Printmedien Weniger Personal soll bei WAZ-Gruppe mehr leisten

Die WAZ strich im Ruhrgebiet bisher 300 von 900 Redakteursstellen. Leser beklagen Qualitätsmängel, die Auflage der Zeitungen sinkt. Trotzdem bleibt der Chef von Deutschlands drittgrößtem Verlag konsequent.

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Bodo Hombach Quelle: Laif/Andreas Teichmann

Bodo Hombach hört das gar nicht gerne. Die Auflage der vier zur Essener Mediengruppe WAZ gehörenden Kernblätter soll vor allem deshalb so stark geschrumpft sein wie bei keinem anderen Verlag, weil der Konzern mit ihm an der Spitze seit Anfang 2009 rund 300 ihrer 900 Redakteure im Ruhrgebiet entlassen hat?

„Nicht im Ernst“, blafft der bullige WAZ-Geschäftsführer und betet die Gründe herunter, die aus seiner Sicht schuld sind am Käuferschwund: „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“, „Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung“, „Westfälische Rundschau“ und „Westfalenpost“ hätten Lokalausgaben dichtgemacht, die keine Perspektive gehabt hätten. Das koste Auflage, sagt Hombach. Die Bevölkerung im Revier schrumpfe, ergo auch die Zahl der Zeitungskäufer. Und der Anteil von Migranten und Arbeitslosen sei im einstigen Kohlenpott höher als anderswo. Der Auflagenverlust habe mit der Qualität der Zeitungen nichts zu tun.

WAZ-Rezept: Schrumpfen und Zusammenlegen

Ganz so sicher ist die Sache allerdings nicht. Denn tatsächlich läuft bei Deutschlands drittgrößtem Verleger von Zeitungen und Magazinen seit zwei Jahren ein Experiment. Die Wettbewerber beobachten den Ausgang aufmerksam, denn Hombachs Probleme sind angetrieben vom generellen Wandel in der Medienlandschaft, in dem Internet-Angebote das Geschäftsmodell traditioneller Medien infrage stellen. Angeschlagen sind sie zugleich durch den Schwund der Werbekunden in der Folge der weltweiten Wirtschaftskrise. Fraglich ist, ob Printmedien je wieder das alte Anzeigenniveau erreichen werden.

Der WAZ-Konzern mit 27 Tages- und 13 Wochenzeitungen, 177 Zeitschriften, fast 100 Anzeigenblättern und Beteiligungen vornehmlich in Osteuropa sowie europaweit 17 000 Mitarbeitern wird so stark umgekrempelt wie nie zuvor. Nichts bleibt bei Redaktionen, Verwaltung und Zeitungsausträgern, wie es war. Dafür holten sich die WAZ-Bosse vor zwei Jahren die Beratung Schickler ins Haus. Deren Rezept: Schrumpfen und Zusammenlegen. Jahrzehntelang machten sich die Redaktionen der vier Kernblätter des Hauses Konkurrenz. Verwaltung und Anzeigenverkauf kam dagegen aus einer Hand.

Heute sind auch bei den Inhalten die Grenzen zwischen den Blättern aufgehoben. Die früher getrennten Mantelredaktionen, die die Hauptteile bestückten, arbeiten nun einem zentralen Artikel-Pool zu, aus dem die Chefredaktionen der Titel ihre Blätter machen. Die Lokalchefs machen es ebenso. Ein Drittel der Belegschaft musste gehen, zugleich stieg der Abstimmungsaufwand.

Die verbliebenen Redaktionen werden just in diesen Wochen weiter verkleinert. Geschlossen wurden auch Dutzende von Geschäftsstellen: Wer heute in einer Stadt wie Witten oder Dorsten die Vertretung seiner Zeitung sucht, findet sie entweder gar nicht oder als Schrumpfversion in einer Ecke eines Reisebüros oder Tabakwarenladens. „Die WAZ entfernt sich so immer mehr von ihren Lesern“, kritisiert Zeitungsexperte Horst Röper vom Dortmunder Formatt-Institut. Im dritten Quartal 2010 meldete die Gruppe für ihre vier NRW-Zeitungen eine verkaufte Auflage von 787 211 Exemplaren, 30 000 weniger als im gleichen Vorjahresquartal.

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