Schuldenkrise Das zwielichtige Geschäft der Ratingagenturen

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Wolfgang Schäuble Quelle: REUTERS

Kritisiert werden die Rating-Riesen vor allem aufgrund ihrer fehlenden Transparenz. Kaum einer kann genau sagen, wie Moody’s und Co. zu ihren Urteilen kommen. Dies gilt insbesondere für das Rating von Staaten. Nicht nur Experten fordern seit langem eine Offenlegung der Kriterien. Im Zuge der letzten Herabstufung Portugals auf Ramschniveau sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, er könne "nicht erkennen, was der Herabstufung zu Grunde liegt".

Das größte Problem der Ratingagenturen aber ist ihre Finanzierung: Standard & Poor's, Moody's und Fitch sind privatwirtschaftlichen Unternehmen, die in der Regel von ihren Auftraggebern, also Unternehmen und Staaten bezahlt werden. Dass S&P, Moody's und Fitch unabhängig sind, darf aus diesem Grund zumindest bezweifelt werden. Schließlich will es sich keine Agentur mit ihren Kunden und Geldgebern verscherzen, ein höheres Rating für ein Unternehmen stärkt lapidar gesagt die Kundenbindung.

Gleichzeitig wollen die Anteilseigner, die nicht selten als Investoren aktiv sind, verdienen. Sie wollen am Umsatz der Ratingagenturen beteiligt werden und ihre Staatsanleihen mit Gewinn veräußern.

Ratings wären unabhängiger, würden sie nicht vom zu Bewertenden gezahlt

Konkret sehen die Besitzverhältnisse der Ratingagenturen so aus: Standard & Poor’s befindet sich zu 100 Prozent im Besitz des Verlagshauses McGraw-Hill Companies, Konkurrent Moody’s ist ein börsennotiertes Unternehmen dessen größter Einzelaktionär der Investor Warren Buffett ist. Er besitzt rund zwölf Prozent. Der Mutterkonzern von Fitch Ratings, die französische Firma Fimalac, ist an der Pariser Börse gelistet. Milliardär Marc Ladreit de Lacharrière hält rund 88 Prozent der Stimmrechte.

Ein möglicher Schritt zu mehr Unabhängigkeit wäre, Ratings nicht mehr von den Kreditnehmern bezahlen zu lassen, sondern von den Investoren. Bis in die siebziger Jahre war dies die Regel, allerdings stellte sich das Modell als nicht tragbar heraus, da die Anleger eher auf ein professionelles Rating verzichteten als dafür zu bezahlen.

EU-Politiker wie Sven Giegold fordern daher eine unabhängige, europäische Ratingagentur. Diese soll transparente Bewertungskriterien vorweisen und mehr Wettbewerb in den Markt bringen. Der EU-Bericht zur Perspektive der Ratingagenturen sieht die gezielte Förderung kleinerer Agenturen vor. „Die derzeitige Marktstruktur mit lediglich drei Akteuren stimmt einfach nicht“, sagt Giegold. Dies sei nicht mit den Prinzipien einer sozialen Marktwirtschaft vereinbar. Grundsätzlich befürwortet auch Martin Faust mehr Konkurrenz auf dem Markt.

Eine vierte oder fünfte Agentur würde die Rating-Szene durchaus beleben. „Allerdings braucht es viel Startkapital und eine lange Anlaufzeit, um eine neue Agentur am Markt zu etablieren“, so Faust. Diese müsse sich dann mühsam eine gewisse Reputation erarbeiten. Bis dahin bleibt die Marktmacht der "Big Three" unangetastet.

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