Private Krankenversicherungen Kunden bezahlen für Systemfehler bei Krankenversicherungen

Seite 3/5

Worin die Mehrausgaben liegen, kommuniziert die PKV allerdings schon: Ärzte, Kliniken und Pharmaunternehmen rechnen bei Privatpatienten ab, was die Gebührenordnung hergibt. Das ist das 1,8- bis 2,3-Fache des normalen Satzes, bei vermeintlich oder tatsächlich schwierigeren Einsätzen auch das 3,5-Fache.

Auf die Spitze treiben es viele niedergelassene Ärzte bei den Laborleistungen. Sie stellen den Privaten das Fünffache der GKV-Kosten in Rechnung. Von 2004 bis 2008 stiegen die Laborkosten bei den PKV-Kunden von 100 auf 129 Euro, bei den GKV-Versicherten von 24 auf 26 Euro. Das macht 890 Millionen Euro mehr für die PKV – pro Jahr. 80 Prozent der Laborleistungen erbrachten die verschreibenden Ärzte gleich selbst im eigenen Labor. Ein Schuft, der Böses dabei denkt.

Die PKV argumentiert, sie quersubventioniere mit ihren Beiträgen die Gesundheitsversorgung für alle Deutschen. „Aus 20 Prozent ihrer Patienten erwirtschaften viele Praxen 60 Prozent ihres Umsatzes“, bestätigt Klaus Bogner, Allgemeinmediziner in Friedrichshafen, „anders können viele Ärzte ihre laufenden Kosten schon lange nicht mehr tragen“. Insgesamt seien das zehn Milliarden Euro jährlich, argumentiert der PKV-Verband, andere Quellen sehen die Hälfte. Gregor-Konstantin Elbel, Arzt und Experte für das Gesundheitswesen bei der Unternehmensberatung Deloitte, sieht das differenzierter: „So pauschal ist das sicher nicht korrekt: Die grundlegende Infrastruktur der Versorgung in der Fläche trägt letztendlich die GKV, die PKV ist zudem zum Beispiel in Ostdeutschland kaum vertreten, in Norddeutschland weniger als im Süden.“

Die Sünden der Politik

Es ist vielleicht der größte Webfehler im System – und kaum einem Wechsler ist das bewusst: Vertragspartner seines Arztes, seiner Klinik ist immer er, nicht die Versicherung. Heißt im Umkehrschluss: Das Unternehmen hat kaum einen Hebel, um die Kosten oder die Versorgungsstrukturen zum Beispiel durch Selektivverträge mit einzelnen Leistungserbringern zu beeinflussen, indem es abweichende Vereinbarungen trifft. Elbel erklärt: „Die Unternehmen haben kaum Gestaltungsoptionen gegenüber den Leistungserbringern und sind damit gegenüber der GKV benachteiligt. Das führt auch dazu, das der PKV ein aktives Versorgungsmanagement zugunsten ihrer Kosteneffizienz wie zugunsten der medizinischen Versorgungsqualität der Versicherten weitgehend fehlt.“

Dass das ein Fehler ist, weiß die Politik schon lange. Union und FDP haben eine Reform der Privathonorare im Koalitionsvertrag vereinbart. Man sollte also glauben, dieses Mal müsse es was werden mit dem gestaltbaren Markt für Arzthonorare. „Doch die Ärzte scheuen die Transparenz und die Politik den Wahlkampf im Wartezimmer“, so ein Brancheninsider. Bleibt es beim Alten, schaut die PKV in die Röhre.

Die Forderung nach einer Öffnungsklausel pariert Theodor Windhorst, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, denn auch als Kriegserklärung an die Mediziner: „Die Versicherer wollen sich bestimmte Leistungen einkaufen, was im Wettbewerb zwangsläufig zu Dumpingpreisen führt.“

Gegen die Öffnungsklausel spräche zudem das deutsche Kartellrecht, behaupten Vertreter der Ärzte und Kliniken. Schlössen sich alle privaten Versicherer zusammen, verträten sie 100 Prozent der Privatpatienten – ein undenkbares Erpresserpotenzial, so die Leistungserbringer.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%