Prämienzahlungen Banker kassieren trotz Finanzkrise Milliarden als Bonus

Sie haben die Finanzkrise mit verschuldet – trotzdem kassieren Investmentbanker horrende Bonuszahlungen. Die Kritik an der systematischen Selbstbereicherung wächst – auch weil die Banken selbst darunter leiden.

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Goldman-Sachs-Chef Lloyd Quelle: rtr

Jimmy’s Bar im „Hessischen Hof“ direkt gegenüber der Frankfurter Messe ist ein gediegener Ort für den gepflegten Absacker nach dem erschöpfenden Arbeitstag. Mit den Porzellantellern hinter Glas, den braunen Ledersesseln und dem dicken Perserteppich ist der täglich bis vier Uhr morgens geöffnete Kellerclub seit Jahrzehnten ein beliebter Treffpunkt all jener, die nicht allzu sehr aufs Geld achten müssen. Wenn Frankfurts Investmentbanker und Finanzinvestoren feiern, lassen sie sich hier auch mal eine Flasche Krug Vintage Champagner für 405 Euro kommen. Auch am Dienstagabend ist der eichengetäfelte Keller gut gefüllt. Selbst das Rauchverbot hat vor Jimmy’s Bar haltgemacht, eine Zigarre nach der anderen verlässt den Humidor. Die Luft wird würzig, die Gläser klirren. Um kurz nach zehn beginnt der Pianist dezent zu klimpern. Als Erstes erklingt ein Louis-Armstrong-Klassiker — „What a wonderful World“

Das passt. Denn allen Turbulenzen der vergangenen Monate zum Trotz ist die Finanzkrise bisher kaum in den Portemonnaies der Investmentbanker angekommen. Ihre Bonuszahlungen sind im Vergleich zum vergangenen Rekordjahr insgesamt nahezu konstant geblieben, viele Banken haben trotz Milliardenabschreibungen die Gesamtsumme der Ausschüttungen sogar erhöht. Banker im Anleihegeschäft müssen sich zwar mit weniger zufriedengeben. Ebenso jene, die ausgerechnet mit den komplizierten auf verbrieften Hypotheken basierenden Finanzprodukten zu tun hatten, die die Krise des Finanzsystems auslösten. Doch ganz leer gehen in vielen Fällen nicht einmal sie aus. Und Übernahmeexperten streichen vielerorts sogar ein Rekordtaschengeld ein.

Nach der Logik des Systems ist das erst mal vollkommen in Ordnung. Doch noch nie war diese Praxis mit einem derart üblen Beigeschmack behaftet, noch nie warf sie derart viele Fragen auf. Kann die individuelle Leistung wirklich eine derart hohe Priorität gegenüber dem Gesamtergebnis der Bank haben? Ist es richtig, dass Banker in guten Zeiten alles gewinnen, in schlechten aber nur wenig verlieren können? Sollte das Interesse der Aktionäre nicht höher zu bewerten sein als das meist ohnehin schon gewährleistete Geldglück der am besten bezahlten Mitarbeiter?

Zumal gerade das Entlohnungssystem die aktuellen Verwerfungen zu einem erheblichen Teil erst verursacht hat. Denn allen zaghaften Bemühungen um mehr Langfristigkeit – etwa durch eine stärkere Aktienkomponente – zum Trotz belohnt es nach wie vor besonders die riskanten Geschäfte, die kurzfristig eine hohe Rendite versprechen. Gerade in den höheren Etagen der Investmentbanken, die mit der Beratung bei Übernahmen, Börsengängen und der Konstruktion von Finanzprodukten ihr Geld verdienen, macht der Bonus meist ein Vielfaches des Grundgehalts aus.

Richtig hoch fällt er vor allem dann aus, wenn ein Banker den Markt schlägt oder möglichst große Geschäfte einstielt. Das Risiko steigt hier jedoch mindestens proportional zur Rendite. Auf längere Sicht ist das oft zum Schaden der Banken: So gehen Experten davon aus, dass die Verluste bei den auf Immobilienkrediten basierenden Finanzkonstruktionen mittlerweile alle jemals mit diesen Produkten erzielten Gewinne übertreffen.

Der Wettbewerb unter den Angestellten ist knallhart. Die individuelle Leistung steht bei der Vergabe der Sonderzahlungen im Vordergrund. Nach oben sind den Zahlungen keine Grenzen gesetzt. Das führt dazu, dass die Banker in guten Zeiten so viel verdienen können, dass sie für immer ausgesorgt haben. Da sie zudem bei Verlusten nichts zurückzahlen müssen, steigt der Anreiz, sich auf riskante Geschäfte einzulassen. Denn wenn erst einmal ein paar Millionen auf dem Konto liegen, lässt sich auch eine Entlassung leicht verschmerzen.

Das gilt auch für einen Mann, der zwar kein Investmentbanker ist, aber wohl gerne in der großen Liga mitspielen wollte. Stefan Ortseifen, Ex-Chef der IKB, trieb seine Bank munter ins riskante Geschäft mit Kreditverbriefungen. Für das Geschäftsjahr 2006 erhielt er eine Million Euro Bonus. Die durch diese Spekulationen entstandenen Milliardenverluste muss nun aber der Steuerzahler ausgleichen

Am weltweit wichtigsten Finanzplatz New York mussten bereits einige Geldprofis ihren Stuhl räumen. Für die übrigen sind die Einbußen in diesem Jahr im Durchschnitt minimal. Die gesamten Zusatzzahlungen gingen nach einer Schätzung der New Yorker Steuerbehörde 2007 im Vergleich zum Rekordjahr 2006 gerade mal um zwei Prozent auf 33,2 Milliarden Dollar zurück.

Auch an Europas Finanzplatz Nummer eins, in London, haben sich anfängliche Befürchtungen der Geldelite nicht bewahrheitet. Noch im Herbst hieß es, die Ausschüttungen würden um mindestens 20 Prozent sinken. Doch schon nach den ersten Jahresgesprächen machte sich Zuversicht breit. „Viele sind erleichtert, weil die Boni nicht schlecht ausfallen“, sagt ein Insider.

Von den deutschen Banken liegen noch keine konkreten Angaben für 2007 vor. Mit einem flächendeckenden Einbruch rechnet allerdings niemand. Den Trend geben die angelsächsischen Institute vor. Mit Rekordzahlungen geklotzt haben vor allem jene, die die Krise bislang weitgehend unbeschadet überstanden haben. Dank des vierten Rekordergebnisses in Folge erhöhte Goldman Sachs die Zahlungen an die Angestellten auf insgesamt 20 Milliarden Dollar. Im Durchschnitt erhält jeder Mitarbeiter so nun 660.000 Dollar, Bankchef Llyod Blankfein darf fast 70 Millionen mit nach Hause nehmen. Auch der kleinere Konkurrent Lehman Brothers legte mit insgesamt 9,5 Milliarden Dollar an Boni im Vergleich zum Vorjahr fast eine Milliarde drauf.

Doch auch gebeutelte Banken lassen sich nicht lumpen. So enthält der Bonustopf bei Morgan Stanley mit 16,5 Milliarden Dollar rund zwei Milliarden mehr als im Vorjahr. Die Bank musste aufgrund der Krise bislang fast zehn Milliarden Dollar abschreiben, konnte aber immer noch einen Milliardengewinn ausweisen. Auch bei der Citigroup und der UBS hält sich der Rückgang in Grenzen. Allenfalls ein symbolischer Akt ist es, dass Top-Banker wie Marcel Ospel von der UBS, John Mack von Morgan Stanley und James Cayne von Bear Stearns auf ihre jährliche Sonderzahlung verzichteten. Cayne nutzte das nichts. Er musste zurücktreten.

Mitleid ist unnötig. In den Jahren davor haben sie deutlich zweistellige Millionenbeträge kassiert. Auf den Ebenen unter ihnen geht der Tanz ums große Geld weiter. Ganz so ausgelassen wie im vergangenen Jahr ist die Stimmung nicht. Die ersten Entlassungswellen lassen auch unsensiblere Nadelstreifennaturen nicht ganz kalt, zumal jeder ahnt, dass noch etwas nachkommt. Für das laufende Jahr rechnen die meisten Experten zudem mit rückläufigen Ergebnissen. Und doch: Dass Zockernaturen plötzlich im Büßergewand herumliefen, ist nicht zu erkennen.

Im Gegenteil: Das Geld sitzt weiter locker. Garry O’Dea etwa, der beim Autohaus H. R. Owen im schicken Londoner Stadtteil Kensington and Chelsea Ferraris verkauft, spürt bisher keine Folgen der Finanzkrise. „Wir sind noch sehr beschäftigt, wir haben gar keinen Abschwung gesehen“, sagt er. Wer heute bei O’Dea einen Ferrari bestellt – das kleinste Modell, den F430, gibt es ohne alle Extras zum Grundpreis von 150.000 Euro –, muss sich gedulden. Bis zur Lieferung vergehen wegen der großen Nachfrage bis zu drei Jahre.

Das Restaurant „Vivat Bacchus“ am Rand der Finanzmeile bietet seit Ende Januar ein Sieben-Gänge-Menü für 1000 Pfund an. Besitzerin Neleen Strauss ist sich sicher, den Nerv ihrer Gäste getroffen zu haben. Schließlich befriedige sie ein tiefsitzendes Bedürfnis: „Viele fragen in der Bonussaison nach etwas ganz Besonderem“, meint sie, und: „Mit ihren Prämien wollen sich die Leute ein wenig verwöhnen.“

Die Verschwendungsskala ist nach oben offen. So hat der Londoner Club „Movida“ an der Argyll Street in Soho kurz vor Weihnachten einen dem festlichen Anlass angemessenen Spezialcocktail ins Programm aufgenommen. Das „Flawless“ genannte Mischgetränk besteht aus Louis-XII-Cognac, Cristal-Rose-Champagner und 24-karätigen Goldflocken. Sollte sich jemand an dieser Kreation verschlucken, liegt das nicht am Preis von umgerechnet 50.000 Euro, sondern am auf dem Boden des Glases versteckten Diamantring.

Auch in New York muss die Bankerseele nicht auf Wohlgefühl verzichten. Trotz großer Verluste und unsicherer Märkte wurden „viele 2007 mit Bonus-Manna aus dem Himmel überschüttet“, seufzt die aktuelle Ausgabe des Branchenblatts „Trader Monthly“ unter der Überschrift „Lasst es regnen“ erleichtert. Das ist auch für das Magazin erfreulich, versorgt es seine Leser doch nicht nur mit Finanznachrichten, sondern auch mit den Must-haves der Saison. Bei der diesjährigen Leserbefragung erreichten ein Aston Martin DBS für 265.000 Dollar, eine Patek Phillipe 5960 für 63.500 Dollar und ein Johnnie Walker Blue Label 1805 für 20.000 Dollar in ihren Kategorien die Spitzenplätze. Für 20.000 Dollar kann man sich alternativ zwar keinen Geschmack, aber einen handgefertigten Goldrahmen im Barockstil zur Veredelung des heimischen Plasmafernsehers zulegen.

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