennung Paul Achleitners als künftigen Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen Bank wird sich das jedoch ändern. Der 55-Jährige gibt seinen Posten als Allianz-Vorstand auf, wechselt ins Lager der Berufsaufseher – und tritt aus der zweiten Reihe ins Rampenlicht. Zusammen mit seiner Frau wird Achleitner bald jeden vierten Dax- Konzern kontrollieren.

Ihr Family-Office erinnert an das vor längerer Zeit bereits zerrissene Netzwerk der Deutschland AG. Damals überwachten und halfen sich Industrie und Banken durch Überkreuzbeteiligungen und Aufseherposten gegenseitig. Jetzt halten Paul und Ann-Kristin Achleitner aus München die Fäden zusammen. Aber ihr Stil ist eleganter. Kumpanei wirft ihnen niemand vor. Die Deutschland AG war immer mehr eine Deutschland GmbH.

Die Liste ihrer Mandate kann sich sehen lassen: Bayer, Daimler, Henkel, Linde, Metro und RWE. Im Mai nächsten Jahres soll die Deutsche Bank als siebter Dax-Konzern hinzukommen. Ann-Kristin Achleitner ist zudem Verwaltungsrätin der Schweizer Bank Vontobel. Nicht einmal altgediente Multiaufseher wie Gerhard Cromme oder Manfred Schneider bringen es auf so viele Posten.

Trotzdem gehen Beobachter nicht davon aus, dass ein Family-Network jetzt das Old-Boys-Network ersetzt. „Beide Achleitners werden eigenständig ihren Weg gehen“, sagt Professor René Manuel Theisen, Experte für Unternehmensführung. Dafür sprächen die Karrierewege.

Die frühere McKinsey-Beraterin mit Doppelpromotion in Wirtschafts- und Rechtswissenschaften lehrt heute an der Technischen Universität München, Schwerpunkt Unternehmensgründung und -finanzierung. Ehemann Paul arbeitete anfangs bei der Beraterkonkurrenz Bain, wechselte zur Investmentbank Goldman Sachs und ist seit elf Jahren Finanzvorstand der Allianz.

Privat treten beide oft gemeinsam auf, beruflich aber gehen sie getrennte Wege. Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos etwa sind sie seit Jahren Stammgäste. Ihre Terminkalender sind jedoch jedes Mal so prall gefüllt, dass sie sich eher zufällig über den Weg laufen. In Davos bereitete auch nicht Ehemann Paul seiner Frau die Bühne. Es war umgekehrt. Ann-Kristin war auf dem Gipfeltreffen der Wirtschaft längst etablierter Gast, bevor Ehemann Paul offiziell auftrat.


Die Achleitners brachten neue Umgangsformen in die Führungsetagen

Mit den Achleitners ist ein anderer Stil in Deutschlands Führungsetagen eingezogen. Beide „stehen für eine neue Generation von Aufsichtsräten“, sagt Governance-Fachmann Theisen. Sie gelten als umgänglich, unorthodox, ungebunden. Ihre Qualifikation steht außer Frage. Der traditionelle Dax-Aufseher ist im Schnitt weit über 60 Jahre alt; oft sind es ehemalige Vorstände, die ihrem Ruhestand entfliehen. Achleitner und seine zehn Jahre jüngere Frau setzen deshalb Maßstäbe.

Und sie markieren einen Trend. Manager oder Wissenschaftler mit einigen Jahren Berufserfahrung steigen immer häufiger für ihre zweite Karriere aus. Der 55-jährige Martin Köhler etwa hat seinen Job als Seniorpartner der Unternehmensberatung Boston Consulting aufgegeben, um sich auf seine Kontrollarbeit bei Lufthansa und andere Aufgaben zu konzentrieren.

Finanzielle Fragen spielen bei Paul Achleitner offenbar keine Rolle. Sein Job bei Goldman Sachs dürfte trotz der millionenschweren Vergütung als Allianz-Vorstand noch der lukrativste seines Berufslebens gewesen sein.

Seine Aufsichtsmandate dagegen bringen ihm nur einen Bruchteil davon ein. Die Einkünfte von Bayer, Daimler, Henkel und RWE summieren sich für das Geschäftsjahr 2010 auf eine halbe Million Euro. Und der Chefaufseherposten bei der Deutschen Bank wird – bislang jedenfalls – mit 270.000 Euro nur mittelmäßig bezahlt im Vergleich zur Dax-Konkurrenz. Achleitners Berufswechsel, sagen Beobachter, ist „nicht vom Geld, sondern vom Interesse an der Aufgabe getrieben“.

Das sehen selbst altgediente Konzernaufseher so, die sich erst mühsam und in hohem Alter um die interessantesten Aufsichtsposten bewerben konnten. Manfred Schneider etwa, der ehemalige Bayer-Vorstandsvorsitzende, bereitet sich auf den Rückzug vor. Der 72-Jährige führt die Kontrollgremien von Bayer, Linde und RWE. Paul Achleitner sähe er gern als seinen Nachfolger bei RWE. Vielleicht fühlt sich Achleitner aber mit fünf Aufsichtsmandaten ausgelastet, erst recht, wenn zwei davon Chefposten sind. Schon die Deutsche Bank ist nicht leicht zu kontrollieren, wie der Machtkampf in den vergangenen Monaten gezeigt hat.

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