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Pharmaindustrie "Viele Medikamente sind völlig überteuert"

In Deutschland sind selbst uralte Medikamente völlig überteuert, obwohl sie weder teuer in der Herstellung sind, noch für sie hohe Forschungskosten anfallen. Geringere Preise haben keine negativen Folgen die Patienten, meint Klinikchef Arnold Ganser.

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Der Mediziner Arnold Ganser, Chef der Klinik für Hämatologie und Onkologie an der Medizinischen Hochschule Hannover, kritisiert im Interview mit der WirtschaftsWoche, dass sich die Preise der Medikamente in Deutschland „ausschließlich an der hohen Kaufkraft der Menschen“ orientieren, nicht aber an den Kosten.

„Wir haben zum Beispiel sehr alte Medikamente wie das Thalidomid, das in den Sechzigerjahren unter dem Namen Contergan als Schlafmittel zu trauriger Berühmtheit kam. Es ist jetzt erneut als Krebsmedikament zugelassen. Aber es ist weder neu noch teuer in der Herstellung.

Dennoch bezahlt der Patient etwa 5.000 Euro pro Monat dafür.“ Als weiteres Beispiel nennt Ganser das Leukämiemedikament Arsentrioxid. „Es kostet Pfennigbeträge in der Herstellung, aber 25.000 Euro im Behandlungszyklus.“ Bei der der Neuzulassung eines bewährten und nur leicht veränderten Medikaments könne sich „der Preis von vorher 200 bis 300 Euro monatlich im Extremfall auf das 20- bis 30-Fache erhöhen“, so Professor Ganser.

Der Mediziner sieht keine Nachteile auf die Patienten zukommen, sollte die Bundesregierung die Medikamentenpreise reduzieren. „Nein, in der Regel nicht. Natürlich müssen wirklich neue und innovative Medikamente auch einen gewissen Preis haben, der das Risiko, mit einer Entwicklung zu scheitern, genauso abdeckt wie die hohen Kosten, die durch die Sicherheitsvorgaben der Behörden für Tests am Menschen entstehen. Doch das rechtfertigt nicht jeden Traumpreis.

Und es gibt jede Menge Scheininnovationen.“

Pharmavertreter müssen draußen bleiben

Um die Kosten im Griff zu halten, hat das Klinikum Hannover Besuche von Pharmavertretern verboten. „In meiner Abteilung habe ich Vertreterbesuche vor zwei Jahren untersagt. Seit der Klinikapotheker bestätigte, dass er an den verordneten Medikamenten genau ablesen kann, welcher Vertreter auf welcher Station war, gilt das Verbot für die gesamte Medizinische Hochschule Hannover.“

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