Rede in Harvard Mark Zuckerberg und der Trump-Effekt

Statt über Technik sprechen die Chefs der IT-Konzerne plötzlich über Arbeitsplätze und Jobverlust. So auch Mark Zuckerberg, der in Harvard sogar für ein bedingungsloses Grundeinkommen plädiert. Was dahinter steckt.

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Der Facebook-Gründer kehrte am Donnerstag an die Hochschule zurückgekehrt, an der er einst das Studium schmiss. Quelle: AP

San Francisco Das Silicon Valley gefällt sich darin, immer wieder zu überraschen, bislang vor allem mit disruptiven Technologien. Seit kurzer Zeit kommen jedoch ungewohnt sozialdemokratische Töne hinzu. In den Programmierstuben von Apple, Google oder Facebook herrscht Vollbeschäftigung. Mitarbeiter steigen durchschnittlich mit einem Jahresgehalt von mehr als 100.000 Dollar in den Job ein – und doch fabulieren ihre Chefs plötzlich von Arbeitslosigkeit.

Jeder Mensch benötige einen Sinn, eine Aufgabe im Leben, philosophierte etwa Facebook-Gründer Mark Zuckerberg am Mittwoch in einer vielbeachteten Rede an der Universität Harvard. Noch zu jener Zeit, als seine Eltern das Studium beendeten, sei der Job dabei ein verlässlicher Faktor gewesen. Die Digitalisierung habe die Verhältnisse jedoch radikal verändert. „Heute vernichten Technologie und Automatisierung viele Jobs.“

Er selbst habe bei seinem persönlichen Projekt, der Reise durch alle Bundesstaaten der USA, viele Menschen getroffen, denen der Sinn des Lebens abhandengekommen sei; jugendliche Straftäter, Drogenabhängige oder Fabrikarbeiter, „die wissen, dass ihre alten Jobs nicht wiederkommen“, so Zuckerberg.

Die Rede des Milliardärs zeigt, wie sehr US-Präsident Donald Trump Silicon Valley verändert hat. In seinen Polterreden beschwört der Politiker ein Amerika der alten Industrie, der Stahl-Fabriken, der sehr analogen Infrastruktur, der Arbeiter. Seine Politik ist eine Kampfansage an die Westküste und ihre Investitionen in neue Technologien wie jene Künstliche Intelligenz, die anderswo Jobs der einfachen Arbeiter ersetzt.

Das Credo der Westküste, dass mehr Technologie automatisch mehr Fortschritt für alle bringt, ist nicht mehr unhinterfragt. Die Technologie-Branche sieht sich mehr denn je unter Druck zu beweisen, dass ihre Innovationen nicht nur den Reichtum einiger weniger mehrt. Besonders wichtig ist das für Facebook-Gründer Zuckerberg, die wichtigste Währung in seinem Netzwerk heißt schließlich Vertrauen. Fühlen sich die Nutzer im Netzwerk nicht sicher, geben sie weniger bereitwillig jene Daten preis, auf denen Facebooks Geschäftsmodell beruht.

So nutzt der 33-Jährige den Besuch in seiner alten Wirkungsstätte Harvard, die er vor zwölf Jahren ohne Abschluss verließ und wo man ihm nun die Ehrendoktorwürde verlieh, um soziales Gewissen und Demut zu demonstrieren. Der Unternehmer und Ehefrau Priscilla Chan führten die Weltöffentlichkeit in einem Facebook-Livestream durch sein ehemaliges Studentenzimmer. Zuvor zeigte ein Video auf der Pinnwand des Gründers die unbändige Freude des College-Aspiranten Zuckerberg.


Zuckerberg steht nicht alleine da

All das soll dem mehrfachen Milliardär etwas Nahbares, Menschliches verleihen, in einer Zeit, in der das soziale Netzwerk wegen Hass-Inhalten und Selbstmord-Videos in der Kritik steht. Aber Zuckerberg geht es noch um weit mehr. Er denkt öffentlich über Lösungen für Probleme nach, die die digitale Industrie der US-Westküste geschaffen hat, plädiert für das bedingungslose Grundeinkommen als Antwort auf die Veränderung des Arbeitsmarkts und mahnt die Suche nach neuen Bildungsmöglichkeiten an.

Der Facebook-Chef steht keinesfalls allein mit seinen Thesen da. Auch Google-Chef Sundar Pichai spricht plötzlich über Jobs. Der Konzern wolle seine Macht und das Wissen um Künstliche Intelligenz nutzen, um das Problem der Arbeitslosigkeit zu lindern, ließ Pichai vergangene Woche bei seiner Keynote zur großen Entwicklerkonferenz in Mountain View wissen. Viele Menschen würden bereits heute über Google nach Jobs suchen. Künftig soll dies noch einfacher werden, dank „Google Jobs“ und einer Maschinenintelligenz, die Arbeitssuchenden noch schneller und passende aktuelle Angebote rund um den eigenen Wohnort zeigt, inklusive Anfahrtszeit.

Erste Tests mit dem Lieferservice Fedex und dem Pharmazie- und Konsumgüterhersteller Johnson & Johnson hätten gezeigt, dass Google Jobs die Zahl der Bewerbungen um 18 Prozent steigern könne. „Wir wollen Jobs für jedes Fähigkeitslevel anbieten“, sagt Pichai, besonders erwähnt er Lehrer, Verkäufer, Bauarbeiter und Infrastrukturaufgaben. Die Sache liege ihm am Herzen, so Pichai, und betreffe sein Unternehmen unmittelbar.

Apple-Chef Tim Cook schlägt ähnliche Töne an. „Wir sind unglaublich stolz, weil wir dazu beitragen, dass zwei Millionen Menschen in 50 Bundesstaaten Arbeit haben”, sagte der Manager vor knapp einem Monat. „Und wir rechnen mit mehr, wir werden weiter in die Zukunft investieren.“ Wenig später gab der iPhone-Hersteller bekannt, eine Milliarde Dollar in einen amerikanischen Infrastrukturfond zu investieren. Er will vor allem verhindern, dass Präsident Trump seine Drohung wahrmacht, Apple dazu zu zwingen, Arbeitsplätze zurück in die USA zu verlagern.

Ob die bisherigen Vorschläge der Tech-Granden reichen, um den massiven Wandel im Arbeitsmarkt abzufedern, darf getrost bezweifelt werden und vielleicht sogar als naiv betrachtet werden. Studien schätzen die Einschnitte und sozialen Folgen der Automatisierung als beträchtlich sein. Eine Oxford-Studie sieht die Hälfte aller amerikanischen Jobs bedroht.

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