Schon gesehen? Unklare Fronten

Filmproduzentin Regina Ziegler über Krimis, die man im Fernsehen sehen sollte.

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Dass es im deutschen Fernsehen zu wenige Krimis geben würde, wird man nicht ernsthaft behaupten können. Offenbar garantiert dieses Genre, auch in der zehnten Wiederholung, immer ausreichend Quote. Warum das so ist – darüber kann man nur spekulieren. Ich vermute, dass der Krimi deshalb so unglaublich populär ist, weil er uns, als Tatort, als Polizeiruf 110, im Abschnitt 40 oder mit dem Bullen von Tölz jede Menge Sicherheitsmärchen erzählt. Am Anfang liegt einer tot da. Doch die böse Tat wird am Ende geklärt und der Täter in Handschellen abgeführt. Gerade in unsicheren Zeiten können wir von solchen Geschichten offenbar nicht genug sehen. Wenn sie dann noch spannend erzählt werden und unsere liebsten und größten Schauspieler als Kommissare oder Kommissarinnen auftreten, kann eigentlich nichts mehr schiefgehen. Doch indem man die Erfolgsmerkmale nennt, fällt auch sofort auf, dass die deutschen Revierserien, die Kommissarsgeschichten sich irgendwie ein wenig überlebt haben. Es gibt viel déja vù, die eigentlichen Neuigkeiten sind in den US-amerikanischen Serien zu besichtigen, die – wenn sie hier gar nicht laufen oder wieder abgesetzt werden – immer auch als DVD erhältlich sind. Die verschiedenen Varianten der CSI, von New York über Miami bis nach Las Vegas, lenken den Blick weg vom Täter auf die Tat. Und die wird klinisch sauber nachgezeichnet. Die Biografie der Kommissare spielt kaum noch eine Rolle. Dafür triumphieren die Techniker, die aus dem Feinstaub am Tatort die Taten herauslesen. Das Agentenepos 24, in dem es um nichts weniger als den Untergang der Welt geht, faszinierte auch noch in der fünften Staffel. Und das nicht nur, weil es im Sekundentakt volle Action bietet, sondern auch, weil die Serie nicht davor zurückschreckt, Sympathieträger sterben und Schurken entkommen zu lassen. Das haben wir so radikal noch nie zu sehen bekommen. Zugleich findet man etwas, was der Klarheit des deutschen Krimis mit den Guten und Bösen den Boden wegzieht. Es steht nämlich, Jack Bauer inklusive, jeder im Verdacht, nicht der zu sein, der zu sein er vorgibt. Diese Auflösung der klaren Fronten, wie wir sie aus dem Kasperletheater kennen, prägt auch meinen aktuellen Favoriten, die Cop-Serie The Shield, die in Los Angeles spielt, in der – gewissermaßen im Gegenzug zu den klinisch sauberen CSI-Plots – die Geschichten und die Lebensgeschichten der Polizisten genial ineinandergestrickt werden. Was mich am meisten fasziniert bei The Shield ist genau das, was man im alten Räuber- und Gendarm-Spiel eigentlich gar nicht sehen will: dass die Polizisten nicht mehr Männer mit blütenweißen Westen sind, dass sie verwickelt sind in das Leben der Täter und der Opfer, dass sie nicht eine unangreifbare moralische Instanz sind, die keiner erreichen kann. Diese zwielichtigen Helden, die wir neuerdings zu sehen bekommen, entsprechen viel mehr einem Leben, wie es immer mehr sichtbar wird. Ein Leben, in dem es immer komplizierter wird, gut und böse gut zu unterscheiden. In dem sich das Gewaltmonopol des Staates zu verflüchtigen beginnt. Vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass die Zuschauer solche Serien mögen. Helden sind sicher wichtig. Aber wenn man sie zu hoch setzt, für den Zuschauer unerreichbar macht, sind sie auch als Vorbilder ohne Wert. Ich glaube, dass die Macher von The Shield das erkannt haben. Ich bin aber auch ziemlich sicher, dass wir so etwas auch in den deutschen Serien mehr und mehr sehen werden. Abschnitt 40 hatte schon etwas davon. Der leider falsch platzierte Mehrteiler Blackout ebenfalls. Mit der Serie KDD – Kriminaldauerdienst hat das ZDF einen solchen Ansatz kürzlich auf den Weg gebracht. Noch sind die Amerikaner vorne, was den innovativen Krimi angeht. Aber es wäre ja nicht das erste Mal, dass wir von ihnen nicht nur lernen, sondern sie anschließend sogar überbieten. Es bleibt also spannend.

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