
Da hat SAP-Chef Léo Apotheker viele Marktbeobachter auf dem falschen Fuß erwischt: In den Tagen vor der heutigen Präsentation vorläufiger Zahlen fürs Geschäftsjahr 2009 erwarteten manche Analysten gar eine Gewinnwarnung von SAP.
Die heute vorgelegten Zahlen fürs abgelaufene Geschäftsjahr 2009 lagen dagegen über den Erwartungen des Marktes. Zwar schrumpften Umsatz und Software-Erlöse, jeddoch weniger stark als befürchtet.
Der Gesamtumsatz sank um acht Prozent auf knapp 10,7 Milliarden Euro; die wichtigen Software-Erlöse – weil sie später Messlatte für Wartungsumsätze sind – sackten um 28 Prozent auf 2,6 Milliarden Euro. Insbesondere im vierten Quartal konnte SAP den Schwund bei dieser Kennzahl stoppen: Sackten die Software-Umsätze in den ersten neun Monate noch um 35 Prozent, betrug der Rückgang im Schlussquartal „nur“ noch 16 Prozent. Besonders positiv entwickelte sich die Profitabilität: So stieg die operative Marge um 0,1 Prozentpunkte auf 24,7 Prozent.
Offenbar ist SAP also noch einmal mit einem blauen Auge durch die Krise gekommen, vor allem getrieben durch ein striktes Sparprogramm.
So hat Apotheker in den vergangenen Monaten 3700 Stellen gestrichen – der erste Stellenabbau in der Geschichte des Walldorfer Konzerns. Auch die Finanzmärkte teilten die positive Sicht; am Nachmittag legte die SAP-Aktie mit zwischenzeitlich mehr als drei Prozent zu und war so Spitzenreiter im Dax.
SAP zieht einen Schlussstrich unter den Wartungsstreit
Gleichzeitig macht Apotheker offenbar endlich ernst damit, wieder mehr auf die Wünsche seiner Kunden einzugehen.
In den vergangenen anderthalb Jahren sackte die Stimmung bei vielen SAP-Anwendern auf einen Tiefpunkt, weil SAP in mehreren Anläufen ein neues Wartungsmodell namens Enterprise Support einführte, das deutliche Preissteigerungen vorsah. Nach Gegenwehr von Kundenorganisationen musste Apotheker in bestimmten Details zurückrudern, blieb aber seiner grundsätzlichen Linie treu, möglichst alle Kunden auf Enterprise Support zu überführen.
Unter den anhaltenden Streit will er nun offenbar einen Schlussstrich ziehen: Ab sofort können alle Kunden weltweit zwischen dem Altmodell Standard Support sowie dem neuen Enterprise Support wählen.
Damit besteht aus SAP- und Finanzmarkt-Sicht zwar die Gefahr, dass die Wartungserlöse weniger stark steigen als ursprünglich geplant. Grund: Ein Kunde, der bei einem neuen Software-Vertrag für die Wartung bisher 22 Prozent bezahlen musste, weil er automatisch in das neue Modell kam, kann künftig auch Standard Support zu einem Pflegesatz von 18 Prozent wählen.
Auf den ersten Blick ist Apotheker damit vor den Kunden eingeknickt. Tatsächlich hat er aber die vielleicht letzte Gelegenheit ergriffen, den anhaltenden Wartungsstreit gesichtswahrend beizulegen und gleichzeitig den Kunden zu signalisieren: „Uns ist wichtig, dass ihr zufrieden seid.“
Dieses Gefühl ging vielen SAP-Kunden in den vergangenen Monaten ab – mehr noch: Immer mehr Unternehmen schauten sich ernsthaft nach Alternativen zu SAP um. Mit dem Schritt auf die Kunden zu hat Apotheker auch eine wichtige Grundlage dafür geschaffen, dass die Unternehmen in Zukunft auch wieder mehr SAP-Software kaufen.
Dazu bedarf es freilich auch guter neuer Produkte. Mit der Beilegung des Streits hat Apotheker überdies den Rücken frei, sich auf deren Entwicklung zu konzentrieren.