Porsche gegen VW Die Anatomie der Porsche-Schlacht

Es war der größte deutsche Wirtschaftskrieg. Der ehemalige Inspekteur der Marine und Vizeadmiral a. D. Lutz Feldt analysiert das Scheitern des Porsche-Feldzuges gegen VW und erklärt was Manager daraus lernen können.

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Schlacht Porsche vs VW

Wenn alles gut läuft, ist die Gefahr des Scheiterns am größten. Der ehemalige Inspekteur der Marine und heutige Präsident des Deutschen Marine Instituts in Bonn, Lutz Feldt, kennt die Gefahren militärischer Einsätze. Als Kommandant von Schiffen mit mehreren Hundert Mann Besatzung und vor allem als früherer Befehlshaber der Flotte habe er erfahren müssen, dass Gefahren häufig dann auftreten, wenn sie „keiner erwartet“. Führungskräfte, egal, ob es sich um militärische oder wirtschaftliche handelt, bräuchten daher „eine Antenne“ für Spannungen und Risiken im Umfeld, sagt Experte Feldt.

Das Fehlen solch eines Seismografen hat auch die ehrgeizigen und waghalsigen Pläne von Porsche-Chef Wendelin Wiedeking zunichte gemacht, den Wolfsburger Volkswagen-Konzern zu übernehmen. Feldt analysiert für die WirtschaftsWoche die sieben wichtigsten Stationen des Porsche-Feldzuges und sagt, warum Wiedeking, der den verlustreichen Autokonzern aus Zuffenhausen zu einem hochprofitablen Sportwagenbauer formte, aus dem Blickwinkel militärischer Führung am Ende doch gescheitert ist.

Die Planungsphase - März 2005

Die Planungsphase (März 2005) - VW ist geschwächt, die Aktie günstig. Porsche-Chef Wendelin Wiedeking schmiedet einen Plan: Er will die Mehrheit an VW.

Feldt: Auf den ersten Blick scheint das strategische Ziel klar definiert: die Übernahme des Wolfsburger Konkurrenten Volkswagen. Doch der zweite Blick wirft einige Fragen auf. Was genau will das Porsche-Management durch die Übernahme erreichen? Ganz offensichtlich spielte das Machtstreben der Eigentümer und Manager des Sportwagenbauers als Motiv eine entscheidende Rolle. In militärischen Manövern darf die Machtfrage aber nicht von Belang sein. Es muss um das Land und die Bevölkerung gehen. Einem Offizier, dem es um Macht geht, würde ich niemals ein Kommando anvertrauen. Das Gleiche gilt für die Wirtschaft: Es muss um den Kunden gehen, nicht um Macht. Eine Übernahme kann allenfalls Mittel zum Zweck sein, aber kein Selbstzweck.

Die Porsche-Führung machte gleich zu Beginn einen zweiten strategischen Fehler: Sie dachte, Volkswagen sei ein leichtes Ziel, weil der Konzern durch den VW-Skandal geschwächt war. Der Skandal verbarg jedoch nur die wahre Stärke von Volkswagen. Die Affäre um gekaufte Betriebsräte und Lustreisen auf Kosten des Unternehmens hatte den Autobauer zwar geschwächt – doch nur kurzfristig. Produkte und Qualität waren davon nicht betroffen, und bald fand Volkswagen zu alter Stärke zurück. Das Porsche-Management hat offenbar versäumt, die Lage genau und vorurteilsfrei zu analysieren. Am Anfang militärischer Operationen stehen immer sogenannte Sachstandsermittlungen: Fakten und Annahmen werden sauber voneinander getrennt. Dabei machen auch militärische Führungskräfte immer wieder einen Fehler: Annahmen, die einen begünstigen, werden überbewertet, und Risiken unterschätzt. In diese Falle ist auch Porsche getappt.

Die Verschleierung - Juni 2005

Die Verschleierung (Juni 2005) - Wiedeking beteuert, er strebe keine dominante Rolle bei VW an. Im Herbst heißt es: maximal 30 Prozent.

Die Verschleierungstaktik kann ein adäquates Mittel im Krieg sein, doch bei wirtschaftlichen Übernahmen ist sie fehl am Platz. Das wichtigste Anliegen eines militärischen Führers im Manöver ist die Frage nach den Konsequenzen. Bei militärischen Operationen geht es um Menschenleben. Bei wirtschaftlichen Schachzügen sind die Konsequenzen finanzieller Natur und das macht einen elementaren Unterschied aus. Und immer steht der Ruf auf dem Spiel. Porsche nahm das Risiko des Verlustes von Glaubwürdigkeit in Kauf.

Das Problem bei der Verschleierungstaktik: Verdeckte Aktionen und wahre Motive kommen irgendwann immer ans Tageslicht. Die Gefahr eines nachhaltigen Imageverlustes ist daher höher zu bewerten als die Chance einer verdeckten Übernahme. Ist das Image erst einmal beschädigt, kann das Vertrauen nur mühsam zurückgewonnen werden. Das gilt für Soldaten ebenso wie für Mitarbeiter von Unternehmen.

Die Angriffswelle - September 2005

Die Angriffswelle (September 2005) - Porsche dreht ein immer größeres Rad mit Optionen auf VW-Aktien, der Kurs steigt. Euphorisiert von Milliardengewinnen macht Wiedeking klar: Er will in Wolfsburg knallhart mitregieren.

Hybris von Führungskräften wird oft zur Achillesferse bei militärischen wie wirtschaftlichen Operationen. Sie macht blind gegenüber Risiken des Fehlschlags. Für Kommandeure ist es ebenso wie für Manager wichtig, sich ein Team zusammenzustellen aus Menschen, die den Mut haben, Fehlentwicklungen konsequent und ehrlich aufzuzeigen. Charismatische Führungskräfte und Einzelkämpfer gewinnen möglicherweise einzelne taktische Schlachten, sie kommen aber ihrem strategischen Ziel nicht einen Schritt näher. Viele lassen sich dabei auch von Anfangserfolgen blenden. Führungskräfte, die im Team arbeiten, sind langfristig erfolgreicher.

Die Abwehrallianz - November 2006

Die Abwehrallianz (November 2006) - Offiziell streitet Porsche den Griff nach der Mehrheit bei VW ab, kauft aber fleißig weiter Aktien. Als das Ziel durchsickert, sucht und findet VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch einen Verbündeten: Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff.

Das Bündnis von VW mit Niedersachsen hat die Wende im Übernahmekampf herbeigeführt. Verbündete sind meist überlebenswichtig: Sie vergrößern nicht nur die Schlagkraft, wenn die Parteien ihre Aktionen koordinieren. Allianzen setzen vor allem ein Zeichen nach außen. Das schwächt die Moral der Gegner. Die Hauptprotagonisten Piëch und Wulff waren früher zudem offensichtliche Widersacher. Ein solcher Verbund wirkt dann umso stärker, zumal er authentisch und ehrlich kommuniziert wurde. Dass es Wulff ernst war, zeigt seine Bereitschaft, Kanzlerin Angela Merkel in den Übernahmekampf hineinzuziehen. Das Geheimtreffen der beiden CDU-Politiker im Herbst 2008, bei dem das neue VW-Gesetz ausgehandelt wurde, hat die Stärke des Verbunds zementiert.

Der Gegenschlag - September 2008

Der Gegenschlag (September 2008) - Ein neues Gesetz aus Berlin sichert Niedersachsens Sperrminorität bei Volkswagen. Wiedeking hingegen fehlen wichtige politische Verbündete und juristischer Sachverstand.

Die größte Schwäche militärischer Führungskräfte: Sie verharren in ihren Plänen, die sie anfangs geschmiedet haben, lassen sich durch schnelle Erfolge beflügeln und missachten Warnungen über mögliche Verluste. Günstige Situationen können sich aber häufig in ungünstige verwandeln. Es ist eine große Kunst, diese Veränderung zu erkennen. Helfen kann es, wenn man als Führungskraft einen Kreis von Vertrauten hat, die einem schonungslos die Wahrheit sagen und einen vor Fehlentwicklungen warnen. Fortlaufende Lagebeurteilung ist der wichtigste Teil militärischer Operationen.

Spätestens dann, wenn die Bedingungen sich zum eigenen Nachteil geändert haben, ist es an der Zeit, Maßnahmen zu korrigieren oder den Plan komplett fallenzulassen und den Rückzug anzutreten. Nach dem neuen VW-Gesetz war klar, dass Wiedeking sein strategisches Ziel der Beherrschung von Volkswagen nicht mehr erreichen konnte. Er hätte aufgeben oder seine Strategie abändern können, dafür aber sein Gesicht gewahrt und die Übernahme von Porsche verhindert.

Der Zündsatz - Oktober 2008

Der Zündsatz (Oktober 2008) - Porsche will offiziell die Mehrheit, der VW-Kurs spielt verrückt, Wiedeking triumphiert, als Banken Milliarden verlieren. Der Streit entbrennt voll.

Demütigungen mindern Siege. Diese Erkenntnis zeigen Beispiele aus der Militärgeschichte wie etwa die Kaiserproklamation in Versailles nach dem Sieg der Deutschen über Frankreich 1870/71. Das gilt auch für die Wirtschaft. Erfolgreiche Übernahmen oder zwischenzeitliches Kassemachen schmerzen umso mehr, je aggressiver sie nach außen getragen werden. Jedes Unternehmen muss günstige Situationen ausnutzen, aber entscheidend ist die Art und Weise, wie es dies tut. In der Beurteilung der Konsequenzen müssen sich Manager fragen, welche Wirkungen ihre Gesten längerfristig auf andere haben werden – und im Umkehrschluss auf sich selbst. VW hingegen hat sich im Moment der Wende sehr klug verhalten: Nachdem Porsche sich wegen der Optionsgeschäfte und des Aktienkaufs in Milliardenhöhe verschuldet hatte, sicherten die Wolfsburger einen Notkredit in Höhe von 700 Millionen Euro und künftige Solidarität zu – trugen das aber zunächst nicht an die Öffentlichkeit. Dezente, demütige Siege halten länger.

Die Einigung - Juli 2009

Die Einigung (Juli 2009) - Porsche wird in den VW-Konzern integriert. Wiedeking muss gehen.

Porsche hat verloren, doch nun darf Volkswagen nicht die Fehler der Gegenseite wiederholen. Nach einer langen, hart umkämpften Auseinandersetzung muss eine gemeinsame Lösung gefunden werden. Porsche darf als integriertes Unternehmen im VW-Konzern nicht als Verlierer dastehen. Das Management muss nun Vorteile für beide Seiten finden, statt den Machtkampf weiter medial auszuschlachten. Im Marinejargon heißt das: Die besten Kapitäne stehen auf der Pier.

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