Rüstungsindustrie Gewagte Strategie: Daimler und Lufthansa wollen in Russland einsteigen

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Andere kritisieren die Unternehmensstruktur. Tschemesows Holding ist so undurchsichtig wie die getönten Scheiben seines Dienstwagens, nicht einmal Umsatz und Gewinn muss er offenlegen. Selbst Russlands Wirtschaftsministerin Elvira Nabiullina stand dem Projekt kritisch gegenüber. Doch sie konnte nicht verhindern, dass Rostechnologij sich profitable Stahlhersteller zur Tochterfirma Russpetsstal zusammenschweißte und sich den Lkw-Hersteller Kamaz einverleibte, der 2007 seinen Absatz um ein Fünftel steigerte. Sergej Afontsew, Forscher am Moskauer Institut für Weltökonomie und Internationale Beziehungen, versteht nicht, was solche Firmen im Portfolio des Kremls verloren haben. „Das hilft vielleicht, die Kapitalisierung dieser Holding zu erhöhen“, sagt er, „aber im Sinne der Effizienzsteigerung ist das absoluter Nonsens.“

Daimler spielt dennoch mit dem Gedanken, in Russland unter das Dach von Rostechnologij zu schlüpfen. Die Kooperation mit Kamaz könnte für die Schwaben die letzte Chance sein, in Russland noch ernsthaft ins Geschäft zu kommen. Denn dies- und jenseits des Urals schwächelt der Vertrieb der Lkws mit dem Stern. Andere ausländische Lastwagen-Bauer verdoppeln ihre Absätze auf dem boomenden russischen Markt Jahr für Jahr.

Zugang zu riesigem Vertriebsnetz

Daimler dagegen legte 2007 im Vergleich zum Vorjahr lediglich um 58 Prozent zu – und verkauft deutlich weniger Fahrzeuge als die meisten Wettbewerber. Die Deutschen verhandeln zurzeit exklusiv mit Troika Dialog, der bevorzugten Investmentbank des Kremls, über den Einstieg bei Kamaz. Der Fahrzeugbauer ist neben Waffenhändler Rosoboronexport ein Flaggschiff von Rostechnologij. Kamaz beliefert knapp ein Drittel des russischen Truckmarkts und setzte 2007 rund 2,4 Milliarden Euro um. Rund 1,3 Milliarden Euro dürfte Daimler das 42-Prozent-Aktienpaket von Kamaz kosten.

Dafür bekämen die Deutschen Zugang zu einem riesigen Vertriebsnetz sowie einen Partner, der den russischen Markt kennt. Daimler würde das gut ins Konzept passen, meinen Analysten. Allerdings erwartet Kamaz, dass die Deutschen eine Menge Know-how in die Partnerschaft einbringen. Denn technologisch sowie in der Fertigung muss dem russischen Hersteller ein Quantensprung gelingen: „In den Werken wuseln viel zu viele Menschen mit Schraubenziehern und Schweißgeräten herum“, sagt ein Moskauer Manager, der das Unternehmen kennt. „Wenn Kamaz nach Russlands Beitritt zum Welthandelsabkommen WTO wettbewerbsfähig bleiben möchte, muss schleunigst die Produktion modernisiert und die Qualität der Produkte verbessert werden.“ Dass sich Daimler daran aktiv beteiligt, darauf würde Tschemesow mit Sicherheit drängen.

Mit dem neuen starken Mann in der russischen Staatswirtschaft muss auch Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber bei seiner geplanten Allianz mit der Luftfahrtgruppe AiRUnion unter dem Rostechnologij-Dach auskommen. Zu AiRUnion gehören fünf russische Airlines, mit deren Hilfe Mayrhuber sein Russland-Geschäft ausweiten will. Gegenwärtig verhandeln die Deutschen über Kooperationen beim Ticketverkauf und Vielflieger-Bonusprogramm.

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