Produktion Chinas Tage als Fabrik der Welt sind gezählt

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Cheerleader jubeln für die Quelle: dpa

Neben der Zement- und Chemieproduktion gehört die Herstellung von Leder zu den Industrien, die die Umwelt am schwersten belasten. Darum hat Geschäftsführer Schneider, der die Ledergerberei 1995 gründete, schon vor Jahren damit begonnen, seine Fabrik mit neuester Umwelttechnologie auszurüsten. Fast zwei Millionen Dollar investierte dafür der Unternehmer, der unter anderem Timberland sowie die Autohersteller Ford und Mazda beliefert. „Unsere Produktion hier in China ist umweltfreundlicher als manche Fabrik in Deutschland“, sagt Schneider. Ende Januar besuchte Umweltminister Sigmar Gabriel Isa Tantec in Guangzhou, um sich den Musterbetrieb anzusehen.

Doch trotz der hohen Umweltstandards haben Chinas Behörden kein Nachsehen mit Schneider. Als die Regierung im vergangenen Jahr beschloss, umweltbelastenden und energiefressenden Unternehmen die Steuervorteile zu streichen, hörten sie sich Schneiders Erklärungen nicht einmal an. Mehrmals ist der Deutsche nach Peking gereist, um den zuständigen Regierungsstellen zu erklären, seine Gerberei sei kein Betrieb wie jeder andere – ohne Erfolg. Lederproduktion ist für die Beamten Lederproduktion; Unterschiede machen sie nicht. „Die Streichung hat unsere Kosten um 18 Prozent in die Höhe getrieben“, klagt Schneider nun.

Laptop-Produzent eröffnet Fertigung in Vietnam

Doch nicht nur die höheren Steuern, auch steigende Löhne und der ungünstigere Wechselkurs des Yuan vermiesen Schneider die Laune. Um zehn Prozent habe der starke Yuan die Produktionskosten hochschnellen lassen, außerdem habe er Anfang des Jahres die Löhne für seine Arbeiter um sieben Prozent anheben müssen. „Eigentlich müssten wir unseren Betrieb hier schließen“, sagt Schneider.

Noch hält der Deutsche aus und versucht, wie der Sportschuhhersteller Evervan, mit Korrekturen im kleinen Stil die Krise zu mildern. Schneider hat die Zahl der Mitarbeiter um 200 auf 800 reduziert; außerdem gibt die Werkskantine seit Kurzem nur noch zwei statt drei Mahlzeiten am Tag aus. Mittelfristig wird der Deutsche auf andere Standorte ausweichen, etwa Vietnam, wo er schon seit dem vergangenen » Jahr in einer Fabrik Leder produzieren lässt. Kürzlich hat er auch ein Grundstück in der Nähe von Ho-Chi-Minh-Stadt, dem früheren Saigon, gekauft, wo er nun ein eigenes Werk baut. „Dort sitzen einige unserer Kunden“, sagt Schneider, „und weil es zu teuer ist, aus China heraus zu exportieren, fertigen wir eben dort.“

Auch große Unternehmen schauen auf der Suche nach Alternativen auf den kleinen Nachbarn im Süden. So will der Chipkonzern Intel für eine Milliarde Dollar eine Fabrik in Vietnam bauen, in der 4000 Leute arbeiten sollen. Der taiwanische Elektronikproduzent Foxconn, der für fast alle großen Anbieter Handys fertigt, will binnen fünf Jahren fünf Milliarden Dollar dort investieren. Wistron, einer der größten Laptop-Produzenten der Welt, werde demnächst ebenfalls eine Fertigung in Vietnam eröffnen, sagt Vorstandschef Simon Lin.

Doch eine Verlagerung von China in andere Länder der Region schafft oft neue Probleme. „Kostenmäßig ist beispielsweise Vietnam sicherlich sinnvoll“, sagt Ivo Naumann, Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft AlixPartners in Shanghai. Aber gerade bei komplizierteren Fertigungen, etwa in der Automobilindustrie, komme es darauf an, die gesamte Zulieferindustrie vor Ort zu haben. „Die aber ist in diesen Ländern häufig noch nicht vorhanden“, sagt Naumann. Einfache Produktionen wie die Herstellung von Textilien können dagegen problemlos beispielsweise „nach Bangladesch oder in andere Länder verschoben werden“.

Evervan-Vizechef Huang nimmt neben Vietnam und Indonesien derzeit auch Indien unter die Lupe. „Die Arbeitskosten sind dort deutlich niedriger“, sagt der Manager. Zudem richtet die indische Regierung im ganzen Land Sonderwirtschaftszonen ein, in denen Investoren Steuervorteile genießen. „Das Problem ist aber“, sagt Huang, „dass wir auch die Zulieferer brauchen. Die gibt es in vielen Landesteilen noch nicht.“ Zudem seien die technische Ausbildung der Arbeiter und die Infrastruktur in China noch deutlich besser als in Indien.

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