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Siemens Löschers Salamitaktik

Siemens-Chef Peter Löscher muss morgen vermutlich sein Gewinnziel revidieren. Auch wenn sich die Probleme mehren, steht der Konzern noch vergleichsweise gut da. Das dicke Ende dürfte dann im nächsten Jahr folgen.

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Siemens-Chef Peter Löscher: Viele Baustellen trotz Aufräumarbeiten Quelle: dpa

Josef Ackermann, das Vorbild von Peter Löscher? Schließlich erinnert die Informationspolitik von Siemens zunehmend an die der Deutschen Bank. So hielt der Chef der Deutschen Bank im Jahre 2008 erst lange das Mantra aufrecht, sein Unternehmen komme weitgehend unbeschadet durch die Krise. Im Oktober machte gar ein Ackermann-Zitat die Runde, wonach er sich schämen würde, sollte die Deutsche Bank Gelder aus dem staatlichen Rettungsfonds für Banken beanspruchen müssen.

Anfang dieses Jahres dann die unerwartete Rolle rückwärts, als Ackermann schmallippig einen Verlust in Höhe von fast vier Milliarden Euro für das Gesamtjahr 2008 einräumen musste – insbesondere wegen eines übel verhagelten vierten Quartals.

Und aktuell wiederum – nur ein Vierteljahr später – kann Ackermann wieder die Rückkehr zu längst passé geglaubten Renditedimensionen verkünden. Wie die Deutsche Bank heute bekannt gab, ist der Gewinn vor Steuern im ersten Quartal der einstigen Zielmarge von 25 Prozent wieder sehr nahe gekommen. Über die Gründe für ein derartiges Hakenschlagen kann man lange spekulieren.

Fakt ist aber: Die Deutsche Bank steht im Vergleich zur Konkurrenz immer noch deutlich besser da.

Siemens könnte seine Ziele kappen

Eine ähnliche Salamitaktik fährt auch Siemens-Chef Peter Löscher. Vor rund einem Jahr beispielsweise sendete Löscher Schockwellen an die Börse, als er völlig überraschend die Gewinnerwartung fürs erste Quartal 2008 um knapp eine Milliarde Euro kappte.

Die Kapitalmärkte quittierten das Eingeständnis von falsch bewerteten Großprojekten damals mit einem Kursabschlag von zwischenzeitlich fast 20 Prozent. Später im gleichen Jahr trieb Löscher ein massives Umbauprogramm bei Siemens voran, trennte sich von mehreren Randgeschäften und drückte so viele finanzielle Lasten in die Bilanz für das Geschäftsjahr 2008 wie möglich. Dessen Ergebnis glänzte dennoch, weil die Verluste von dem Einmalgewinn aus dem Verkauf von VDO an Continental mehr als wettgemacht wurden.

Ins Geschäftsjahr 2009 startete Löscher dann mit einer überaus ambitionierten Prognose bezüglich des operativen Gewinns. An der hielt er auch noch im Januar bei der Vorlage der Zahlen fürs erste Quartal, also bereits tief in der Wirtschaftskrise, fest.

Seitdem mehren sich wiederum die Indizien, der Konzern werde seine Ziele bei der morgigen Vorlage der Halbjahreszahlen kappen – insbesondere auch deshalb, weil mehrere Siemens-Sparten-Chefs in der Zwischenzeit das eine oder andere Warnsignale abgaben, etwa einen rückläufigen Auftragseingang im für knapp die Hälfte des Konzernumsatz stehenden Industriegeschäft, oder eine bis Sommer von 12.000 auf 19.000 Beschäftigte steigende Zahl von Kurzarbeitern in Deutschland.

Was passiert 2010?

In der Tat: Auch Siemens kann sich der weltweiten Rezession nicht entziehen. Doch glaubt man den Prognosen von Analysten, steht Löscher – ähnlich wie das vermeintliche Vorbild Ackermann – insbesondere im Vergleich zur Konkurrenz noch ziemlich gut da: Während der Gewinn von Erzrivale GE in den ersten drei Monaten 2009 kräftig einbrach und Philips, wichtiger Konkurrent im Gesundheits-Geschäft, im selben Zeitraum gar ins Minus abrutschte, soll Siemens operativ im Vergleich zum Vorjahr sogar wieder zulegen.

Auch erwarten Marktbeobachter, dass der Auftragseingang von Siemens trotz Schwundes weiterhin größer ist als der Umsatz. Das so genannte Book-to-Bill-Verhältnis zwischen Aufträgen und Umsätzen wäre damit immer noch größer eins, ein wichtiger Indikator für die künftige Entwicklung.

Bleibt die Frage, wann der weltweite Konjunktureinbruchs auch in der Bilanz von Siemens deutlichere Bremsspuren als bisher hinterlassen wird. Aus unternehmensnahen Kreise verlautet jedenfalls, dass das bis Ende September laufende Geschäftsjahr 2009 durch die vorhandenen Aufträge bereits „weitgehend abgesichert“ sei.

Wirklich schwierig werde dagegen das kommende Jahr, weil dann der Auftragsrückgang voll auf das laufende Geschäft durchschlage. Gut möglich also, dass Löscher seine Salamitaktik noch ein bisserl weiter treibt – um Kapitalmärkte, Aktionäre und Mitarbeiter vorsichtig auf das Geschäftsjahr 2010, das wahre Krisenjahr für einen Spätzykliker wie Siemens – vorzubereiten.

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