RWE-Chef Atomsaurier Jürgen Großmann kämpft um sein Erbe

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Herr Großmann, werden Sie sich von der Lage im Katastrophengebiet ein Bild machen?

"Ich habe bei Tepco um eine Erlaubnis gebeten, die Anlage in Fukushima besichtigen zu dürfen", antwortete Großmann, "aber keine Erlaubnis bekommen."

Man müsste ja nicht nach Fukushima fahren, es gibt Städte außerhalb der evakuierten Zone. Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin ist auch dorthin gefahren, als er Japan besuchte.

"Was soll ich da?", fragte Großmann.

Schauen, wie es dort aussieht.

"Da gibt es nichts zu sehen."

Waren Sie denn in diesem Jahr schon in Japan?

"Nein. Aber da ist nichts zu sehen."

Man kann zum Beispiel in die Stadt Iwaki fahren, am Rande der evakuierten Zone. Trittin hat mit Menschen gesprochen, die in Notlagern leben.

"Nein."

Man kann auf der Küstenstraße mit dem Auto Richtung Norden fahren.

"Das lohnt sich nicht."

Großmann schwärmt vom Land des Funktionierens

Bei einem Podiumsgespräch in Düsseldorf haben Sie vor Hunderten Zuschauern Ihre anstehende Reise nach Japan erwähnt und behauptet, Sie würden sich vor Fukushima nicht drücken.

"Ich habe mich ja um eine Erlaubnis bemüht, aber keine bekommen."

Danach war das Gespräch schnell beendet. "Noch drei Fragen", sagte Großmann barsch, er müsse noch schlafen.

Als die Maschine in Japan gelandet war, setzte sich Großmann in den Kleinbus, der auf ihn wartete, ließ sich nach Tokyo bringen und erzählte von diesem faszinierenden Land. 50 Mal war er schon hier, mindestens. Er blickte auf die begrünten Schallschutzmauern neben der Autobahn und schwärmte davon, dass Japan das Reich des Funktionierens sei.

Großmann kennt das japanische Wort für Messer, das für Gabel, und er zerlegte in diesem Kleinbus seinen Namen auf Japanisch in zwei Teile, groß und Mann. Er scherzte, er lachte. Selten hatte er so viel freie Zeit an einem RWE-Montag. Er sagte, er wolle sich im Hotel unbedingt noch massieren lassen.

Niemand hört auf Jürgen Großmann

Am späten Nachmittag tauchte ein japanischer Zeitungsjournalist in der Hotellobby auf, um den deutschen Konzernchef zu interviewen. Der Journalist legte sein Diktiergerät auf den Tisch vor Großmann, daneben einen Artikel aus dem britischen Magazin Economist, die Überschrift lautete: No one listens to Jürgen Grossmann. Niemand hört auf Jürgen Großmann. "Akzeptieren Sie diesen Atomausstieg der deutschen Regierung?", fragte der Journalist auf Englisch, und Großmann antwortete: "Nein, wir akzeptieren das nicht." Er sprach von Schäden, die RWE entstanden seien, enormen finanziellen Schäden. Von den Schäden in Japan sagte er nichts.

"Werden Sie in Japan Minister treffen?", fragte der Journalist. "Nein", antwortete Großmann, "ich wollte Fukushima besuchen, aber ich habe keine Erlaubnis bekommen."

"Das kann ich nicht glauben", erwiderte der Journalist lächelnd, "haben Sie die Regierung gefragt?"

"Ich habe es über Tepco probiert", sagte Großmann. Nicht über die Regierung.

"Über die Regierung müsste es klappen", entgegnete der Journalist und bedankte sich. Großmann nickte und schüttelte ihm die Hand. Das Thema Fukushima wurde freundlich verabschiedet.

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