Rheinland-Pfalz Das Nürburgring-Desaster

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Für Verwunderung sorgt auch, wie die Landesregierung das Geschäft rund um das Formel-1-Rennen neu ordnete. Der Betriebspachtvertrag mit Richters und Lindners Nürburgring Automotive vom März 2010 hatte die Prestigeveranstaltung noch explizit ausgenommen. Im Dezember erteilte die landeseigene Nürburgring GmbH der Richter/Lindner-Firma dann doch die Konzession, das wichtigste Motorsportereignis des Jahres auszurichten – zu traumhaften Konditionen.

9000 Eintrittskarten darf Richters und Lindners Unternehmen auf eigene Rechnung verkaufen – der Wert des Kontingents dürfte rund drei Millionen Euro betragen. „Eine Subvention der Nürburgring Automotive GmbH, die durch nichts gerechtfertigt ist“, findet der stellvertretende Chef der CDU-Landtagsfraktion, Alexander Licht. Der Ring hat gut 50 000 Plätze, mit Zusatztribünen kann die Kapazität auf gut 70 000 aufgestockt werden. Von Erlösen aus den übrigen Tickets darf die Nürburgring Automotive pauschal 3,3 Millionen Euro und zusätzlich fünf Prozent je Ticket einbehalten. Die Kosten der Streckenvorbereitung darf die Firma an die landeseigene Nürburgring GmbH weiterreichen – bis zu einem Betrag von 3,8 Millionen Euro sogar ohne Zustimmung.

Leistungslose Gewinne

Hinzu kommt als Kompensation für „entgangene Einnahmen“ durch die Formel 1 eine weitere halbe Million Euro. „Das ist nicht zu fassen“, sagt der Koblenzer Wirtschaftsanwalt Carl-Bernhard von Heusinger: „Beim Formel-1-Rennen ist der Ring ausnahmsweise mal rappelvoll. Wenn sie mit entgangenen Einnahmen kommen, dann frage ich mich, wann sie überhaupt was verdienen wollen.“ Lindner dagegen betont: „Wir haben auch einen Leistungskatalog zu erfüllen. Die Vergütung ist angemessen.“ Sicher ist nur, dass das Land draufzahlt. Denn die Kosten aus dem teuren Vertrag mit Formel-1-Vermarkter Bernie Ecclestone begleicht die landeseigene Nürburgring GmbH. Im Landeshaushalt sind schon 13,5 Millionen Euro eingeplant, um die Verluste für das Formel-1-Rennen im Juli zu begleichen – verbucht als Strukturhilfe für die Eifel.

Unter den Gästen der „Blauen Ecke“ im nahen Eifel-Städtchen Adenau macht schon seit jeher das Wort „Ring-Mafia“ die Runde. Becks „Leuchtturmprojekt“ zur Förderung der Region stößt dort, wo es seinen Segen entfalten sollte, auf Unverständnis und eine Welle des Widerstands. Lokale Unternehmer beklagen zunehmend, dass Lindner und Richter – mit Staatsgeld gepäppelt – ihnen das Geschäft wegnehme. Eine Gruppe ortsansässiger Unternehmer etwa wollte den Nürburgring selbst managen, wurde aber von der Landesregierung ausgebootet. Beteiligte haben die EU-Kommission und das Bundeskartellamt eingeschaltet.

Die Dorint-Kette, die am Ring seit 22 Jahren ein Vier-Sterne-Hotel betreibt, klagt vor dem Landgericht Mainz gegen die Vergabe des Ring-Betriebs an die Automotive GmbH und hat ebenfalls bei der EU-Kommission Beschwerde eingelegt.

In der „Grünen Hölle“ ist der Teufel los und in Brüssel stapeln sich die Beschwerden – von Europaabgeordneten der CDU und Grünen, der Fan-Initiative „Save The Ring“ sowie dem Verein „Ja zum Nürburgring“, hinter dem der frühere ADAC-Präsident Otto Flimm steckt. Der Verein hat ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das zu dem Schluss kommt, die Vergabe an die Automotive GmbH sei rechtswidrig. In Brüssel gilt es als so gut wie sicher, dass die Kommission in die zweite Phase der Ermittlungen treten wird und ein Hauptprüfverfahren einleitet – „möglicherweise noch vor dem Sommer“, heißt im Umfeld der Kommission.

Die Herren des Rings selber finden, die Beschwerden seien Einzelfälle. „Mit der Mehrheit der Unternehmer in der Region haben wir ein hervorragendes Verhältnis“, sagt Lindner. Und Kompagnon Richter ergänzt: „Wir lassen nicht mehr zu, dass Firmen den Ring billig mieten können und dort leistungslos Gewinne machen.“

Genau damit kennt Richter selbst sich offenbar bestens aus.

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