Rohstoff AG Deutschlands geheimer Rohstoffriese

Preisanstieg und wachsende Nachfrage machen es möglich: Die Deutsche Rohstoff AG will in Deutschland alte Vorkommen erneut ausbeuten. Der Erfolg des Unternehmens hängt nun davon ab, ob die Rohstoffmärkte sich weiter so gut entwickeln wie zuletzt.

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Stillgelegte Ölfelder könnten noch in diesem Jahr wieder von der Deutschen Rohstoff AG genutzt werden. Quelle: dpa

STUTTGART/DÜSSELDORF. Die großen deutschen Unternehmen haben sich schon lange verabschiedet: Konzerne wie Bayer, Thyssen-Krupp, die einstige Preussag oder die frühere Metallgesellschaft haben sich angesichts niedriger Preise in den 90er-Jahren von ihren Rohstoffaktivitäten getrennt. Heute weiß jeder, dass dies eine der größten Fehleinschätzungen des deutschen Topmanagements war. Denn wegen des deutlich höheren Preisniveaus an den Rohstoffmärkten wäre ein Wiedereinstieg heute teuer. Das kleine Unternehmen Deutsche Rohstoff AG (DRAG) sucht dennoch seine Chance im Rohstoffsektor - und setzt dabei auf die Zusammenarbeit mit den Großen.

Jüngster Coup der Heidelberger ist ein Joint Venture mit Glencore; das Schweizer Unternehmen ist der größte Rohstoffhändler der Welt. Glencore wird zehn Mio. kanadische Dollar (rund 7,5 Mio. Euro) in das sogenannte Wrigley-Projekt investieren und eine Beteiligung von 51 Prozent erhalten. Dabei handelt es sich um eine Blei-Zink-Silbermine im kanadischen Nordwesten. Bisher hält die Devonian Metals Inc., die zu 47,2 Prozent zur DRAG gehört, 100 Prozent an dem Vorkommen. Auch das zweite große Projekt der DRAG befindet sich im Ausland: Im Oktober soll die Goldmine im australischen Georgetown die Produktion aufnehmen. Künftig will die Deutsche Rohstoff Australia, eine hundertprozentige Tochter, dort 2 000 Unzen Gold und 2 000 Unzen Silber im Monat fördern. Eine Unze sind 31,1 Gramm.

Dass die Deutsche Rohstoff AG zurzeit vor allem Projekte im Ausland vorantreibt, kommt nicht von ungefähr. Eigentlich will die Gesellschaft vor allem in Deutschland Rohstoffe fördern. "Doch die Wirtschaftskrise mit dem Preisverfall der Rohstoffe hat auch uns getroffen", räumt Thomas Gutschlag, Vorstand der DRAG, ein. "Wir haben uns zunächst auf Erze in Deutschland konzentriert, dann aber einen radikalen strategischen Schwenk im September 2008 vollzogen, um Projekte zu forcieren, die schnell in den Abbau kommen wie eben Öl oder Gas." Mitte 2008 waren die Rohstoffnachfrage und damit die Preise im Zuge der Finanzkrise quasi über Nacht eingebrochen.

Aktuell verfüge die DRAG über elf Mio. Euro Eigenkapital und eine Liquidität von 3,2 Mio. Euro, sagt Gutschlag. Das Geld aus der Privatplatzierung im Mai sei damit noch komplett vorhanden. "Der Kapitalbedarf hängt von den Projekten und den Partnerschaften ab", sagt Gutschlag. Bei Bedarf könne auch noch in diesem Jahr eine weitere Finanzierungsrunde kommen. Das finanzielle Risiko soll zudem durch Beteiligungen minimiert werden. Aktuell hält das Management 31 Prozent an der DRAG, Gutschlag selbst hat zwölf Prozent. Mit acht Prozent ist auch ein deutsches Industrieunternehmen, die BASF, dabei. Die restlichen Anteile liegen bei privaten und institutionellen Investoren.

Übergeordnetes Ziel der DRAG ist und bleibt es, einen neuen deutschen Rohstoffproduzenten aufzubauen. Dieses Ziel ist realistischer, als es zunächst klingen mag. "Der deutsche Gasverbrauch wird zu 20 Prozent durch Förderung im Inland gedeckt, bei Öl sind es drei Prozent", erklärt Gutschlag. Vor allem in den ehemaligen DDR-Gebieten gibt es Rohstoffvorkommen. Zu den bekanntesten zählen die Kupferlagerstätten in der Lausitz. Ein erstes Kupferbergwerk könnte voraussichtlich 2011 den Betrieb aufnehmen. "Kupfer in Deutschland war uns eine Nummer zu groß", räumt indes Gutschlag ein. Seine Gesellschaft konzentriert sich daher vor allem auf Öl- und Gas, daneben auf Zinn, Gold und High-Tech-Metalle wie Indium, Gallium, Seltene Erden und Kobalt. Dabei werden bereits nachgewiesene Vorkommen gehoben, die zum Teil schon vor Jahren stillgelegt wurden.

Bei ihren Öl- und Gasprojekten hat die DRAG mit Wintershall und Exxon ebenfalls starke Partner gewinnen können. Der US-Ölmulti Exxon ist bei den Ölvorkommen im Rheintal bei Speyer mit im Boot. Die DRAG hat hier Lizenzen zur Förderung erworben. "Bei einem Ölpreis über 50 Dollar ist man auf der sicheren Seite", begründet Gutschlag seinen Optimismus. An den Rohstoffbörsen kostet ein Barrel Öl (159 Liter) aktuell rund 78 Dollar.

Der Erfolg des erst 2006 gegründeten Unternehmens hängt natürlich maßgeblich von der Entwicklung an den Rohstoffmärkten ab. "Die Nachfrage wird weiter steigen", erwartet Gutschlag. Verglichen mit dem Jahr 2000, also vor der Preishausse, "wird sich das Niveau an den Rohstoffmärkten insgesamt nach oben verschieben", glaubt auch Gabor Vogel, Rohstoffexperte der DZ Bank. Er dämpft allerdings zu optimistische Erwartungen. Denn die Angebotsseite werde auf diese Verschiebungen reagieren. Eine Wiederholung der Hausse wie von 2001 bis Mitte 2008 hält Vogel für eher unwahrscheinlich.

Das Hauptrisiko für die Rohstoffmärkte sieht Vogel in China. Der immense Rohstoffbedarf der Volksrepublik hatte seinerzeit den steilen Preisanstieg begleitet. Der Experte erwartet nun eine leichte Abkühlung der Konjunktur, ausgelöst durch "sanfte" Maßnahmen der Regierung. "China hat die Überhitzung erkannt und die richtigen Maßnahmen ergriffen, um gegenzusteuern", lobt Vogel. Am langfristigen Konjunkturbild Chinas ändere das nichts - und das sei wieder positiv für die Rohstoffmärkte. Gute Chancen also für die DRAG. Gutschlag ist sich sicher: "Der Sektor ist langfristig interessant." Dies könnte die Chancen erhöhen, das nötige Geld für die ambitionierten Pläne zu generieren. "Wir werden jede Möglichkeit nutzen, um unsere Mittel zu stärken", sagt Gutschlag.

Deutsche Rohstoff AG: Zwei Heidelberger Goldgräber

Ihr Start basierte auf einer großen Enttäuschung. Der promovierte Jurist Titus Gebel, heute 43, hatte den Auftrag, eine in Familienbesitz befindliche Beteiligungsgesellschaft für Rohstoffe an die Börse zu bringen. Er brauchte Unterstützung. Und holte sie sich bei Thomas Gutschlag, einst bei der Deutsche Börse AG als Direktor mitverantwortlich für die Konzeption und Einführung des Neuen Markts.

Danach hatte er 1997 als Vorstand bei der Beratungsgesellschaft Blättchen & Partner AG angeheuert, die sich darauf spezialisiert hatte, mittelständische Unternehmen bei Kapitalmarkttransaktionen zu beraten. Alles hatten die beiden für den großen Schlag auf dem Börsenparkett vorbereitet, aber dann zog die Familie plötzlich zurück.

Doch beide Manager hatten Feuer für das Thema Rohstoffe gefangen. "Wir waren uns einig: Die Arbeit kann doch nicht umsonst gewesen sein. Das machen wir jetzt selbst", erinnert sich der Volkswirt Gutschlag, heute 46, an die Entscheidung, die sein Leben veränderte. Beide verheiratete Familienväter mit jeweils zwei Kindern, hängten gut dotierte Jobs an den Nagel, mussten über ein Jahr ohne Einkommen auskommen und starteten 2006 die Deutsche Rohstoff AG mit eigenen Geld. Rund eine Mio. Euro haben beide in ihren Traum investiert. Sie fuhren nach Kanada, erwarben eine erste Lizenz.

Zudem lernten sie Gregor Borg, den renommierten Professor für Petrologie und Lagerstättenforschung der Uni Halle, kennen. Sie unterstützen eine Forschungsstudie über die wirtschaftliche Erschließung alter Felder in Deutschland. Der Professor mit seinen Assistenten fand über 300 Reserven in Deutschland. Die findigen Nordbadener sicherten sich gleich die Rechte für die drei aussichtsreichsten heimischen Rohstofffelder. Inzwischen gehören ihnen über 35 Abbaulizenzen. Der Stoff aus dem die Träume sind könnte nicht lockender sein: Gold, Öl, Gas und seltene Metalle. Erinnerungen an die Fata Morgana des Neuen Markts werden wach, als Anleger ihr Geld für die tollsten Ideen gaben, ewiges Leben durch Biotechnologie oder riesige Luftschiffe. Gutschlag weiß noch, wie sich am Neuen Markt viele dieser Träume zusammen mit dem Geld der Anleger in Luft auflösten.

Die Heidelberger Goldgräber wollen aber liefern und konzentrieren sich auf Projekte, bei denen es schnell in den Abbau gehen kann. Kooperationen mit namhaften Partnern wie BASF-Wintershall bei der Wiedereröffnung süddeutscher Ölquellen oder dem weltgrößten Rohstoffhändler Glencore bei der Erzförderung in Kanada sollen schnelle Erfolge bringen. Dass Großkonzerne ihr Geld in die Projekte stecken, ist das stichhaltigste Argument dafür, dass die Deutsche Rohstoff AG ernst zu nehmen ist und nicht nur klein anfangen, sondern auch groß weitermachen will.

Bislang arbeiten nur 22 Menschen für das Unternehmen. Ein restauriertes Altbau-Loft in der Heidelberger Innenstadt reicht noch als Behausung. Zunächst war die Firmengründung in Frankfurt. Aber da die meisten Geschäftspartner aus den USA kamen und immer auch einen Abstecher nach Heidelberg machen wollten, entschlossen sich die beiden Schürfer für die Stadt als Firmensitz.

Trotz volatiler Rohstoffpreise sichern sich die Unternehmen zu wenig ab

Die berüchtigten Spekulanten sind nicht für die starken Schwankungen an den internationalen Rohstoffmärkten verantwortlich. Das glauben 60 Prozent der 250 Manager aus der Chemie-, Bau- und Rohstoffbranche, die die Strategieberatung Simon-Kucher & Partners europaweit befragt hat. Die Schwankungen der Rohstoffpreise seien primär von Angebot und Nachfrage getrieben, hingen also von Faktoren wie der Konjunktur, der Reichweite der Reserven oder den Lagerbeständen ab.

Der Studie zufolge gewinnen aber neue Akteure an Einfluss. Dazu zählen Spekulanten ebenso wie institutionelle Investoren, also Investmentfonds, Pensionskassen oder Versicherungen, die durch Rohstoffanlagen ihr Risiko besser streuen wollen. Doch glauben nur weniger als 40 Prozent der befragten Manager, dass Spekulation der Treiber ist. "Dieses Ergebnis unterstreicht, dass Spekulanten ?nur? Trendverstärker sind. Sie geben keine Richtung vor, sondern springen auf einen fahrenden Zug auf, der sich entweder in die eine oder in die andere Richtung bewegt", sagt Studienleiter Karl-Heinz Sebastian.

"Stark schwankende Rohstoffkosten und ein nicht funktionierendes Preismanagement können den Erfolg eines Geschäfts massiv gefährden", erklärt Andrea Maessen, Partnerin bei Simon-Kucher. Beispielsweise rechne Bayer wegen der gestiegenen Rohstoffkosten für 2010 mit einer Ergebnisbelastung von rund einer halben Milliarde Euro. Und eine Preisdifferenz von etwa 30 Euro je Tonne reiche für einen deutschen Stahlhersteller aus, ein Ergebnis von plus oder minus 30 Mio. Euro zu erwirtschaften.

Dennoch nutzen deutsche Unternehmen längst nicht alle Möglichkeiten, um ihren Rohstoffeinkauf zu optimieren. Zu diesem Ergebnis kommt die Unternehmensberatung Inverto, die zusammen mit der KI Kunststoff Information Geschäftsführer und Einkaufsleiter von 228 deutschen Firmen befragt hat.

"Ein systematisches Rohstoffkostenmanagement ist trotz hoher Abhängigkeit von Rohstoffkosten, der Erwartung weiter steigender Preise und Krisenerfahrungen nur in Einzelfällen vorhanden", so das Ergebnis der Studie. Der "Professionalisierungsgrad im Rohstoffeinkauf" sei meist noch stark ausbaufähig, zumal nur wenige Unternehmen über Spezialisten verfügten, die sich mit der Preissicherung und dem Risikomanagement im Rohstoffeinkauf auskennen. Voraussetzungen für ein funktionierendes Rohstoffkostenmanagement sind laut Inverto neben einer klar definierten Strategie vor allem Transparenz über die eigenen Rohstoffausgaben, die wichtigsten Rohstoffmärkte und Wertschöpfungsketten.

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