Russland Russlands halbherzige Korruptionsbekämpfung

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Daimler-Fahrzeuge Quelle: Laif

Solche Mittelsmänner haben sich zuletzt goldene Nasen verdient. Im Hauptberuf sind es oft Juristen mit russischem Pass, die im Schattenreich als sogenannte „Broker“ wirken. Sie wickeln Schmierereien mit den Behörden ab, ohne dass sich die Auftraggeber die Finger schmutzig machen. Ihre Kunden sind auch deutsche Investoren. In deren Bilanzen tauchen die Honorare später als Dienstleistungen für Rechtsberatung auf. Sobald der Wirtschaftsprüfer unterschrieben hat, ist die Sache unter den Teppich gekehrt.

Oft fließt auch Bakschisch, wenn Firmen an Ausschreibungen teilnehmen. In Sotschi, wo 2012 die Olympischen Winterspiele stattfinden, wird angeblich kaum ein Auftrag ohne die Zahlung von „Otkat“ vergeben. Das Wort kennt in Russland jeder Manager. Es bezeichnet eine Art Provision, die der Einkäufer vom Auftraggeber für die Zusage verlangt, dass dieser den Zuschlag erhält. Dafür berichtet der Einkäufer dem Bewerber über Konkurrenzangebote. Nach Auftragserteilung schreibt der Lieferant zwei Rechnungen: die mit dem höheren Betrag geht in die deutsche Buchhaltung, die mit der niedrigeren Summe behält der Auftraggeber. Die Differenz zweigt der Einkäufer ab, um seinen Porsche zu bezahlen.

Solchen Praktiken zu widerstehen fällt weder In- noch Ausländern in Russland leicht. Die Landeschefs deutscher Unternehmen sind in Russland zum Erfolg verdammt. Zu Hause müssen sie ihr Engagement am riskanten Markt mit guten Zahlen rechtfertigen. Und die werden oft mit den Erträgen verglichen, die konkurrierende Wachstumsmärkte wie China abwerfen. Für die Exilanten in Moskau geht es um die Karriere, um Provisionen, um den Erfolg. „Wenn ich keine Geschäfte an Land ziehe, kann ich einpacken“, sagt der Russland-Chef eines Mittelständlers. Also fließen oft „Otkat“ und Honorare.

Konkurrenten aus EU-Nachbarländern verstärken den Druck. In Moskau ist es ein offenes Geheimnis, dass französische und italienische Unternehmen weniger zimperlich sind als deutsche: Bei der Vergabe lukrativer Aufträge helfen sie gern nach. Heinrich Weiss, Chef der Düsseldorfer SMS-Gruppe und Präsident der deutsch-russischen Außenhandelskammer, fürchtet Wettbewerbsnachteile und mahnt: „EU-Länder sollten im Kampf gegen Korruption geschlossener vorgehen.“

Unternehmen helfen gerne mal nach

Zuletzt sind die Praktiken vor allem deutscher Unternehmen aufgefallen. Das Korruptionsverfahren, das die US-Justizbehörde bis vor Kurzem gegen Daimler führte, beruht auch auf Fällen in Russland. Beim präsidialen Sicherheitsdienst sowie dem russischen Innen- und Verteidigungsministerium kassierten Beamte, die Limousinen bestellten, Provisionen. Der Fall zeigt auch, wie halbherzig der Kreml manchmal gegen die Korruption vorgeht – vor allem, wenn die Spuren ins russische Machtzentrum führen. Den Daimler-Fall brachten US-Behörden ins Rollen, er wurde gegen eine Strafzahlung von 185 Millionen Dollar eingestellt. Seither weigert sich die russische Politik, Namen geschmierter Beamten zu nennen.

Den Fall Hewlett-Packard (HP) hat die Staatsanwaltschaft Dresden ins Rollen gebracht. Die Ermittler verdächtigen deutsche HP-Manager, bei der Vergabe russischer Aufträge nachgeholfen zu haben. Im April durchsuchten Fahnder die Moskauer HP-Niederlassung im Auftrag der russischen Generalstaatsanwaltschaft – pikanterweise jene Behörde, deren Beamte sich angeblich schmieren ließen.

Der HP-Fall liegt sieben Jahre zurück, die Ermittlungen gegen Daimler basieren auf Vorfällen vor fünf Jahren. Trotzdem kommen sie jetzt ans Tageslicht. Nie war es so schwer, in Russland Geschäfte zu machen. Das haben auch die Ikea-Manager Kaufman und Gross erfahren müssen. 

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