Rheinische Trüffelschweine Kaufhauskette Strauss Innovation setzt auf Wachstum

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Dabei hatte alles ganz klein und beschaulich begonnen. Die Eheleute Heinrich und Maria Strauss eröffnen 1902 in der Düsseldorfer Altstadt ein Geschäft für Kurz-, Weiß- und Wollwaren. 1930 übernehmen ihre Kinder Maria und Gertrud das Geschäft. Bis 1982 werden fünf Filialen eröffnet. Anfang der Sechziger kommt Geringhoff ins Unternehmen. 1989 werden er, Arnold Stolper und Edmund Strauss Gesellschafter. Jeder erhält 33 Prozent. 1997 kracht es gewaltig. Geringhoff und Strauss geraten sich über die weitere Expansion in die Haare. Geringhoff hat die Nase voll, will aussteigen. Doch Geringhoffs Kinder beknien den Vater. Er könne unmöglich jetzt aussteigen. Strauss nimmt ihm die Entscheidung ab. Er werde seine Anteile verkaufen, teilt er nach ein paar Wochen Funkstille mit. Das wiederum macht den dritten Gesellschafter Stolper nervös. Wenn Strauss aussteige, dann wolle er seine Anteile ebenfalls verkaufen. Damit nimmt das Problem zwar eine überraschende Wende, eine Lösung scheint aber ferner denn je. „Natürlich wollten wir weitermachen. Aber wir waren nicht in der Lage, 66 Prozent auszuzahlen“, erinnert sich Geringhoff junior. Der Vater erhöht seinen Anteil immerhin auf 50 Prozent. Die andere Hälfte übernimmt die Finanzgruppe Alldata GmbH, die dem Kölner Rechtsanwalt Jürgen Pelka gehört. Geschäftsbeziehungen mit Pelkas Anwaltskanzlei gab es schon lange vorher. Doch als die Tochter von Geringhoff senior einen Sozius Pelkas heiratete, wurde der Kontakt intensiver. „Die Chemie zwischen meinem Vater und Pelka stimmte, und der Einstieg wurde per Handschlag besiegelt“, erinnert sich Geringhoff junior. Pelka gehört neben Alldata vor allem die Steuerberater-, Rechtsanwalts- und Wirtschaftsprüfersozietät PNHR, die allein in Köln und Hamburg 140 Mitarbeiter hat. Darüber hinaus pflegte Pelka über Jahrzehnte enge private und geschäftliche Beziehungen zum Handelskonzern Rewe und zu dessen langjährigem Chef Hans Reischl. Als Präsident des Golfclubs Burg Konradsheim in Erftstadt ist Pelka regelmäßig Gastgeber des Lancaster Charity Cups. „Herr Pelka hat viele Firmenbeteiligungen. Aber es gibt wohl keine andere, wo er sich wie bei Strauss auch strategisch engagiert und so viel Herzblut einfließt“, sagt Geringhoff. Geringhoff redet fast so schnell, wie sich viele Produkte bei Strauss verkaufen. Er schwärmt vom Edel-Kaufhaus Manufactum, das für ihn ein Vorbild ist, von seinem sauerländischen Trüffellieferanten, der in Handarbeit fertigt und auch die Lufthansa First Class und das Hotel Sacher in Wien beliefert, von handgefertigten Schuhen aus Budapest, den Nachbildungen der legendären Terrakotta-Armee aus dem chinesischen Xian, die vor Jahren ein Verkaufsrenner bei Strauss waren, den in Deutschland hergestellten Christbaumkugeln – Geringhoffs Redefluss ist kaum zu stoppen. „Das ist kein Beruf, das ist totale Leidenschaft.“

Strauss verkauft mühelos Eichen-Esstische für 800 Euro und Damen-Gummistiefel für 10 Euro. Mit seinen 42 Trüffelsorten setzt das ungewöhnliche Kaufhaus jährlich gut zwei Millionen Euro um. Und wie die Trüffelschweine spüren die Langenfelder immer wieder überraschende Produkte und neue Trends auf. Im kommenden Jahr wollen sie ein völlig neues Format für Kopfkissen auf den Markt bringen. Regelrechtes Schlussverkaufsgedränge entsteht immer dann, wenn Strauss in Zeitungsanzeigen, auf Plakaten oder Werbeprospekten seine hochwertigen Schnäppchen anpreist: wie etwa ein 16-teiliges Grand Hotel Besteck aus Solinger Manufaktur für 69 Euro. Oder die Edelstahl-Schokoladenbrunnen für 29,95 Euro, so geschehen im September, anlässlich der 100. Filialeröffnung in Wolfsburg. „Ich habe dieses Produkt Ende Januar auf der Süßwarenmesse entdeckt und wollte es unbedingt im Laden haben.“ Als Geringhoff recherchierte, wer das Produkt herstellen könne, was es kosten würde und wie schnell es ausgeliefert werden könne, hieß es plötzlich: „Tchibo will das auch haben.“ Jetzt musste alles schnell gehen. In Rekordzeit wurde geordert, wurden Kartons designt, Zusatzangebote wie Schokolade geplant, Prospekte entworfen. Und mit der gleichen Geschwindigkeit waren die Dinger ausverkauft: 8000 Stück in vier Tagen. „Ein Hammerartikel. Braucht zwar kein Mensch. Aber jeder wollte ihn haben“, schwärmt Geringhoff. Übrigens: Tchibo verkaufte den Schoko-Brunnen vorvergangene Woche, für 50 Euro. Drei Geringhoffs arbeiten heute bei Strauss. Neben Peter auch seine Schwester Marie-Louise Schröder, 38, die sich um den Damenmode-Einkauf und den Innovations-Club kümmert, sowie sein Bruder Philipp Maximilian, 31, der für den Vertrieb mitverantwortlich zeichnet. Sebastian, mit 27 Jahren der jüngste Geringhoff, arbeitet in der Kanzlei von Mitgesellschafter Pelka und schreibt dort an seiner Doktorarbeit. Pelkas Tochter wiederum arbeitet im Controlling bei Strauss. Auch wenn Herr Strauss heute Geringhoff heißt: Strauss ist ein klassisches Familienunternehmen. Und die Geringhoffs haben noch viel vor. Sie wollen Shops in Kaufhäusern und Einkaufszentren eröffnen, testen zurzeit in drei Pilotläden ein Konzept namens Strauss Home, in dem keine Mode angeboten wird, wollen im kommenden Jahr nach Österreich expandieren, Modenschauen ausrichten oder Kochevents veranstalten. „Wir müssen uns immer wieder etwas Neues einfallen lassen“, sagt Geringhoff. „Denn wenn alle das Gleiche machen, dann kommt es ja nur noch auf den Preis an.“

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