Private Krankenversicherungen Kunden bezahlen für Systemfehler bei Krankenversicherungen

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Schädlich für den Ruf und die Kosten der PKV sind auch die hohen Provisionen. Einige Unternehmen werfen derzeit mit Provisionen an ihre Versicherungsverkäufer in bisher kaum bekanntem Maße um sich. Bis zu zwölf Monatsbeträge kassiert ein Vermittler – und bezahlt der Neukunde über seine Prämien.

Manch freier Vertriebler knüpft gar zum Ärger der ganzen Branche sogenannte Verwertungsketten. Mehrfach verwertet wird der Kunde: Erst rät der Vermittler dem Kunden zum günstigen Abschluss beim Anbieter A, ein Jahr später überredet er ihn zum besseren Tarif beim Anbieter B – von dem er von Anfang an wusste –, und die ganz Unerschrockenen überzeugen den Kunden dann zwei Jahre später noch vom Super-Angebot der dritten Versicherung. Der frisch Versicherte hat beim Wechsel wenig zu verlieren, er hat ja kaum etwas an Alterungsrückstellungen angespart. Der Powerseller aber kassiert drei Mal Provision – und höhlt das System aus.

Die Chancen der Kunden, die Systematik der PKV zu durchschauen, sind gering. Wehe dem, der sich über eine Tarifgemeinschaft oder einen Anbieter informieren will, bevor er sich ein Leben lang an ein Unternehmen bindet. Die Kalkulation der Tarife ist geheime Kommandosache, die Jahresbilanzen werden mit Ausnahme der Aktiengesellschaften nur spärlich veröffentlicht .

Selbst der Ratingprofi Martin Zsohar ärgert sich: „Die Altersstruktur der Tarife würden wir auch gerne kennen, aber die Unternehmen rücken Informationen nicht raus.“ Das aber schreckt immer mehr Interessenten ganz davon ab, zur PKV zu wechseln. Dabei werden die rechnerisch dringend benötigt.

Schmankerln der Gesetzlichen

Zum Bumerang für die PKV drohen schließlich ihre überzogenen Versprechen zu werden. Nicht weniger als die bestmögliche medizinische Versorgung als Patient erster Klasse verspricht die Branche ihren Kunden. Von Ärger bei den Abrechnungen spricht sie nicht, von Leistungen, die in abgespeckten Billigtarifen gar nicht mehr vorgesehen sind, auch nicht. Die Zahlen des Ombudsmanns der PKV sprechen eine andere Sprache: Die Bitten der Kunden um Streit-Schlichtung steigen, die Kompromissfähigkeit der Unternehmen sinkt (siehe Grafik Seite 70). Vor allem über die medizinische Notwendigkeit einer Behandlung wird heftig gestritten, weil sich hier für die PKV viel Geld sparen lässt.

Das spricht sich rum – und noch viel mehr: Nämlich dass viele Leistungen, die in der GKV gesetzlich vorgeschrieben sind, bei der PKV entweder gar nicht oder nur extra bezahlt zu bekommen sind. Dazu zählen beitragsfreie Zeiten während Mutterschutz oder Elternzeit, Krankengeldzahlung an berufstätige Eltern, wenn ihre Kinder krank sind, die Übernahme von Haushaltshilfen, Psychotherapien oder Mutter-Kind-Kuren. Die Folge: Zu Tausenden bleiben Gutverdiener in der GKV und gönnen sich lieber eine Zusatzversicherung – gerne auch bei einer PKV.

Doch überleben könnte das Geschäftsmodell der privaten Vollkrankenversicherung damit nicht. 

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