Schmiergeldaffäre Prozess um Korruption bei Siemens beginnt mit Geständnis

Im ersten Prozess um milliardenschwere Schmiergeldzahlungen bei Siemens hat ein angeklagter ehemaliger Siemens-Manager ein Geständnis abgelegt. Er räumte ein, aus schwarzen Kassen bei Siemens Geld abgezweigt und für Scheinverträge im Ausland verwendet zu haben. Seine Vorgesetzten hätten davon gewusst, beteuerte der Angeklagte.

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Geständig: Ex-Siemens-Manager Quelle: REUTERS

Zugleich belastete der 57-jährige frühere Mitarbeiter der -Festnetzsparte ICN seine damaligen Vorgesetzten

Reinhard Siekaczek, früher in führender Position bei der Telekom-Sparte tätig, räumte zum Verfahrensauftakt heutevor dem Münchner Landgericht ein, er habe über ein System schwarzer Kassen rund 53 Millionen Euro von Siemens abgezweigt, die für Provisionen und Scheinberaterverträge im Ausland eingesetzt worden seien.Er habe auf Anweisung des Bereichsvorstands gehandelt.

Siekaczek wird Untreue in 58 Fällen zur Last gelegt. Der 57-Jährige gilt als eine Schlüsselfigur in der Affäre, in der gegen knapp 300 Beschuldigte ermittelt wird. „Der Angeklagte entschied in eigener Machtvollkommenheit, wer die Gelder erhielt“, sagte Staatsanwältin Nora Kaiser. Siekaczek bestätigte die Vorwürfe aus der 33-seitigen Anklageschrift, wonach er Ende der 1990er Jahre ein bestehendes Schmiergeldsystem übernommen und es weiterentwickelt habe. 1998, als Bestechung im Ausland strafbar wurde, hatte Siemens seine Manager per Unterschrift zur Einhaltung der Gesetze verpflichtet.

Siekaczek und seine Komplizen hätten das System aus Scheinrechnungen, Überweisungen und Bargeldzahlungen daraufhin noch mehr verschleiert, hieß es in der Anklage. Siekaczek sagte, nach internationalen Ermittlungen sei ihm und seinem Vorgesetzten klar gewesen, dass die Zahlungen reduziert und irgendwann komplett eingestellt werden müssten. Bei vielen Projekten hätten Zusagen nicht zurückgenommen werden können. „Das ist wie ein ICE, der mit 250 auf einen Bahnhof zurast.“

Nach 1998 hätten sich die Beteiligten ein neues System ausgedacht: Über fingierte Beraterverträge ohne Gegenleistungen wurden Gelder abgezweigt. „Das ist keine große Kunst, kein großes System“, sagte Siekaczek. Auf Wunsch seiner Vorgesetzten habe er sich bereit erklärt, als zentrale Stelle zu fungieren und die Vielzahl von Verträgen zu minimieren. Alle Beteiligten hätten gewusst, „dass wir hier was tun, was ungesetzlich ist“. Sie hätten sich aber gesagt: „Wir tun's nicht für uns, sondern für diese Firma.“

Gemeinsam mit einem weiteren Haupttäter baute Siekaczek der Anklage zufolge ein Geflecht von Tarnfirmen im Mittleren Osten, den Kanalinseln und der Karibik auf, über die Millionenbeträge im Zusammenhang mit Telekommunikationsprojekten in Ägypten, Saudi-Arabien, Indonesien oder für die Olympischen Spiele in Athen flossen. Das System habe circa anderthalb Jahre reibungslos funktioniert, sagte der Angeklagte. 2004 sei es wegen einer Geldwäsche-Prüfung in Liechtenstein kritisch geworden.

Siekaczek sagte vor Gericht, er habe Bereichsvorstand Thomas Ganswindt Anfang 2004 klar informiert, welche Zahlungen in welche Länder flössen und welche Kollegen involviert seien. Dieser habe ihm aber nicht geholfen. „Er hat niemandem gesagt: Hört auf mit diesen Zusagen, hört auf mit diesen Zahlungen.“ Dem Angeklagten, der im Herbst 2004 nach 38 Jahren bei Siemens ausschied und als Berater für den Konzern tätig war, droht jetzt eine mehrjährige Haftstrafe.

Gegen Ganswindt und andere Manager laufen strafrechtliche Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Schmiergeldskandal. Der auf 15 Verhandlungstage angesetzte Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt. Neben zahlreichen Managern sollen auch der frühere Siemens-Chef Heinrich von Pierer und Finanzchef Joe Kaeser als Zeugen gehört werden. Der Konzern hatte dubiose Zahlungen über 1,3 Milliarden Euro von 1999 bis 2006 eingeräumt. Der Gesamtschaden belief sich zuletzt auf 1,8 Milliarden Euro.

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