Raumfahrt Wie OHB zum Raumfahrt-Konzernschreck aufstieg

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Klein, aber erfolgreich

Die Zusammenarbeit klappte – er sorgte für die Ideen, sie rechnete sie durch, bevor sie das Geld beschaffte und die Ausgaben streng kontrollierte. „Deine Vorhaben sind ja gut, aber meist auch etwas teuer“, bescheidet sie bis heute gern ihren Gatten, wenn der ihr – auch in der Öffentlichkeit – mit „Wie wär’s, Frau Fuchs?“, mal wieder eine Idee vorträgt.

Die wichtigste Idee des Luftfahrtingenieurs, nämlich die Raumfahrt billiger und die Satelliten kleiner zu machen, ist bis heute der eherne Grundsatz bei OHB. Damit hat das Unternehmen viele Konkurrenten aus dem Feld geschlagen. Beim 1,4 Milliarden Euro teuren Meteosat-Programm etwa war OHB dem Vernehmen nach 150 Millionen preiswerter als die EADS-Tochter Astrium.

„OHB ist sehr wettbewerbsfähig, weil sie sehr schlank und produktiv arbeiten und keine unnötigen Wasserköpfe haben“, sagt Berater Lippautz von Arthur D. Little. Das liegt nicht an niedrigeren Löhnen. „OHB zahlt unterm Strich nicht weniger als andere“, betont der Bremer IG-Metall-Chef Dieter Reinken.

Untereinander lassen die drei Großaktionäre Sparsamkeit und Strenge walten. Die Familienmitglieder erwarten keine üppigen Gehälter – Sohn Marco erhält als Vorstandschef lediglich 251 000 Euro im Jahr – noch hohe Dividenden. Aufsichtsratschefin Christa mag sich in der Rolle der Wächterin über das Geld. „Die ist der beste Finanzchef der Branche“, lobt sie ein führender EADS-Manager. Selbst beim gemeinsamen Mittagessen in der Kantine ist es die Seniorin, die bezahlt. Statt teurer Dienstwagen anzuschaffen, nutzt sie ein Privileg ihres Gatten. Als Ex-Daimler-Manager steht ihm und der engsten Familie jedes Jahr ein neuer Mercedes inklusive Steuern und Unterhaltskosten zu. So finanziert Daimler als Großaktionär des wichtigsten OHB-Konkurrenten EADS/Astrium dem Vorstandschef eines Konkurrenzunternehmens jedes Jahr einen kinderfreundlichen Geländewagen, Vater Manfred eine Limousine und Mutter Christa einen schnittigen Roadster.

Vorstandssitzung im Auto

In der Produktion war OHB meist der Zeit voraus. Statt viel selber zu machen, kauften die Bremer schon immer möglichst viel zu. Das erhöhte zwar die Gefahr böser Überraschungen, wenn Teile in der Endfertigung plötzlich nicht passen. Doch die Bremer lernten, damit umzugehen. „Vater Fuchs erkennt nicht nur vorher, wo es haken könnte, er bringt seine Ideen auch so rüber, dass selbst Außenstehende sich als Teil der Familie fühlen“, sagt ein Manager eines Zulieferers.

Dazu kommt eine andere Denke. „Während Konzerne oft nach der Devise ‚Kosten plus Aufschlag‘ kalkulieren, arbeitet OHB nach dem Prinzip, mit welchem Preis gewinnen wir, und wie schaffen wir es, dass unsere Kosten darunter sind“, sagt Berater Lippautz.

Auch ohne das Kommunikationstalent des Seniors hätte OHB das wohl nie geschafft. Das hat der gebürtige Südtiroler vermutlich seiner unternehmerischen Familie aus dem Vinschgau zu verdanken, deren Wurzeln sich bis in das 13. Jahrhundert zurückverfolgen lassen. Zu den Firmen des Clans zählten Sägewerke, Schnapsbrennereien, Weinhandel und die bekannte Brauerei Forst bei Meran, die der Familie noch immer gehört.

In Deutschland ist der alte Fuchs seit Jahrzehnten politisch engagiert. Er gehört der CDU an, für die er schon in der Bremer Bürgerschaft saß. Dennoch ist er in allen politischen Lagern und in der Industrie sowieso bestens verdrahtet. „Trotz des harten Wettbewerbs schafft es Fuch senior, dass OHB am Ende beim nächsten Projekt mit jedem Kontrahenten gut und fast freundschaftlich zusammenarbeitet“, sagt Berater Lippautz.

Der Kenner der Familie glaubt, dass der Generationenwechsel bei OHB ohne existenzielle Schwierigkeiten verlaufen wird: „Die bereiten sich gut vor.“ So holten Vater, Mutter und Sohn Fuchs im Juli 2009 Berry Smutny als Leiter des Satellitengeschäfts im Unternehmen. Der gebürtige Frankfurter kommt vom Konkurrenten EADS-Astrium und hat sich inzwischen gut eingelebt. Er trägt, wie bei OHB üblich, nur selten Krawatte, ja, er gehört schon fast zur Familie. Als Vater und Sohn Fuchs mit ihm Mitte April wegen der Vulkanasche nicht von Paris nach Bremen fliegen konnten, organisierte Smutny kurzerhand einen Mietwagen und fuhr seine Chefs zurück. Marco Fuchs navigierte, Vater Manfred verteilte belegte Baguettes – und alle drei nutzten die Gelegenheit, um neue Satellitenideen zu diskutieren.

Wer Vater Manfred nicht kennt, könnte meinen, er ziehe sich aufs Altenteil zurück. Er hat in seinem Heimatort Latsch in Südtirol ein Schloss mit Bauernhof erworben, um es in ein ökologisches Mustergut samt Weinanbau umzuwandeln.

Doch Weggefährten wissen, dass dies nichts mit einem Abschied vom Unternehmen zu tun hat. Nein, Manfred Fuchs hat noch einen Traum: den Mond. Er war es, der für die Bundesregierung das Projekt einer nationalen Mondmission ausarbeitete – ein Vorhaben, bei dem OHB die Führungsrolle einnehmen soll. „Das ist ein Muss für die Europäer“, sagt er – auch wenn Berlin das Projekt wegen der Wirtschaftskrise vorerst stoppte.

Bei dem Projekt hat selbst die skeptische OHB-Aufsichtsratsvorsitzende keine Einwände. „Das wäre toll“, sagt Gattin Christa, „da müssen wir dabei sein.“

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