Sinkender Marktanteil Kundenschwund bei Volks- und Raiffeisenbanken

Den Volks- und Raiffeisenbanken laufen die Kunden weg. In Berlin weichen die Banker schon ins riskante Investmentbanking aus.

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Der Präsident der deutschen Quelle: AP

Als etwas ganz besonderes fühlen sich derzeit die Volks- und Raiffeisenbanken. Weniger renditegetrieben als die großen Geschäftsbanken haben sich die Genossen weitgehend aus dem Milliardenpoker um schlecht besicherte Immobilienkredite herausgehalten, der einige Konkurrenten in Existenznot gebracht hat. „Die genossenschaftliche Bankengruppe ist das krisenfesteste Schiff, das sich in unruhiger See bewegt“, sagt Christopher Pleister, der Chef des Bundesverbands der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR). Den Mitgliedsbanken rät der Verband, die Finanzkrise als Marketinginstrument zu nutzen. „Der Vorstand Ihrer Bank“, so heißt es in einem Schreiben des BVR an seine Mitglieder, „vermittele die Botschaft, dass die Musterbank stabil und nicht von Subprime betroffen ist, dass die Einlagen sicher seien.“

Schön für die Genossen, dass ihnen die Finanzkrise ein Thema liefert, mit dem sich von den eigenen Problemen ablenken lässt. Denn die Lage der mehr als 1200 deutschen Volks- und Raiffeisenbanken – speziell des größten Instituts, der Berliner Volksbank – ist nicht gerade rosig. Aufgrund fallender Zinsmargen verdienen sie im klassischen Bankgeschäft, dem Leihen und Verleihen von Geld, immer weniger. Hinzu kommt, dass die Gruppe im Geschäft mit den deutschen Sparern von der Konkurrenz abgehängt wird und internen Unterlagen zufolge, die der WirtschaftsWoche vorliegen, Marktanteile verliert.

Jahrelang konzentrierten sich die Genossen vor allem darauf, ihre Kosten zu senken; die Entwicklung ertragsstarker Geschäftsmodelle überließen sie anderen. So erfuhr die WirtschaftsWoche, von einigen Volksbankern, dass die Idee einer zentralen Direktbank begraben wird. Sie sollte eigentlich unter Führung der WGZ-Bank – eines der beiden Zentralinstitute der Genossen, das Internet-Geschäft bündeln. Doch eine Minderheit sperrt sich dagegen.

Statt gemeinsam in die Offensive zu gehen, müssen die einzelnen Banken ihre Probleme nun jede für sich in den Griff bekommen und wagen sich dabei zum Teil auf gefährliches Terrain: Die Berliner Volksbank etwa weicht ins riskante Investmentbanking aus – für die einst als Selbsthilfeorganisation kreditsuchender Bürger und Unternehmer gegründeten Genossenschaften ein markanter Strategieschwenk.

Selbst Verbands-Präsident Pleister muss eingestehen, dass 2007 ein „nicht zufriedenstellendes Jahr“ war. Das Teilbetriebsergebnis der Banken, also Zins- und Provisionsüberschuss abzüglich der Verwaltungsausgaben, fiel um fünf Prozent auf 3,9 Milliarden Euro. Die Spareinlagen gingen zugunsten kurzfristiger Anlagen um satte 15 Milliarden Euro zurück. Im ersten Quartal 2008 waren es noch einmal fünf Milliarden.

Der Abwärtstrend schlägt sich auch in Marktanteilen nieder. Internen Unterlagen zufolge, sank der Marktanteil der Gruppe, gemessen an der Bilanzsumme, seit 1999 um ein Prozent, im Einlagengeschäft um 2,9 Prozent und im Konsumentenkreditgeschäft um neun Prozent. Allein das Geschäft mit Wohnungsbaukrediten lief gut.

Wohl wichtigster Grund für den Rückgang: Statt um ihre Kunden kümmerten sich die Genossen zu sehr um ihre internen Strukturen. Die haben sie denn auch besser im Griff als ihre größten Konkurrenten, die Sparkassen. Pleister halbierte die Zahl der Zentralbanken, statt fünf gibt es nur noch zwei Rechenzentren. Die Anzahl der Mitgliedsbanken halbierte sich nahezu.

Die Kosten zu senken ist seit Jahren das beherrschende Thema bei den Genossen. Tatsächlich gibt es dort noch Potenzial. „Wir leisten uns zu viel Doppelarbeit“, sagt Peter Hanker, Chef der Volksbank Mittelhessen. Etwa bei der Riester-Rente: „Hierzu gab es Produktvorschläge der genossenschaftlichen R+V Versicherung, des Fondsanbieters Union Investment. Zudem haben einige Mitgliedsbanken eigene Produkte entwickelt – das sei nicht nötig“, sagt Hanker. Weiteres Sparpotenzial sieht der Banker bei den Mitgliedern: „Jede Bank hat eine eigene Abteilung für Revision, Produktentwicklung und Rechnungswesen. Die Arbeiten könnte man zusammenfassen.“

Doch durch mehr Effizienz lässt sich der Verlust von Marktanteilen nicht aufhalten. Besonders bei den Einlagen verlieren die Banken an Boden. Die meisten Genossenschaftsbanken erheben noch Kontoführungsgebühren, oft fehlt es auch an Tagesgeldprodukten mit einer Verzinsung von 3,9 Prozent pro Jahr und mehr, wie es viele Wettbewerber bieten.

Die WGZ Bank wollte mittels einer zentralen Direktbank-Plattform den Abwanderungstrend stoppen. Eine Internet-Seite sollte die Direktbank-Aktivitäten aller Volksbanken zusammenfassen und einfache Produkte wie Tagesgeld, Standardbaufinanzierungen oder Konsumentenkredite zu einheitlichen, günstigen Konditionen – bei der Konkurrenz längst Standard – anbieten. Doch das Projekt scheiterte. Zwar war nur eine Minderheit von einem Drittel der Mitglieder dagegen. Doch sind das viele für den Genossenschaftssektor. Stattdessen gehen die Volksbanker nun im Herbst mit einer abgespeckten Version an den Start, wobei jedes Institut seine eigene Direktbankseite nutzt oder sich mit Nachbar-Banken zusammenschließt und auch die Konditionen der Produkte selbst bestimmt.

Sitz der Berliner Volksbank Quelle: dpa

„Der große Wurf ist das nicht“, sagt ein Mitglied, das sich vom zentralen Modell viel versprochen hat. Auch Hessen-Banker Hanker bedauert das Scheitern. Langfristig hätten die Genossen ohnehin nicht die Möglichkeit, sich dem Direktbanking zu verschließen: „Wir müssen die Kunden halten. Wenn andere hohe Zinsen zahlen, müssen wir das auch.“

Die Manager der Berliner Volksbank haben versucht, sich gegen den Wind zu stellen. Während die meisten anderen Banken Filialen schließen, haben sie in den vergangenen zwei Jahren 19 neue eröffnet. Vorstandschef Holger Hatje berichtet stolz von 49.000 Neukunden, die sie dadurch gewonnen hätten.

Angaben über das Nettokundenwachstum verweigern die Berliner. Aus gutem Grund. Internen Unterlagen zufolge, die der WirtschaftsWoche vorliegen, hat die Bank zwischen Januar und November 2007 zwar 39.503 Privatkunden, ohne Vermögende und Verbundkunden, hinzugewonnen. Aber auch mehr als 30.000 verloren. Von der Berliner Volksbank heißt es zu den Zahlen in einer Stellungnahme, dass es sich dabei offensichtlich um eine „Teilmenge des Privatkundengeschäftes“ handele.

Aufgrund der schwachen Neukundenrate fehlt es der Berliner Volksbank an positiven Effekten auf der Ertragsseite. Dem Trend anderer Volksbanken entsprechend, fiel im vergangenen Jahr der Zinsertrag bei den Berlinern um sieben Prozent, genauso wie der Provisionsertrag. Hinzu kommt: Die Cost-Income-Ratio, die anzeigt, wie viel Geld eine Bank aufwenden muss, um einen Euro zu verdienen, stieg 2007 von 76 auf 79. Dabei wollte die Bank diese Zahl bis 2011 auf 66 senken. Daran „halten wir unverändert weiter fest“, heißt in einem Brief des Vorstands an die Mitarbeiter vom 28. Februar, der der WirtschaftsWoche vorliegt. Wie das gelingen soll, wird erst einige Monate später klar.

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Mitarbeiter der Berliner Volksbank erklären gegenüber der WirtschaftsWoche, dass in einem Brief an die Belegschaft im Mai mit Personalabbau gedroht werde. Für den Fall, dass Ertragsziele nicht erreicht würden, müsste über einschneidende Kosteneinsparungen zum Beispiel über betriebsbedingte Kündigungen oder Auslagerungen nachgedacht werden. „Über Drohungen die Mitarbeiter zu besseren Verkaufszahlen zu treiben“ sei „unmenschlich“, echauffiert sich ein Genossenschaftsbanker.

Von der Berliner Volksbank heißt es hierzu, dass es einen Beschäftigungspakt gebe, der betriebsbedingte Kündigungen bis 2011 ausschließe. Jedoch: Sollte „der dramatische Verfall von Margen und Entgelten für Dienstleistungen im Finanzsektor weiter anhalten“ und „die Marktanteile weiter erbittert umkämpft bleiben“, bestehe „die Notwendigkeit, rechtzeitig und vorausschauend über weitergehende Maßnahmen zur Sicherung von Beschäftigung nachzudenken.“

Gleichzeitig schlägt die Berliner Volksbank einen für Genossen zweifelhaften Weg ein. 2007 hat sie ihr Wertpapiergeschäft um fast 800 Millionen auf mehr als drei Milliarden Euro aufgebläht. Mit Erfolg. Der Ertrag der Bank aus Aktien und Ähnlichem verdoppelte sich im vergangenen Jahr. Mittlerweile verdient sie mehr Geld mit Wertpapieren als mit einer ihrer eigentlichen Kerngeschäfte, den Provisionen. Die Bank habe hier überschüssige Liquidität investiert, heißt es dazu von der Berliner Volksbank.

Die anderen Genossen beobachten das Treiben der Berliner kritisch. Jeder der im Eigenhandel überproportional hohe Gewinne erziele, müsse sich fragen, was er im eigentlichen Bankgeschäft falsch macht, sagt der Chef einer Volksbank. „Das Kerngeschäft der Genossenschaftsbanken ist das Kundengeschäft und nicht das Investmentbanking. Wenn sich das verschiebt, stellt sich die Frage nach der Existenzberechtigung“, sagt ein anderer.

Immerhin: Aus dem Geschäft mit faulen US-Hypothekenkrediten hat sich die Berliner Volksbank nach eigener Aussage herausgehalten

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