Rechtsberatung Anwälte: Die heimlichen Herrscher in deutschen Unternehmen

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Über Jahre hinweg die Wertschätzung von Clanchefs gewonnen hat Mark Binz: Der graugescheitelte Stuttgarter Wirtschaftsanwalt berät Familienunternehmen wie Haribo und Faber-Castell, zählte das Modehaus Boss, den Schraubenhändler Würth und den Maschinenbauer Voith zu seinen Mandanten. Für den Optiker Fielmann organisierte er 1994 den Börsengang. Mittlerweile führt Binz dort den Aufsichtsrat. Er spricht häufig mit dem Gründer Günther Fielmann. So schlug Binz dem Brillen-Primus vor, auch Hörgeräte zu verkaufen. Mittlerweile finden sich die Akustik-Verstärker im Sortiment.

Der Anwalt Christof Hettich von der Mannheimer Kanzlei Rittershaus half dem SAP-Milliardär Dietmar Hopp einst, dessen Getränke-Beteiligungen zu ordnen, darunter die Brauerei Henninger. Inzwischen wählt Hettich mit aus, in welche Biotech-Unternehmen Hopp investiert. Der SAP-Gründer, heißt es in der Branche, folgt in der Regel den Vorschlägen seiner Berater.

Zu den Altmeistern der Strippenzieher gehört Bernhard Servatius. Der Anwalt begann als juristischer Berater für den Verleger Axel Springer. Später führte „Serva“, wie er hausintern hieß, zwei Jahrzehnte lang bis 2002 den Springer-Aufsichtsrat und galt als graue Eminenz.

Hartnäckige Kritikerin

Zu den grauen Eminenzen dieser Tage zählt Dieter Schenk. Der Partner der Münchner Kanzlei Nörr Stiefenhofer Lutz hat sich bei den Dax-Medizinkonzernen Fresenius und Fresenius Medical Care immer mehr Macht gesichert. Der Anwalt sitzt nicht nur als stellvertretender Vorsitzender in beiden Aufsichtsräten und beschließt dort etwa die Höhe der Dividende mit. Schenk leitet auch den Verwaltungsrat des Fresenius-Haupteigentümers, einer gemeinnützigen Stiftung – und entscheidet dort über die Verwendung der Dividende. Zudem arbeitet er als Testamentsvollstrecker für die frühere Frese-nius-Matriarchin Else Kröner.

Schenk wirkt bescheiden. Mit seiner durchschnittlichen Statur, dem lichten Haar und dem Stoppelbart fällt er nicht sonderlich auf. Im Restaurant bestellt er schon mal das billige Tagesgericht – Vorspeise Tomatensuppe, Hauptgericht Lachsfilet, insgesamt 7,50 Euro.

Sein Einfluss ist weniger bescheiden. Ob es um die Bestellung neuer Vorstände oder die Übernahme des US-Unternehmens APP Pharmaceuticals im Sommer 2008 für 4,6 Milliarden Dollar geht: Ohne den Juristen mit den zahlreichen Posten läuft bei Fresenius und Fresenius Medical Care nichts, sagen Eingeweihte.

Inzwischen muss sich der 57-Jährige aber mit einer hartnäckigen Kritikerin auseinandersetzen. Else Kröners Stieftochter Gabriele prangert gern und öffentlich Schenks Machtgebaren und seine zahlreichen Funktionen in den Unternehmen an. Sie hat ein Gerichtsverfahren angestrengt, um den Anwalt als Testamentsvollstrecker absetzen zu lassen. Kröner zweifelt, dass Schenk dem Letzten Willen ihrer Stiefmutter gerecht wird.

Die streitbare Ärztin treiben durchaus persönliche Motive: Kröner macht Schenk dafür verantwortlich, dass sie nach rund 20 Jahren den Fresenius-Aufsichtsrat verlassen musste. Schenk sitzt auch im Nominierungsausschuss des Kontrollgremiums. Entschieden hat der Anwalt am Ende natürlich nicht allein.

Schenk missfällt die Aufregung um seine angebliche Machtfülle. Er windet sich im Gespräch, wenn es um seinen Einfluss geht – von Macht will er gar nicht erst reden. Er sieht sich nicht als graue Eminenz im Fresenius-Reich, sondern als Berater, der aufgrund seiner langjährigen Erfahrung und juristischen Expertise auch einige wichtige Fragen stellen könne. Und sein möglicher Einfluss sei ohnehin durch die Gremien beschnitten. Schließlich werde in den Aufsichtsräten, dem Verwaltungsrat und unter den Testamentsvollstreckern nach Mehrheiten abgestimmt: „Wenn die anderen Schwarz sagen und ich für Weiß plädiere, dann kommt eben Schwarz heraus.“ Ein solcher Fall ist allerdings bislang nicht überliefert.

Sein Kollege Hoffmann-Becking ist da deutlich souveräner. „Ja, ich habe Einfluss“, sagt der wichtigste Ratgeber deutscher Wirtschaftsgrößen klar. Und er setzt noch einen drauf: „Wer als Jurist keinen Einfluss haben will, der sollte nicht Rechtsanwalt werden, sondern Richter oder Notar.“

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