Produktion Chinas Tage als Fabrik der Welt sind gezählt

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Ende der Boomzeit in China

Doch Trostlosigkeit und Einöde breiten sich nun aus, wo noch bis vor Kurzem rund um die Uhr die Fließbänder liefen. An den staubigen Straßen in Dongguan, Shenzhen und Guangzhou sind viele Fabriktore verrammelt. Große Schilder, „Fabrik günstig zu verkaufen“, hängen allerorten. Waren in den Achtzigerjahren Taiwan und Südkorea die Standorte der internationalen Billigproduktion, zogen die Unternehmen in den Neunzigerjahren nach China. Jetzt zieht die Karawane abermals weiter.

Eine Ursache für die Krise der chinesischen Exportindustrie ist die nachlassende Nachfrage im Ausland, vor allem in den USA. Die weltweite Konjunkturflaute im Gefolge der Finanzkrise, gepaart mit einer anhaltend hohen Inflation, sorgt dafür, dass die Konsumenten im Westen ihr Geld zusammenhalten – die internationalen Handelsketten ordern weniger in China.

Um gerade mal acht Prozent stiegen die Ausfuhren aus China nach Amerika im Juni im Vergleich zum Vorjahresmonat. Im vergangenen Jahr verbuchte das Land bei den Exporten in die USA noch Zuwächse im hohen zweistelligen Bereich. Insgesamt exportierte China im Juni zwar 18 Prozent mehr Waren als im Vorjahresmonat. Doch die Zuwächse waren in den Monaten zuvor und im vergangenen Jahr noch deutlich höher ausgefallen. Die Folge: Der Handelsbilanzüberschuss schrumpfte im ersten Quartal dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um fast elf Prozent; die Wachstumsschwäche bei den Ausfuhren dürfte weitergehen. Ein Ende der Immobilienkrise in den USA sei derzeit noch nicht abzusehen, so Jun Ma, Analyst der Deutschen Bank in Hongkong. Nach wie vor seien die Konjunkturrisiken für die USA, Europa und Japan groß.

Darüber hinaus drückt der starke Yuan auf das Geschäft der Exportindustrie. Um mehr als 18 Prozent wurde die chinesische Währung aufgewertet, seit die Regierung vor drei Jahren die Festbindung des Yuan an den Dollar gelockert hat. Die starke chinesische Währung beeinträchtige die Exporte, sagt auch Adidas-Manager Anderson, „das müssen wir durch höhere Effizienz in den Fabriken auffangen“.

Doch nicht nur der starke Yuan und die Konjunkturflaute im Westen vermiesen den Unternehmen in China das Geschäft. Auch die steigenden Kosten sorgen für lange Gesichter in den Vorstandsetagen. Im vergangenen Jahr stiegen die Löhne für einfache Arbeiter im chinesischen Durchschnitt um 15 Prozent, und der Trend dürfte anhalten. Nicht nur wegen der nach wie vor hohen Inflation verlangen die Fabrikarbeiter nach weiteren Steigerungen, sondern auch wegen des neuen Arbeitsgesetzes, das Anfang des Jahres in Kraft trat.

Auf der einen Seite nähert sich China mit seinen bislang oft katastrophalen Sozialstandards wenigstens ansatzweise westlichem Niveau an – auf der anderen Seite treibt das neue Gesetz die Kosten hoch. So müssen die Unternehmen nun die Arbeitsverträge von Teilzeitkräften nach einem Monat entfristen. „Das führt zu zusätzlichen Arbeitskosten von 20 bis 40 Prozent“, so Deutsche-Bank-Analyst Jun, „weil die Unternehmen für die Mitarbeiter Sozialbeiträge abführen müssen.“

Mit solchen Herausforderungen kämpft auch der Deutsche Thomas Schneider. In der Empfangshalle seines Unternehmens Isa Tantec, einer Ledergerberei in Guangzhou, biegen sich die Regale unter Auszeichnungen, Medaillen und TÜV-Zertifikaten für vorbildliche Umweltstandards. Zwischen den Fabrikhallen gibt es ausgedehnte Grünanlagen. Solarpanels sorgen für heißes Wasser. In fünf großen Tanks werden die Abwässer des Werks geklärt.

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