Schmuck Perlen: Träne der Götter

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Die berühmtesten Perlenträgerinnen der Geschichte waren Kleopatra, Königin Elizabeth I. von England – undElizabeth Taylor: Die Geliebte Marc Antons löste ihre Lieblingsperle ihm zuliebe angeblich in Wein auf und trank sie; die eiserne Renaissancedame hatte Perlen für 3000 Gewänder und 80 Perücken; die letzte Filmdiva besaß die berühmte Hybridperle la Peregrina, einst im Besitz Philipps II. von Spanien, der sie als Hutnadel benutzt hatte. Richard Burton ersteigerte das gute Stück 1969 als Geschenk für die Gattin. Inzwischen ist es spurlos verschwunden. Liz Taylors Hund soll es verschluckt haben. 

Perlen entstehen aus Parasiten. Sie sind eine Art Kuckucksei und entwickeln sich, so der Zoologe Friedrich Alverdes, „durch das Eindringen lebender Organismen in das Mantelgewebe der Muschel, wo sie eine sackartige Ausstülpung bilden, in der dann die Perlmuttablagerung, die zur Perlenbildung führt, geschieht, während der Parasit absorbiert wird“. Die für die Perlmuttbildung zuständigen Epithelzellen werden durch den penetrierenden Parasiten eingeschleppt und sorgen, so der Hamburger Mineraloge Jochen Schlüter, „irrtümlicherweise dafür, dass eine Perle entsteht“. 

Ein Versehen der Natur, das sich die Chinesen schon im 11. Jahrhundert kommerziell zu Nutze machten. Sie implantierten an der Innenseite von Süßwassermuscheln kleine Buddhafiguren aus Blei und Zinn, auf denen sich mit der Zeit eine Perlmuttschicht bildete. Die Zucht runder Perlen gelang allerdings erst knapp 1000 Jahre später, um 1900. Die Japaner Tatsuhei Mise und Tikichi Nishikawa griffen dabei auf die Forschungsergebnisse europäischer Biologen zurück und pflanzten einen kugelförmigen Fremdkörper aus Perlmutt samt einem perlmuttbildenden Stück Mantelgewebe aus einer Spenderauster in die Keimdrüse der Wirtsmuschel ein. Ein chirurgischer Vorgang, der dazu führt, dass die Epithelzellen das Perlmutt nicht an der Innenseite der Muschel ablagern, sondern auf dem Zuchtkern: Das Mantelgewebe wächst um diesen Kern, schließt ihn ein, bildet einen Perlensack und, wenn alles gut geht, nach zwei bis drei Jahren eine schöne, runde Perle. 

Diese Implantationstechnik wurde von dem japanischen Kaufmann Kokichi Mikimoto perfektioniert und industriell genutzt. Mikimoto legte an den Küsten Mittel- und Südjapans große Muschelbänke für die Zucht von Akoyaperlen an. Akoya-Zuchtperlen sind billiger als Naturperlen und selbst für den Fachmann auf den ersten Blick kaum zu unterscheiden. Zuchtperlen, speziell von Mikimoto, kamen immer mehr in Mode. Jahrzehntelang dominierten die Japaner den Perlenhandel. 1996 kultivierte die Zuchtperlenindustrie des Landes rund 175 Millionen Perlen im Jahr. 

In den vergangenen 15 Jahren ist sie allerdings geschrumpft. Die Küstenlandschaften, die einst von Perlenfarmen geprägt waren, sind heute zum großen Teil mit Autobahnen, Wochenendsiedlungen oder Golfplätzen verbaut. Infektionen vernichteten auf vielen Farmen den gesamten Bestand – so etwa im Biwa-See, wo die Eutrophierung der Reisfelder den Süßwassermuscheln die Nahrungsmittel Plankton und Sauerstoff entzogen hat. 

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