Schadensersatzforderungen Managerhaftpflicht: Risiko Mensch

Managerhaftpflicht-Policen schützen bei Schadensersatzforderungen. Wer keine hat, riskiert eigenes Vermögen.

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Vorsichtige Banker

Da sagt der Rolf über den Leo ganz entspannt auf die Frage, ob die Deutsche Bank bereit sei, Leo zu helfen: „Das halte ich für relativ fraglich. Was man alles darüber lesen und hören kann, ist ja, dass der Finanzsektor nicht bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder gar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen.“ Und was passiert? Leo Kirchs Filmimperium geht in Konkurs – nach dessen Meinung vor allem wegen der geschäftsschädigenden Aussage des damaligen Deutsche-Bank-Chefs Rolf Breuer. Nun sehen sich Breuer und Deutsche Bank mit Schadensersatzforderungen von mehreren Hundert Millionen Euro konfrontiert, zunächst ging es gar um mehr als eine Milliarde.

Da beruhigt es die Deutsche Bank ungemein, dass sie eine Managerhaftpflicht – Directors-and-Officers-Liability-Versicherung (vulgo D&O) – für ihren redseligen Ex-Chef abgeschlossen hatte. Auch viele andere Bankmanager werden in diesen Tagen genau checken, ob und was für eine Police ihr Unternehmen für sie selbst oder für ehemalige Kollegen unterschrieben hat.

Bei der Düsseldorfer IKB prüft aktuell die Rechtsabteilung, ob die Bank Schadensersatzklagen gegen ihre früheren Vorstandsmitglieder um Stefan Ortseifen einreicht. Das bestätigte eine IKB-Sprecherin. Ein Fall für die Managerhaftpflicht. Auch die inzwischen in der Landesbank Baden-Württemberg aufgegangene Sachsen LB hat nun einen möglichen Schaden bei ihrem D&O-Versicherer angezeigt. Die Bank klärt ebenfalls, ob sie Schadensersatz von Ex-Vorständen oder Aufsichtsräten fordert.

Doch nicht nur Manager, die zu viel reden, oder Finanzmarktjongleure sollten auf eine D&O Wert legen. Schon der Verkauf eines vermeintlich fehlerhaften Produktes in den USA kann zum Desaster werden, ebenso wie die Abgabe von Unternehmensteilen unter Wert oder fehlerhafte Mitarbeiterkontrolle. Schadensersatzklagen treffen zuhauf auch deutsche Mittelständler. Führungskräfte sollten sich die Verträge, mit denen Unternehmen sich und ihre Leitenden absichern, genau ansehen. Und falls es keine Policen gibt, womöglich nachverhandeln. Denn: Seit diese Schäden zunehmend versichert sind, entscheiden Gerichte häufiger zugunsten der Kläger.

Haften müssen sogenannte Organmitglieder: Vorstände, Aufsichtsräte, Beiräte, Geschäftsführer und leitende Angestellte. Bei nachgewiesener Fahrlässigkeit mit diversen Spielarten haften sie gegenüber ihrer Firma oder externen Klägern mit ihrem Privatvermögen. Haben sie ihre Pflichten gegenüber ihrem Arbeitgeber unwillentlich verletzt und ihm finanziell geschadet, springt die D&O-Versicherung ein. Sie zahlt unter Umständen selbst für Fälle, die vor Abschluss der Versicherung entstanden, trägt Anwalts- und Gerichtskosten und mitunter auch Strafzahlungen bis zur vertraglich vereinbarten Deckungshöhe.

„Der überwiegende Anteil von Schadensersatzfällen zwischen Unternehmen und deren Führungskräften wird außergerichtlich geklärt“, weiß Florian Volz von der Kanzlei Heisse Kursawe Eversheds. Unternehmen haben meist kein Interesse an Öffentlichkeit und scheuen Prozesse durch mehre Gerichtsinstanzen. Zumal es nach seiner Erfahrung zu immer mehr Klagen kommt, seit die Deutschland AG sich aufgelöst hat und Problemfälle nicht mehr so einfach auf dem kleinen Dienstweg unter Freunden geregelt werden.

So funktioniert die Managerhaftpflicht: Die Firma versichert ihre Mitarbeiter, um nicht selbst auf einem Schaden sitzenzu- bleiben. Dabei ist es egal, ob der Schaden intern angefallen ist (zum Beispiel Tochterunternehmen unter Wert verkauft) oder Ansprüche von außen drohen (von Geschäftspartnern, Konkurrenten, Ex-Mitarbeitern).

Deutsche Besonderheit ist die Selbstbeteiligung, oft liegt sie bei drei bis sechs Monatsgehältern. Sie soll verhindern, dass ein Verantwortlicher in den Annahme schludert, die Versicherung zahle ja eh. Die Abreden dazu sind vielfältig. Das grundsätzliche Problem bei D&O-Policen ist ohnehin: Sie sind hochindividuell, keine gleicht der anderen. Mitunter sind Manager selbst dann noch versichert, wenn sie „bedingt vorsätzlich“ Fehler begehen. Auch sogenannte „Punitive Damages“ sind zum Teil abgedeckt, also Strafzahlungen beispielsweise an Börsenaufsicht oder Kartellamt.

Panik dank New Economy

Es lohnt sich für Manager, bei Vertragsverhandlungen um einen neuen Job einen Fachanwalt für Versicherungsrecht zu konsultieren – Unternehmens- und Eigeninteresse sind nicht immer identisch.

Durch die Versicherungsvertragsreform hat sich 2008 einiges geändert. Der Versicherte muss nur noch auf schriftlich formulierte Fragen des Versicherungsunternehmens zur Risikoanalyse antworten, dann aber rückhaltlos. „Es gilt also bei der Managerhaftpflicht dasselbe wie bei jeder Berufsunfähigkeitsversicherung: Alle Angaben müssen vollständig und wahrheitsgemäß sein, sonst wackelt der Versicherungsschutz“, sagt Rechtsanwalt Volz.

Auch neu: Geschädigte können den Arbeitgeber des versicherten Managers direkt verklagen, statt sich wie bisher zunächst nur an den Manager zu halten. Das heißt aber nicht, dass die Klage nicht doch beim Verursacher landen könnte. Bescheinigt ein Gericht dem Manager Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit, ist die Versicherung je nach Vertrag aus dem Schneider.

Das Unternehmen, das trotzdem zahlen muss, kann sich unter Umständen das Geld vom Manager holen. Ist es eine Aktiengesellschaft muss sie es sogar versuchen – sonst stehen die Aktionäre kopf und können wiederum das Unternehmen verklagen. Anwalt Volz rät deshalb: „Handeln Sie aus, dass das Unternehmen für Sie eine klassische D&O-Police abschließt, in der alle Forderungen zunächst an den Manager gerichtet werden.“

Vor einem anderen Fallstrick warnt Theo Langheid, Fachanwalt für Versicherungsrecht der Kanzlei Bach, Langheid & Dallmayer und in die großen deutschen Fälle involviert: Unter Umständen werden bei versicherten Managern mehrere Haftpflichtvarianten miteinander verknüpft. Am Ende geht das dann aus wie das Hornberger Schießen: Weil Versicherung I nicht zahlen muss, ist auch Versicherung II außen vor. „Dann stehen im schlimmsten Fall Haus und Hof des Managers auf dem Spiel“, so der Experte.

Das kann auch mittelständischen Führungskräften blühen. Marc Nofri, Makler und Mitglied im Bundesverband mittelständischer Unternehmen, warnt: „Gerade inhabergeführte Unternehmen agieren oft nach dem Motto: Es passiert schon nichts, alles unter Kontrolle. Wie die Zahl der Schieflagen und Insolvenzen zeigt, ist das ein fataler Fehler. Im Mittelstand sind das die häufigsten Schadensfälle.“ Was viele nicht bedächten: „Dann steigt die Haftungsgefahr immens. Der Fiskus und auch die Sozialversicherungen der Mitarbeiter wollen Geld, die Staatsanwaltschaft Strafe bei Insolvenzverschleppung.“

Es muss nicht immer der unternehmerische Totalschaden sein. Der technische Geschäftsführer eines 500 Mitarbeiter zählenden Maschinenbauers hatte einen komplizierten Auftrag angenommen. Als er die Maschinen nicht rechtzeitig liefern konnte, forderte der Auftraggeber fünf Millionen Euro Schadensersatz. Den muss nun die D&O-Versicherung des Geschäftsführers zahlen. In einem anderen Fall hatte der Logistiker UPS einem Unternehmen gegenüber zu hohe Preise berechnet. Da dieses die Ansprüche wegen der Schlamperei eines Managers verjähren ließ, blieb es auf den Kosten sitzen. Auch hier sprang am Ende die Managerhaftpflicht ein.

Richtig hoch her geht es, wenn der Kläger sein Recht in den USA durchsetzen kann. Stephan Westphal von der Unternehmensberatung Towers Perrin warnt: „Sobald ein Unternehmen dort aktiv und auch noch Fall börsennotiert ist, muss es sich und seine Manager vor den immensen Schadensersatzansprüchen, die dort möglich sind, schützen. So liegt das durchschnittliche Deckungslimit von Unternehmen, die nicht in den USA notiert sind, bei den von Towers Perrin für eine Studie befragten Unternehmen bei 53 Millionen Euro, bei börsennotierten sind es 123 Millionen Euro.“

Die komplizierten D&O-Verträge werden jährlich zwischen Unternehmen und Assekuranz monatelang neu ausgehandelt. Nachdem die großen deutschen Unternehmen längst versichert sind, stürzen sich die Assekuranzen auf den Mittelstand.

Der Preiswettbewerb war zuletzt groß, seit Jahren sanken die Prämien. „Sie sind inzwischen auf einem Niveau angekommen, das für die Versicherer nicht mehr auskömmlich ist“, sagt Lars Heitmann, Chef des Bereichs Managerhaftpflicht beim Hamburger Versicherungsmakler Funk Gruppe. Um fünf Millionen Euro Risiko abzudecken, zahlt ein Mittelständler mit 100 Millionen Euro Bilanzsumme heute um die 5000 Euro im Jahr. Ein MDax-Unternehmen bekommt für eine Prämie von unter 100.000 Euro immerhin schon eine Risikoabdeckung von 50 Millionen Euro. Der Schutz wird jetzt teurer: Makler prognostizieren, dass Mittelständler bei D&O-Abschlüssen für 2010 zehn Prozent mehr zahlen müssen, börsennotierte Unternehmen 40 bis 50 Prozent. Und die Schäden aus der US-Hypothekenkrise sind noch nicht mal alle gemeldet. Die Prämien steigen deshalb vor allem für Banken.

Aktionäre und Aufsichtsräte könnten zum Beispiel Bankmanagern vorwerfen, falsche Informationen an den Kapitalmarkt gemeldet zu haben, sagt Armin Beier-Thomas vom Bremer Versicherungsmakler Gebrüder Krose. Ein solcher Fall deutet sich gerade beim in der Finanzkrise abgestürzten Bank Hypo Real Estate an. Die Staatsanwaltschaft München ermittelt wegen des Verdachts auf Marktmanipulation und unrichtiger Darstellung nach dem Aktiengesetz.

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