Porträt Dietmar Hopp - Vadder und Wohltäter

Dietmar Hopp, der etwas andere Milliardär, ist Biotech-Investor, stiftet großzügig und hält sich den Fußballclub TSG Hoffenheim. Weil ihm Heimat wichtig ist.

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Dietmar Hopp Quelle: Robertino Nikolic für WirtschaftsWoche

Ob Hoffenheim tatsächlich in die erste Fußball-Bundesliga aufsteigt? Dietmar Hopp bleibt da vorsichtig. Seine Mannschaft gehört zwar derzeit zur Spitzengruppe der Zweiten Liga, hat aber zuletzt auch mal Punkte abgeben müssen; und abgerechnet wird erst am 18. Mai.

Der fünffache Milliardär Hopp, einer der Gründer des Weltkonzerns SAP, hat in seiner Jugend selbst bei der TSG Hoffenheim Fußball gespielt. Mit seinem Geld machte er es möglich, dass seinem Verein der Aufstieg von der Kreisliga bis in den bezahlten Profifußball gelang. Er hat ein Jugendzentrum aufgebaut und anerkannte Fachleute wie den Trainer Ralf Rangnick engagiert, der schon Schalke 04 in die Champions League führte. Für 60 Millionen Euro lässt Hopp nun seinem Verein ein neues Stadion bauen.

Ohne Hopp gäbe es auch die SAP Arena in Mannheim, Heimspielstätte der Adler Mannheim (Eishockey) und der Rhein-Neckar-Löwen (Handball), nicht. Und einige Kilometer weiter südlich, in St. Leon-Rot, hat er einen Golfplatz anlegen lassen, der zu den besten in Deutschland gehört und den schon Tiger Woods bespielte.

Hopp ist ein für die deutsche Wirtschaft typischer Unternehmer, der Investitionen und Kapital – in seinem Fall auch sagenhaften Reichtum – in der Provinz platziert. Denn er fördert nicht nur den Sport in seiner Region. Es gehe ihm, sagt er, darum, in der Heimat – Hopp ist in Heidelberg geboren, hat in Karlsruhe studiert und hat in Weinheim SAP gegründet – Arbeitsplätze zu erhalten, Unternehmen zu retten, Kliniken und Schulen zu unterstützen. Er ist so etwas wie der gute Mensch von Rhein und Neckar. „Ich will der Region hier etwas zurückgeben“, sagt Hopp und meint das ernst. Mancher Freundschaftsdienst, wie der Einstieg beim Bierkonzern Henninger-Bräu, hat ihn richtig Geld gekostet.

Brauereien, Hotels, Technologieunternehmen und Sportstätten: Die Auswahl von Hopps Investments wirkt planlos – anders als etwa bei seinem SAP-Mitgründer Hasso Plattner, der sich auch nach seiner Zeit bei SAP auf Software- und Computer-nahe Projekte konzentriert. Synergien zwischen Hopps Geschäftsbereichen gibt es kaum. Es gehe ihm um die Jobs, sagt Hopp – fügt dann aber schnell hinzu, dass er sich die Unternehmen, in die er investiert, schon genau ansehe. Schließlich will er Geld verdienen. Vielleicht nicht gleich, aber irgendwann später. Er hat auf diese Weise eine Reihe von Biotech-Unternehmen aus der Insolvenz gerettet und ist so zum größten Biotech-Investor in Deutschland geworden.

Ein Großteil seines Geldes steckt in einer der größten privaten Stiftungen Europas. Die Dietmar-Hopp-Stiftung verfügt über ein Vermögen von über vier Milliarden Euro. Ohne sie müsste manche Klinik der Region noch auf Bestrahlungsgeräte warten und manches Klassenzimmer auf Computer.

Es sei manchmal nicht einfach, Dietmar Hopp zu sein, sagt Dietmar Hopp. Unendlich viele Bittbriefe bekomme er. Zuweilen wenden sich die Menschen auch direkt an ihn, wollen ihre finanzielle Lage verbessern, indem sie dem Wohltäter der Region Immobilien, Kunst oder auch schon mal einen Oldtimer zum Kauf anbieten.

Einige der Bittbriefe liest Hopp. Wer ihm dann schreibt, dass ihm noch 20.000 Euro zu seinem persönlichen Glück fehlen, darf bestenfalls auf einen Formbrief hoffen. Familien in Not verweist er dagegen an einen Sozialdienst, den er mit einem Fonds unterstützt.

Hopp sitzt im Konferenzzimmer seines Golfklubs, draußen fahren die Caddys vorbei. Seit elf Uhr ist er hier. Um acht steht er in der Regel zu Hause in Walldorf auf, um neun schwitzt der 68-Jährige auf dem Laufband. Nebenher verfolgt er auf n-tv die Entwicklung an den Börsen oder die Wiederholung eines Fußballspiels auf Premiere.

Vom Golfklub aus steuert Hopp seine sozialen Projekte, den Fußballverein, die Unternehmensinvestitionen. Am braunen, ovalen Konferenztisch bespricht er sich mit den Mitarbeitern seiner Stiftung. Hier lässt er sich von Gründern, die ihn gern als Geldgeber gewinnen wollen, deren Geschäftsidee erklären. Zwischendurch spielt er immer wieder eine Runde Golf.

Hinten links im Konferenzzimmer steht ein Schreibtisch mit PC und Drucker in der Ecke – Hopps Büro. Der Milliardär beschäftigt keine eigene Sekretärin und keinen Pressesprecher. Seinen Gast holt er persönlich im gegenüberliegenden Klubrestaurant ab.

„Ich käme nie auf die Idee, mein Vermögen ins Ausland zu bringen“, erklärt er kurze Zeit später. „Ich bin mit dieser Gesellschaft solidarisch. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung hat mir ermöglicht, mich zu entfalten, und mir keine Steine in den Weg gelegt. In der DDR-Planwirtschaft lief das anders.“

Und wie Hopp sich entfaltet hat: Nach dem Studium der Nachrichtentechnik fängt der Diplom-Ingenieur bei der IBM als Software-Entwickler an. 1972 gründet er zusammen mit vier weiteren Partnern die Firma „Systemanalyse und Programmentwicklung“, kurz SAP. Die Idee, den Unternehmen Standardsoftware statt aufwendiger Eigenentwicklungen anzubieten, setzt sich durch. Heute ist SAP die erfolgreichste Unternehmensneugründung in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg.

SAP-Mitbegründer Dietmar Hopp Quelle: dpa

Bei SAP heißt er bald „Vadder Hopp“, weil er ein offenes Ohr für die Mitarbeiter hat. Hopp ist da ganz anders als sein Mitgründer Hasso Plattner, der auch schon mal ausfallend wird und vor dem viele Beschäftigte Angst haben. Während Plattner eher das internationale Geschäft im Blick hatte, galt Hopp schon damals als Fürsprecher der Heimatregion.

Im Mai 2005 scheidet „Vadder Hopp“, 65-jährig, bei SAP endgültig aus, zuletzt saß er als einfaches Mitglied im Aufsichtsrat: „Ich wollte kein Patriarch werden, der nicht loslassen kann.“ Andererseits fühlt er sich noch jung genug, um weiter zu investieren.

„Die nächste große Welle nach der IT ist Biotech“, beschließt Hopp. Inzwischen besitzt der Milliardär Beteiligungen an mehr als einem Dutzend Biotech-Unternehmen, ein knappes halbes Dutzend davon in seiner Geburtsstadt Heidelberg. So viel wie Hopp investiert kein anderer Kapitalgeber hierzulande in die Medikamenten-Labors der Zukunft – insgesamt mehr als 300 Millionen Euro. „Ich möchte, dass Arbeitsplätze entstehen – oder wenigstens gehalten werden“, sagt Hopp. Er ist nach eigener Aussage bei drei vielversprechenden Firmen eingestiegen, die ansonsten pleite gewesen wären.

Hopp lässt an Therapien gegen Krebs oder Erkrankungen des zentralen Nervensystems wie Alzheimer oder Parkinson forschen. Es geht ihm nicht darum, Symptome zu lindern. Hopps Forscher sollen Krankheiten heilen. In den Labors von Cytonet in Weinheim arbeiten die Wissenschaftler mit menschlichen Leberzellen, um eine Medikamenten-Alternative zu Lebertransplantationen zu entwickeln. Bei Sygnis in Heidelberg forschen die Weißkittel an Mitteln gegen Schlaganfall und Alzheimer, die zudem noch das Nervensystem regenerieren sollen. Und, ebenfalls in der Universitätsstadt, bei der Hopp-Beteiligung Apogenix, tüfteln die Laborteams daran, wie sich Tumorzellen in den Zelltod treiben lassen.

Das finanzielle Risiko ist Hopp bewusst. Er weiß, dass nicht jedes seiner Engagements ein Erfolg werden wird. Noch hat es kein Wirkstoff aus seinen Biotech-Unternehmen auf den Markt geschafft. Bei einer Erfolgsquote von 25 Prozent wäre er schon zufrieden.

Welche Investments sich lohnen, sollen Christof Hettich und Friedrich v. Bohlen und Halbach für ihn herausfinden. Beide genießen das Vertrauen des Milliardärs. Rechtsanwalt Hettich stand Hopp vor Jahren bei Henninger-Bräu zur Seite. Auf einer Podiumsdiskussion lernte Hopp dann Bohlen kennen, einen Neffen des Stahlmagnaten Alfried Krupp. Dass Bohlen gerade als Unternehmer mit seiner Firma Lion Bioscience („SAP der Bioinformatik“) grandios gescheitert war, störte Hopp nicht: Er vertraut auf die Expertise und das Netzwerk des früheren Biotech-Gründers.

Gemeinsam haben Hettich und Bohlen schon über 200 Biotech-Unternehmen für Hopp analysiert. Die wenigen, die dabei überzeugen können, dürfen im Golfklub St. Leon-Rot dann vor Hopp präsentieren. Wer es schließlich geschafft hat, kann mit umfangreicher Betreuung rechnen. Hettich und Bohlen geben den Unternehmen Hilfestellung in Sachen Aufbau, Struktur und Geschäftsentwicklung. Einer von beiden sitzt immer im Aufsichtsrat. Zweimal im Jahr treffen sich die Chefs von Hopps Biotech-Beteiligungen in St. Leon-Rot, um sich auszutauschen. Und alle vier Wochen berichten Hettich und Bohlen im Golfklub Hopp über die Entwicklungen bei seinen Unternehmen.

Der Bericht über GPC Biotech fiel dabei in den vergangenen Monaten besonders enttäuschend aus. Große Hoffnungen hatte das Münchner Unternehmen in das Prostatakrebsmittel Satraplatin gesetzt; jährliche Einnahmen von 500 Millionen Euro waren prognostiziert. Doch dann fällte im vergangenen Jahr die amerikanische Zulassungsbehörde FDA ein negatives Urteil, eine Studie brachte nicht die erhofften Ergebnisse, der Aktienkurs brach von 23 Euro auf aktuell etwa zwei Euro ein.

Torjubel: Spieler der TSG 1899 Quelle: dpa

Hopp, der sein Engagement zwischenzeitlich sogar noch von 10 auf 17 Prozent aufgestockt hat, soll über 40 Millionen Euro verloren haben. „Natürlich bin ich enttäuscht. GPC war als Einnahmequelle fest eingeplant“, sagt er. Deswegen gibt er aber noch lange nicht auf, auch aus persönlichen Gründen. Bei einem Freund von ihm habe Satraplatin gut angeschlagen. „Und in den USA gibt es über 200 Patienten, bei denen das Mittel positiv gewirkt hat.“

Hopp ist eben nicht bloß ein kühler Kopf. Seine Engagements haben ganz oft – wie bei GPC – persönliche Gründe. Mancher Freundschaftsdienst hat ihn viel Geld gekostet: Seinem Golffreund Werner Kindermann kaufte er Ende der Neunzigerjahre die Brauereigruppe Henninger-Bräu ab, die Hopp inzwischen weitgehend wieder losschlagen konnte. Für Hopp hatte sich die Bier-Beteiligung ziemlich schnell als Millionengrab erwiesen.

Für den früheren Chef des Finanzdienstleisters MLP, Bernhard Termühlen bürgte er – und handelte sich prompt Ärger mit der Justiz ein, da er die Bürgschaft über seine Stiftung abwickelte. Und auch der Kauf des renommierten Schlosshotels Bühlerhöhe kam über einen persönlichen Draht zustande.

Es kann jedenfalls nicht schaden, Dietmar Hopp zum Freund zu haben. „Er ist ein anständiger Kerl, normal und nicht eingebildet“, sagt Norbert Eichstädter über ihn. Eichstädter, inzwischen Rentner, hat in seiner Jugend gemeinsam mit Hopp, bei der TSG Hoffenheim, Fußball gespielt. Damals, als alles begann und Linksaußen Hopp (Eichstädter: „Der ging immer volles Risiko.“) für seine Tore mit einer Wurst vom örtlichen Metzger belohnt wurde.

Heute macht Hopp selbst schon mal 20 Millionen locker, um – wie zu Beginn der Saison, als es sportlich eher mäßig lief – neue Spieler zu holen. Fußballfans außerhalb des Kraichgaus lästern deswegen schon mal über den Retortenklub des Milliardärs, in Mannheim haben sie seinen Verein sogar als „SG Neureich Bimbeshausen“ verspottet. „Abgrundtiefen Hass“ gegenüber seinem Fußballclub hat Hopp ausgemacht: „Ich fahre deshalb sogar seit einiger Zeit nicht mehr zu den Auswärtsspielen mit.“

Warum tut er sich das an? Hopp geht es darum, dass in seiner fußballerisch unterversorgten Heimat endlich wieder Bundesligafußball zu sehen ist. Sein Zweitliga-Klub Hoffenheim, das ist für ihn kein Geschäft. Und über die Anfeindungen sagt Hopp: „Das sind genau die Leute, die mein Geld liebend gerne annehmen würden, wenn sie’s denn bekommen könnten.“ Bekommen sie aber wohl eher nicht.

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