Rewe-Chef Alain Caparros im Interview „Ich akzeptiere den zweiten Platz“

Rewe-Chef Alain Caparros über hohe Lebensmittelpreise, Öffnungszeiten bis Mitternacht und seine Chancen, die Billigkette Norma zu übernehmen.

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Alain Caparros Quelle: Michael Dannenmann für WirtschaftsWoche

WirtschaftsWoche: Herr Caparros, gerade hat Ihr Erzrivale Edeka vom Bundeskartellamt die Erlaubnis zur Übernahme des Tengelmann-Discounters Plus erhalten, den Sie sich eigentlich schnappen wollten. Haben Sie die Niederlage schon verwunden?

Caparros: Natürlich war ich verärgert und enttäuscht, als die Tengelmann-Spitze an Edeka und nicht an uns verkauft hat. Wir hätten den Plus-Deal gerne gemacht. Andererseits bin ich aber auch jeden Tag erleichtert, dass es nicht geklappt hat.

Warum?

Die Integration von Plus hätte unsere komplette Finanz- und Managementstärke gefordert. Wir wussten von vornherein: Wenn wir das durchziehen, wird das ein Kraftakt, der uns die nächsten Jahre auf Trab hält und uns die Möglichkeit nimmt, noch stärker im Ausland zu wachsen.

Wäre es das nicht wert gewesen? Auf dem deutschen Markt haben Sie die Chance vertan, Edeka bei den Umsätzen noch einzuholen.

Was nutzt es mir, Erster bei den Umsätzen zu sein? Größe allein ist nicht entscheidend. Das ist eine typisch deutsche Haltung. Auch der Zweite kann sehr gut leben. Vielleicht wird sich im Nachhinein herausstellen, dass wir zu vorsichtig waren. Aber der Preis für Plus war für uns zu hoch.

Sie klangen auch schon angriffslustiger. Von Ihnen stammen Aussagen wie „Discount ist Guerilla“. Was wollen Sie gegen die neue Billigmacht unternehmen?

Ich kann Sie beruhigen: Bei Rewe herrscht noch immer der alte Kampfgeist. Aber die Vorstellung ist naiv, dass wir nun eine großangelegte Gegenoffensive starten und die Bundesrepublik mit Penny und Rewe-Märkten zupflastern. Edeka ist Marktführer und bleibt Marktführer. Aber ich kann auch den zweiten Platz akzeptieren und im Windschatten sehr gut leben.

Auch wenn Sie nun Gelassenheit demonstrieren – Sie werden sich über die Auflagen des Kartellamtes für die Plus-Übernahme gefreut haben. Immerhin muss Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub gut 380 Plus-Filialen an Dritte verkaufen.

Ich habe eigentlich erwartet, dass Tengelmann mehr abgeben muss. 380 Filialen von insgesamt 2900 sind nicht sonderlich viel. Was uns allerdings tatsächlich Vorteile bringt, ist, dass die geplante Einkaufsallianz zwischen der Tengelmann-Tochter Kaiser’s und Edeka untersagt wurde.

Es gibt Spekulationen, dass Haub dadurch gezwungen sein könnte, das restliche Supermarktgeschäft zu verkaufen.

Daran glaube ich nicht. Die Familie wird nicht verkaufen, dafür ist die verständliche emotionale Bindung an das Geschäft viel zu eng. Aber sie brauchen einen starken Kooperationspartner im Einkauf.

Und der soll Rewe heißen?

Wir sind offen für neue Partner: Willkommen bei Rewe. Die Tengelmann-Supermärkte haben eine sehr hohe Flächenproduktivität und sind damit ein attraktiver Partner. Umgekehrt könnte Tengelmann von unserem internationalen Einkaufs-Know-how profitieren.

Verhandeln Sie schon mit Haub darüber?

Ich habe keinen regelmäßigen Kontakt zu ihm, und ich vermute, er hat momentan ohnehin genug damit zu tun, sich mit der Edeka-Spitze über die Folgen der Kartellamtsentscheidung zu beraten und die Verträge anzupassen. Aber wenn die Bereitschaft da ist, können wir uns gerne zusammensetzen.

Dabei können Sie auch gleich über die 380 Plus-Märkte sprechen.

Wir prüfen die Märkte gerade. Es wäre natürlich sehr schön, wenn wir uns mit Tengelmann auf eine Übernahme verständigen könnten. Aber zuerst müssen wir von den Standorten überzeugt sein. Danach werden wir über die finanzielle Komponente sprechen. Wir sind zwar zu einem fairen Angebot bereit, aber wir zahlen nicht jeden Preis.

Wo liegt die Grenze?

Wir haben die ersten Standorte bewertet und sind teilweise positiv überrascht von der Qualität. Wir müssen uns aber noch die Mietzahlungen und ähnliche Details ansehen, bevor wir entscheiden, ob und wie viel wir bieten. Klar ist: Rewe ist kein Resteverwerter. Es könnte zwar eine gute Gelegenheit sein. Aber für uns bleibt das organische Wachstum entscheidend. Bis 2013 werden wir beispielsweise jedes Jahr 150 bis 180 neue Penny-Märkte eröffnen.

"Die Konjunktur wird nicht einbrechen"

Haben Sie keine Sorge, dass die schleppende Konjunktur Ihre Pläne über den Haufen wirft?

Die Konjunktur wird nicht einbrechen, aber unsere Umsätze werden in der zweiten Jahreshälfte sicherlich nicht mehr so stark steigen wie bisher. Wir sind momentan in einer recht komfortablen Situation: Bei Penny hatten wir im ersten Halbjahr einen Umsatzschub von rund fünf Prozent. In den Rewe-Märkten liegen wir deutlich über fünf Prozent. Es gibt Monate, in denen wir zweistellig wachsen. Das ist fast schon beängstigend gut.

Woran liegt das?

Vor allem haben wir die Öffnungszeiten nahezu flächendeckend bis 22 Uhr ausgeweitet. Momentan überlegen wir, ob wir noch einen Schritt weitergehen und unsere Läden in Einzelfällen noch länger – vielleicht sogar bis Mitternacht – öffnen. Zudem haben wir die Läden renoviert, unsere Supermärkte komplett auf die Marke Rewe umgestellt, das Geschäft mit Bioprodukten ausgebaut...

...und Sie haben die Preise kräftig erhöht. Welchen Anteil haben die gestiegenen Lebensmittelpreise an Ihrem Umsatzwachstum?

Das macht etwa die Hälfte aus. Die Preisentwicklung ist übrigens nicht nur auf die höheren Rohstoffkosten zurückzuführen.

Sondern?

Die Nahrungsmittel-Industrie hat schlicht und einfach die Chance genutzt, wo möglich noch ein bisschen was zusätzlich draufzuschlagen, das heißt, auch für uns steigen die Kosten im Einkauf, nicht nur für die Kunden.

Alain Caparros, Quelle: dpa

Werden die Preise weiter steigen?

Nein, jedenfalls nicht in diesem Tempo. Aber der Markt wird volatiler. Die starken Ausschläge, die wir schon bei den Milch- und Butterpreisen gesehen haben, werden zunehmen. Um uns dagegen abzusichern, müssen wir uns etwas einfallen lassen. Vielleicht kaufen wir Bauernhöfe und produzieren dort unsere Milch künftig selbst.

Rewe als Agrarbetrieb?

Das war nur Spaß. Aber tatsächlich produzieren wir Wurst, Fleisch und Brot schon heute teilweise selbst. Und über unsere europäische Einkaufs-Allianz Coopernic könnten wir das noch ausbauen. Unser belgischer Partner Colruyt ist beispielsweise stark in Sachen Wein. Colruyt kauft ganze Produktionen auf, füllt selber ab und etikettiert die Flaschen. Die Schweizer Coop stellt für die eigenen Läden exklusive Schokoladenmarken her, und Leclerc aus Frankreich hat Mineralwasserquellen gekauft. Mittelfristig könnten wir über Coopernic eine eigene Markenarchitektur aufbauen.

So spannend das vielleicht klingt – das Gesamtbild fügt sich nicht recht zusammen: Einerseits wollen Sie die Allianz mit Coopernic ausbauen und kaufen im Ausland kräftig zu. Andererseits stecken Sie einen dreistelligen Millionenbetrag in die Übernahme von 250 defizitären Extra-Märkten in Deutschland. Wie passt das zusammen?

Das ist ein Spagat. Unsere Eigentümer sind die Kaufleute, die hier leben und mit Edeka und Discountern wie Aldi und Lidl im Wettbewerb stehen. Bei einer anderen Eigentümerstruktur hätten wir statt Extra auch im Ausland ein Unternehmen mit höherer Rendite kaufen können. So müssen wir gleichzeitig im Inland wie im Ausland wachsen – und zahlen dafür einen strategischen Preis.

Viele Möglichkeiten für Zukäufe in Deutschland gibt es nicht mehr. Wäre die Lebensmittelkette Norma eine Option für Sie?

Bei Norma sehe ich Riesenchancen, aber zugleich auch Riesenprobleme. Strategisch wäre Norma für uns absolut top, aber es bleibt die Frage der Machbarkeit.

Das heißt, der Norma-Gründer Manfred Georg Roth will nicht verkaufen?

Ich glaube, das ist ein Prozess. Für Unternehmer wie Herrn Roth ist ihre Firma ihr Lebenswerk. Verkaufen kommt für sie nicht infrage. Ich würde mir sehr wünschen, mit ihm mal ein Gespräch über die Zukunft von Norma zu führen, aber die Bereitschaft dafür ist momentan nicht zu erkennen.

Wie wäre es denn mal mit neuen Ideen statt teuren Zukäufen?

Keine Angst, Ideen haben wir genug. In diesem Jahr eröffnen wir zum Beispiel 30 Rewe City-Märkte, nächstes Jahr noch mal 40 bis 50. Das sind kleine Shops für die Nahversorgung. Insgesamt planen wir 400 solche Geschäfte.

Und bei Penny?

In Italien arbeiten wir im Moment an einem hochwertigen Penny-Format namens Ambiente, das bei Tests rund 40 Prozent mehr Umsatz gebracht hat. Ich könnte mir auch vorstellen, Penny stärker als Modul-System mit regional unterschiedlichen Sortimenten und Einrichtungen zu gestalten. Penny ist im Übrigen der einzige Discounter, der in den vergangenen fünf Jahren seine Flächenproduktivität gesteigert hat.

Blaupause für Frauenzeitschrift

Sehen Sie Chancen, die unterschiedlichen Geschäftsfelder der Rewe – vom Handel über die toom-Baumärkte bis zur Touristik – stärker zu vernetzen?

Das fällt selbst innerhalb der einzelnen Sparten schwer. Bei den Supermärkten haben wir diese Vernetzung im vergangenen Jahr durch die einheitliche Benennung in Rewe geschafft. Derzeit überlegen wir, ob wir auch unsere Touristikgesellschaften wie Atlas Reisen, ITS und Dertour unter einer Marke bündeln. Dabei stehen wir aber noch ganz am Anfang.

Weiter sind Sie bei einem anderen Projekt. Rewe will eine eigene Frauenzeitschrift auf den Markt bringen. Warum?

Wir verlegen bereits in Österreich eine Frauenzeitschrift, die hervorragend läuft und mit Kupons und Rabattmarken auch zur Kundenbindung beiträgt. Das war unsere Blaupause. Ab Oktober verkaufen wir die neue, monatlich erscheinende Zeitschrift in all unseren Märkten mit einer Druckauflage von 600.000 Exemplaren. Damit bringen wir auf Anhieb eine der größten deutschen Frauenzeitschriften auf den Markt.

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