Rüdiger Grube wird 65 Der Bahnchef ist erst auf halber Strecke

Er ist so freundlich wie eh und je, obwohl die Zeiten schwierig sind. Bahnchef Rüdiger Grube steht mit 65 Jahren vor großen Herausforderungen. Warum ausgerechnet die kommenden Wochen dabei entscheidend sein werden.

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Der Vorstandsvorsitzende der Deutsche Bahn AG will noch bis Ende 2017 arbeiten. Quelle: dpa

Berlin Es klang zuversichtlich, aber auch bescheiden. Die „ersten Erfolge“ stellten sich nach einem Jahr Konzernumbau ein, das zeige sich auch in der Bilanz, resümierte Bahnchef Rüdiger Grube das erste Halbjahr 2016. Gute Fahrgastzahlen im Fernverkehr und ein besseres Betriebsergebnis legte er vor, dann aber beschrieb er eine Fülle von Problemfeldern.

An seinem 65. Geburtstag am Dienstag denkt Grube nicht an Ruhestand. Die Deutsche Bahn steckt im Umbruch, und der Vorstandsvorsitzende möchte ihn noch ein paar Jahre gestalten - wenn man ihn lässt.

Bedrohlich ist die Lage des Staatskonzerns nicht, aber er steht längst nicht so gut da, wie man es von einem Transportriesen im prosperierenden Deutschland erwarten könnte. Vom Ziel des „profitablen Marktführers“ aus der „Strategie DB 2020“ hat sich Grube verabschiedet, jetzt strebt er nur noch an, „profitabler Qualitätsführer“ zu werden. Das steht exemplarisch für seine siebenjährige Amtszeit: Grube hat viel angekündigt, aber vieles bislang nicht erreicht. Der Manager befindet sich mit seiner Bahn auf halber Strecke.

Der Anfang im Mai 2009 war schwer und leicht zugleich. Er musste die Wunden der Datenaffäre heilen, die sein gestürzter Vorgänger und Freund Hartmut Mehdorn aufgerissen hatte. Und er begann bei der Bahn mitten in der akuten Finanzmarktkrise. Andererseits konnte er mit seiner offenen Art rasch den angeschlagenen Ruf der Bahn aufpolieren.

Mit Charme und Fleiß gewann er Vertrauen bei Mitarbeitern, Regierenden, Verkehrspolitikern und Kunden. Im Jahr 2010 gelang Grube die Übernahme des europaweit aktiven Bus- und Bahnbetreibers Arriva, der Jahr für Jahr steigende Gewinne abwirft. Seit diesem Coup fehlt das Geld für Zukäufe in ähnlicher Größenordnung.

Grube war vor allem mit dem Versprechen angetreten, sich um das „Brot- und Butter-Geschäft“ zu kümmern, den Eisenbahnverkehr in Deutschland. Genau dort klemmt es noch immer. Im wichtigen Regionalverkehr verliert die Bahn weiterhin bei Ausschreibungen Strecken an die Konkurrenz. Es gibt zwar ein Konzept für ein größeres Fernverkehrsnetz bis zum Jahr 2030. Im Brennpunkt steht derzeit aber die Pünktlichkeit.


Hat Grube zu spät umgesteuert?

Die Quote verspäteter Fernzüge lag im ersten Halbjahr klar über der Marke von 20 Prozent, die die Bahn eigentlich unterschreiten will. In den kommenden Monaten soll es besser werden mit Sonderteams an den Knotenbahnhöfen, einem besseren Management der Baustellen und einer Generalüberholung von ICE und Intercity-Zügen.

Hat Grube zu spät umgesteuert? Schleichend hat sich sein Bild vom rührigen Macher zum eher glücklosen Konzernlenker gewandelt. „Zu wenig Performance“, bemängelte ein Aufsichtsrat unlängst anonym. Der Jahresumsatz von rund 40 Milliarden Euro kommt kaum noch vom Fleck. Statt Schulden wie geplant abzubauen, kamen im vorigen und in diesem Jahr neue hinzu. Der Stand im Juni: 18,2 Milliarden Euro.

Im vergangenen Jahr machte die Bahn erstmals nach zwölf Jahren wieder einen Verlust. Das deftige Minus von 1,3 Milliarden Euro war die Folge einer Altlast - einer Abschreibung auf die kriselnde Güterbahn DB Cargo. Dort gehen die Transportmengen weiterhin zurück und Marktanteile verloren. Nun soll der Verkehr effektiver organisiert, die Züge pünktlicher und mehr Aufträge aktiv eingeworben werden.

Auch die Misserfolge seiner Managerkollegen färbten auf Grube ab. Beim Milliardenprojekt Stuttgart 21 drohen die Kosten nochmals zu steigen. Vorstandsmitglied Volker Kefer kündigte nach Kritik an mangelhafter Information darüber seinen Rückzug an. Schon vor einem Jahr musste Personenverkehrschef Ulrich Homburg gehen, nachdem die Zahl der Reisenden in ICE und Intercity gesunken war.

Kefer war auch ein Rivale um den Chefposten. Jetzt muss Grube seinen Vorstandskollegen, Ex-Kanzleramtschef Ronald Pofalla, als Konkurrenten fürchten, der acht Jahre jünger ist. Der Vertreter des Eigentümers Bund, Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), hat dem Bahnchef eine Art Bewährungszeit bis Ende des Jahres gegeben.

Grube selbst zeigt sich gelassen: „Mein Fokus liegt auf der Lösung von Sachthemen. Mein Vertrag läuft noch bis Ende 2017. Da muss ich mir heute keine Gedanken machen“, sagte er vor wenigen Tagen. „Und außerdem ist es eine Frage des Aufsichtsrats.“ Das Gremium wird voraussichtlich im Dezember über die Vertragsverlängerung entscheiden. Dass er sich dabei nicht als Bittsteller sieht, hat Grube schon im Frühling deutlich gemacht: „Ich bin noch nie hinter meinem Vertrag hergelaufen.“

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