Pharmaindustrie Korrupte Halbgötter in weiß

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Ärzte erhalten oft Quelle: dpa

Einige Pharmaunternehmen haben die Zeichen der Zeit bereits erkannt. Der britische Hersteller AstraZeneca hat vor wenigen Tagen in Deutschland angekündigt, vom zweiten Halbjahr an Ärzte nicht mehr zu Kongressen einzuladen. Die ebenfalls britische GlaxoSmithKline (GSK) hat die gesponserten Ärzte-Trips bereits deutlich reduziert und denkt über einen vollständigen Stopp nach.

Ende der Neunzigerjahre hatte die Staatsanwaltschaft München gegen GSK ermittelt. Das Unternehmen hatte Ärzte unter anderem zum Endspiel der Fußballweltmeisterschaft 1998 nach Paris eingeladen. Offiziell ging es dabei um eine Marktforschungsstudie zur Bluthochdrucktherapie. „Das Verfahren hat uns die Augen geöffnet, wir haben daraus gelernt“, sagt GSK-Vertriebschefin Birgit-Yvonne Reimann.

Keine Dubiosen Studien mehr

Inzwischen sind bei GSK selbst Kugelschreiber und Kalender als Werbegeschenke für Ärzte tabu. Seit Jahren schon verzichtet das Unternehmen auf Anwendungsbeobachtungen – oft dubiose Studien an Patienten, die keine wissenschaftlichen Erkenntnisse bringen, dafür aber das Einkommen der Ärzte steigern. Die Zahl der kostenlosen Arzneimittel-Musterpackungen, mit denen Mediziner früher reichlich bedacht wurden, damit diese ihre Patienten entsprechend versorgen, hat GSK deutlich reduziert und verschenkt jetzt weniger Medikamente, als der Gesetzgeber erlaubt. Auch für mehr Transparenz will das Unternehmen sorgen: Ärzte, die von GSK für Vorträge bezahlt werden, müssen per Vertragsklausel einwilligen, dass sie einer personenbezogenen Veröffentlichung der Zahlung durch GSK grundsätzlich zustimmen.

So ehrgeizige Pläne verfolgen viele deutsche Hersteller nicht. Die Pharmariesen Bayer und Merck geben an, sich an gesetzliche Vorgaben und den FSA-Kodex zu halten. Darüber hinausgehendes Engagement scheinen sie derzeit – im Gegensatz zu AstraZeneca und GSK – nicht an den Tag zu legen.

Ratiopharm, ein Hersteller von Nachahmermedikamenten, war Ende 2005 wegen fragwürdiger Vertriebsmethoden in die Schlagzeilen und in die Mühlen der Justiz geraten. Nun nehmen die Ulmer für sich in Anspruch, „seit vielen Jahren Abstand“ zu nehmen „von sämtlichen vertriebsfördernden Maßnahmen, die von der Öffentlichkeit als unredlich empfunden werden könnten“.

Ganz ohne Druck von außen scheint auch der Umschwung bei GSK und AstraZeneca nicht zustande gekommen zu sein. Während in Deutschland Pharmaunternehmen wegen dubioser Marketingpraktiken zunehmen in die Kritik geraten sind und erst jetzt das BGH-Urteil ansteht, soll demnächst in Großbritannien ein neues Antikorruptionsgesetz in Kraft treten. Die Zentralen von GSK und von AstraZeneca sind beide in London beheimatet.

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