Russland Erstmals Wachstumshürde für Oligarchen Deripaska

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Aluminiumherstellung bei Rusal Quelle: AP

So mancher traut dem in Teilen der Branche nach wie vor gefürchteten Aluminiumzaren noch nicht über den Weg. „Er hat mir zweimal einen Vertrag angeboten“, erzählt ein hochrangiger Manager in Moskau, „beide Male habe ich abgelehnt.“ Zu heiß war ihm der Milliardär mit der bewegten Vergangenheit und seinem intransparenten, nicht börsennotierten und teils auf der Kanalinsel Jersey registrierten Gemischtwarenladen. Analysten wie der Rohstoff- und Metallexperte der Investmentbank Lehman Brothers, Wladimir Schukow, sehen Deripaskas Chancen, sich den Nickel-Produzenten ganz einzuverleiben, schwinden: „Es ist unwahrscheinlich, dass Rusal die Kontrolle über Norilsk erhält.“

Es expandiert sich nicht mehr so leicht wie damals vor dem Werkstor in Sajanogorsk. Deshalb kauft Deripaska auch außerhalb des Landes. 2007 ging es Schlag auf Schlag: 30 Prozent an dem österreichischen Baukonzern Strabag, zehn Prozent an dessen deutschem Konkurrenten Hochtief, 20 Prozent an dem kanadischen Autozulieferer Magna.

Die drei Konzerne passen gut in Basic Elements Portfolio: Bei Magna kann Deripaska sich an westlichem Auto-Know-how für seinen großen, aber innovationsschwachen Autohersteller Gaz bedienen. Strabag und Hochtief sollen Expertenwissen für die riesigen Infrastrukturprojekte von Basic Elements Baudienstleistern Glavstroy und Transstroy beisteuern, etwa in der Olympia-Stadt Sotschi.

Anfangs war Hochtief-Chef Herbert Lütkestratkötter begeistert über den neuen Investor: Viele neue Russland-Jobs würden nun auf ihn einprasseln, hoffte er. Doch bisher arbeitet er nur alte Projekte ab. Das Russlandgeschäft sei „noch viel zu klein“, sagte Lütkestratkötter in einem Interview. Er sei damit „nicht zufrieden“.

Ein Grund könnte sein, dass auch Deripaska sich bei Hochtief einmal mehr versprochen hat: Im vergangenen Sommer verhandelte er mit der Investmentgesellschaft Custodia des Deutschen August Baron von Finck über deren Hochtief-Paket von 25 Prozent. Mit dann 35 Prozent wäre Basic Element der mächtigste Aktionär des Baukonzerns geworden. Aber der Baron brüskierte den Russen, indem er überraschend dem spanischen Baukonzern ACS den Zuschlag gab. Enttäuscht ließ Deripaska von Hochtief ab.

Mit Akquisitionen in Deutschland machten zuletzt andere Russen von sich reden: Die Investmentgesellschaft FLC West übernimmt Werften in Rostock und Wismar, und der Rusal-Miteigner Leonid Blawatnik will sich mit 19 Prozent an der Fluggesellschaft Air Berlin beteiligen.

Währenddessen stößt der erfolgsverwöhnte Deripaska immer häufiger auf Hindernisse, etwa in dem kleinen, doch für Basic Element wichtigen Adriastaat Montenegro, wo ein weiteres ehrgeiziges Vorhaben scheitern könnte. Die Basic-Element-Tochter Central European Aluminum Company (CEAC) soll zum beherrschenden Aluminium-Exporteur Südosteuropas aufsteigen. Die montenegrinische Aluminiumhütte KAP kontrolliert sie bereits, auf ihrer Einkaufsliste stehen Hütten in Bosnien und Slowenien, und im Kosovo sowie in Albanien will sie mit eigenen Kohlekraftwerken ins Energiegeschäft vordringen.

Doch davon ist CEAC-Chef Kaha Avaliani noch weit entfernt. Die Privatisierungen in Bosnien und Slowenien ziehen sich hin, während in Montenegro die Kosten explodieren: „Aluminium“, sagt Avaliani, „ist Energie in fester Form, und wir haben hier steigende Stromkosten weit über internationalem Branchenniveau.“ Darauf waren die Russen nicht vorbereitet. Während Energie in Sibirien nur 15 bis 20 Prozent der Produktionskosten ausmacht, sind es in Montenegro 42 Prozent. Avalianis Versuche, die Mehrheit am örtlichen Kohlekraftwerk zu übernehmen, blockiert die montenegrinische Politik. Die Fabrik liegt technisch Jahrzehnte hinter den russischen Hütten zurück. „Wir müssen dieses Werk ins 21. Jahrhundert katapultieren“, sagt Avialani.

Mit Wachstumsgrenzen konfrontiert besinnt sich Basic Element auf das Erreichte. Vorstandschefin Moldaschanowa hat die Einkaufstour für beendet erklärt und stattdessen die Devise „Operational Excellence“ ausgegeben. Um seinen wichtigsten Wettbewerbsvorteil, die billige Elektrizität aus nahen sibirischen Wasserkraftwerken, besser ausspielen zu können, führt Rusal konzernweit das sogenannte Toyota-Produktionssystem ein. Der Weltstandard aus der Autoindustrie soll Material-, Zeit- und Energieverluste durch genau abgestimmte Arbeitsabläufe und Verantwortlichkeiten senken. Überall in den Werkshallen von Sajanogorsk hängen bereits die Toyota-typischen, bebilderten Instruktionstafeln.

Der Autohersteller Gaz in Nischni Nowgorod hat die Produktivitätsoffensive bitter nötig. Die Basic-Element-Tochter ist zwar mit ihren Nutzfahrzeugen erfolgreich, doch im rasant wachsenden Pkw-Geschäft verliert das einzige Gaz-Modell, der Wolga, stetig Marktanteile. Erik Eberhardson, ein ehemaliger Volvo-Manager an der Spitze von Gaz, versucht, die Erosion aufzuhalten: Im September kommt das neue Modell Siber auf den Markt, eine in Lizenz überarbeitete Version des Chrysler Sebring.

Doch werden die Russen den Siber als russisches Produkt annehmen, der zwar günstig ist, aber dem alten Sebring zum Verwechseln ähnelt? Der Wagen müsse die Grenze zwischen „politischen Vorlieben und Verbraucher-Vorlieben“ überbrücken, sagte im vergangenen Herbst der Chef der Gaz-Pkw-Sparte Leonid Dolgow.

Dass sich hinter der Kur für die Pkw-Produktion von Gaz auch politisches Kalkül verbergen könnte, bestreitet Basic-Element-Managerin Moldaschanowa vehement. Doch fügt sich Deripaskas Engagement nahtlos in das „Regierungskonzept für die Automobilindustrie bis 2010“ ein. Darin steht, wie der Wirtschaftspolitiker Putin mithilfe einheimischer Industrieller eine konkurrenzfähige Autoindustrie erstehen lassen will. Das Schriftstück dürfte Deripaska bekannt sein.

Patriotismus zahlt sich aus im Russland des Wladimir Putin, und unter seinem Nachfolger im Präsidentenamt, Dmitri Medwedew, wird sich daran nichts ändern. Deripaska hat aus seiner Bereitschaft, sich dem Willen des Kreml zu fügen, nie einen Hehl gemacht. Als der Eigentümer des Ölkonzerns Russneft, Michail Guzerijew, im vergangenen Jahr in Ungnade fiel, war Basic Element zur Stelle, um Russneft zu übernehmen. Davon haben beide Patrioten etwas: Deripaska bekommt ein schönes Unternehmen, und Putin weiß die Ölquellen in treuen Händen – die sie auf seinen Wink sicher auch wieder hergeben würden.

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