Solarstrom-Technik Wie SMA Solar Konkurrenz auf Distanz hält

Das hessische Paradeunternehmen hat im Gegensatz zu anderen deutschen Solarherstellern gute Chancen, den Angriff asiatischer Wettbewerber zu parieren. Wie machen sie das?

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Günther Cramer, Vorstand der Quelle: dpa/dpaweb

Das macht Günther Cramer, dem Chef und Mitgründer der Firma SMA Solar Technology in der nordhessischen Gemeinde Niestetal unweit von Kassel, zurzeit niemand nach.

Auf dem Firmenparkplatz, unweit des Flüsschens Fulda, hat er ein Super-Öko-gebäude bauen lassen, die brandneue SMA Solar Academy. Die sieben Millionen Euro teure Fortbildungsakademie steht auf Stelzen: Sie liegt im Überflutungsgebiet der Fulda – und sie ist Selbstversorger, verstromt sich ausschließlich mit erneuerbaren Energien aus Solaranlagen und einem biogasbetriebenen Blockheizkraftwerk. Vernetzt und gesteuert mit Wechselrichtern aus eigener Herstellung.

Und Cramer hat SMA in den vergangenen Jahren zum Weltmarktführer, Margen-Meister und Wirkungsgrad-Rekordhalter gemacht.

Der Anteil des Unternehmens am Weltmarkt für Wechselrichter liegt bei mehr als 40 Prozent. Die vier größten Verfolger, darunter auch Siemens, müssen sich mit knapp 30 Prozent bescheiden. Der Wechselrichter ist Herz und Hirn jeder Solaranlage. Der unscheinbare Metallkasten mit seinen Mikroprozessoren und der Rechenleistung eines Notebooks wandelt in Solarzellen gewonnenen Gleich- in haushaltsüblichen Wechselstrom.

Beunruhigende Entdeckung

Im vergangenen Jahr steigerte SMA mit seinen weltweit gut 4000 Mitarbeitern den Umsatz um fast 40 Prozent auf 934 Millionen Euro. Und in den ersten neun Monaten dieses Jahres ging es ähnlich rasant weiter: Die Erlöse und das Ergebnis vor Zinsen und Steuern verdreifachten sich gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Das ergibt eine Marge von 29 Prozent und im Schnitt einen Vorsteuergewinn von rund 1,5 Millionen Euro pro Tag. Die Umsatzprognose für das laufende Geschäftsjahr hat Cramer schon zweimal erhöht. Letzter Stand: bis zu 1,9 Milliarden Euro.

Doch macht vielleicht bald jemand das alles nach? Droht dem Vorzeigeunternehmen, das Cramer 1981 mit drei Studienkollegen gründete und Mitte 2008 an die Börse brachte, möglicherweise bald ein ähnliches Schicksal wie Q-Cells? Der einst weltgrößte Solarzellenhersteller aus der Nähe von Leipzig schrumpfte auf weniger als ein Zwanzigstel seines Börsenwertes und fuhr im vergangenen Jahr bei 800 Millionen Euro Umsatz 1,4 Milliarden Euro Verlust ein, weil immer mehr Firmen aus China Solarzellen preiswerter produzieren als viele deutsche Hersteller.

Experten der Fachzeitschrift „Photon“ jedenfalls machten unlängst eine beunruhigende Entdeckung. Sie schraubten ein Konkurrenzprodukt, den Wechselrichter Soleaf des koreanischen Herstellers Dasstech, auseinander und stellten verblüfft fest: „Das ganze Gerät ist augenscheinlich bis ins Detail auf günstige Produktionskosten ausgelegt.“ Die Materialkosten lägen bei rund fünf Cent je Watt gegenüber elf Cent bei SMA, seien also weniger als halb so hoch. Spätestens wenn der Preisdruck von den Solarzellenherstellern auf die Wechselrichterhersteller überspringe, drohe SMA Schlimmes .

Doch Cramer ist überzeugt, dem Angriff aus Asien trotzen zu können. „Das Gesamtpaket kann kein Wettbewerber bieten“, sagt Cramer. Davon seien die asiatischen Wettbewerber noch meilenweit entfernt. Diese Einschätzung teilen zwar viele Branchenbeobachter. So sagt Lars Dannenberg, Solaranalyst der Hamburger Berenberg Bank, SMA eine weiterhin gute Entwicklung voraus, auch wenn die Erträge infolge des zunehmenden Wettbewerbsdrucks sänken.

Robuste Stellung

Aber es gibt auch einige warnende Stimmen. Dem Weltmarktführer aus Niestetal stünden schwierige Zeiten bevor, attestiert WestLB-Analyst Peter Wirtz. Auch wenn das Unternehmen die internationalen Aktivitäten vor allem in Asien ausbaue, werde es schwer, die Rückgänge auf dem deutschen Solarmarkt zu kompensieren. Zudem gebe es derzeit nur eine geringe Berechenbarkeit der Wechselrichterpreise für die kommenden Jahre.

Dabei hat sich SMA nach den Erfahrungen der gepeinigten Zellenproduzenten einiges einfallen lassen, um die absehbaren Angriffe aus Fernost zu parieren. So haben die Nordhessen eine Vertriebsmacht aufgebaut, die weltweit ihresgleichen sucht. Kein Hersteller bietet den Kunden ein solches Rundum-sorglos-Paket. Mehr als 1000 Vertriebs- und Servicemitarbeiter arbeiten in 15 Ländern für SMA Solar.

Offenkundig gelingt es dem Unternehmen dadurch, den Wechselrichter stets zusammen mit einer Dienstleistung oder einem ergänzenden Produkt zu verkaufen, wie etwa Software, Überwachungsgeräte oder Backup-Systeme, die bei Stromausfall die Solaranlage auf Inselstromversorgung umschalten.

Riesige Schwankungen

Die ohnehin guten Beziehungen zu den Fachleuten, die die Solaranlagen samt Wechselrichter planen und beim Verbraucher installieren, sollen durch die neue Schulungsakademie noch intensiviert werden. Bis zu 15 000 Handwerker, Elektrofachkräfte, Anlagenplaner, Architekten und Vertriebsmitarbeiter sollen im kommenden Jahr in Niestetal geschult werden.

Voraussetzung für den Erfolg dieser Strategie sind allerdings die Qualität und die Leistungsfähigkeit der Produkte. Und da ist SMA nachweislich Spitze. In Tests kommen die knallroten oder knatschgelben Blechkästen aus der hessischen High-Tech-Schmiede auf den höchsten bislang gemessenen Wirkungsgrad von 98,7 Prozent. Der Wirkungsgrad gibt an, wie viel Prozent des gewonnenen Solarstroms nach Umwandlung in Wechselstrom letztlich in das Stromnetz eingespeist wird.

Einen großen Wettbewerbsvorteil bildet auch die Produktpalette, die vom Wechselrichter für kleinste Dachanlagen bis zum industriellen Solarpark, von netzgekoppelten bis zu netzunabhängigen Lösungen reicht.

Gleichzeitig sind die betrieblichen Ab-läufe bei SMA auf dem modernsten Stand. Das Unternehmen produziert nichts auf Lager. „Wir konnten und können die Marktentwicklung nicht seriös einschätzen, daher setzen wir auf hoch flexible Produktion“, sagt Vorstandschef Cramer. So schwankten die Bestellungen von Wechselrichtern für 243 Megawatt im ersten Quartal 2009 bis zu Wechselrichtern für mehr als 1400 Megawatt im vierten Quartal – eine Differenz von fast 500 Prozent. Um das Auf und Ab zu bewältigen, setzt SMA massenhaft Leiharbeitskräfte ein. In der Spitze wird die Stammbelegschaft von 4000 Mitarbeitern auf diese Weise um rund 2000 Betriebsfremde aufgerüstet. Allerdings würden diese, sagt Cramer, wie die fest Angestellten nach Tarif bezahlt und am Unternehmenserfolg finanziell beteiligt. Neueinstellungen rekrutiere SMA in erster Linie aus den Reihen der Zeitarbeiter.

Auch wenn die asiatische Konkurrenz aufholt: Noch beißt sie sich an der Hochtechnologie made in Niestetal die Zähne aus. Der Wirkungsgrad des koreanischen Konkurrenzproduktes Soleaf, konstatierten die Experten von „Photon“, sei allenfalls mittelprächtig, und auch sonst -steckten noch einige Kinderkrankheiten in dem Gerät. An denen offenbar mit Hochdruck gearbeitet wurde. „Wir führen gerade Messungen an einem ganz aktu-ell gekauften Dasstech-Wechselrichter durch, und diese sind viel besser ausgefallen als die bisherigen“, sagt ein „Photon“-Sprecher.

Herz und Hirn jeder Anlage

Vor Preisattacken aus Fernost fürchtet sich SMA-Chef Cramer wenig – selbst wenn 2012 die Förderung der Solarenergie in Deutschland kräftig gekürzt wird und damit der Druck auf die Hersteller massiv zunehmen sollte. Denn anders als bei den Solarzellenherstellern ist bei SMA die chinesische Gefahr im Unternehmensalltag frühzeitig angekommen. „In den kommenden fünf Jahren werden wir die Kosten für die Wechselrichter nochmals um die Hälfte senken“, sagt Cramer. Und das, nachdem die Kosten für die SMA-Wechselrichter bereits seit 1990 von 1,10 Euro pro Watt auf rund 30 Cent gesunken und der Wirkungsgrad von 90 auf fast 99 Prozent gestiegen ist.

Der 58-jährige Diplom-Elektroingenieur weiß, dass sich SMA nicht auf solchen Erfolgen ausruhen kann. „Um diesen Vorsprung zu halten oder sogar auszubauen“, sagt Cramer, „ beschäftigen wir inzwischen mehr als 600 Ingenieure und werden allein in diesem Jahr über 80 Millionen Euro nur in Forschung und Entwicklung investieren.“

Und ebenso hat Cramer erkannt, dass er sich auf Dauer umorientieren muss. Noch ist Deutschland der größte Markt für Fotovoltaikanlagen, die direkt Strom aus Solarzellen erzeugen. Doch die Wachablösung ist in Sicht. „Die USA werden Deutschland in drei, vier Jahren ablösen“, sagt der SMA-Chef. Deshalb startete er im Juni in Denver, im US-Bundesstaat Colorado, die Fertigung im ersten Auslandsmarkt. Weitere Werke außerhalb Deutschlands sollen folgen, etwa im kommenden Jahr in Ontario in Kanada. Im indischen Mumbai soll bis Ende des Jahres eine Vertriebs- und Serviceniederlassung eröffnen.

Die fortschreitende Internationalisierung wird Cramer als aktiver SMA-Chef nicht mehr erleben. Mitte 2011, nach 30 Jahren, ist Schluss. Die Voraussetzungen für die Unabhängigkeit hat SMA vor wenigen Wochen geschaffen. Cramer und seine drei Mitgründer und Hauptaktionäre übertrugen einen Teil ihrer Aktien innerhalb der Familien an die nächste Generation. Die Aktien sind mindestens sieben Jahre in einem Poolvertrag gebündelt. Cramer und seine Weggefährten halten selbst noch rund 48 Prozent.

Cramer wird nach dem Ausscheiden voraussichtlich in den Aufsichtsrat wechseln und mehr Zeit haben fürs Private. Ganz ohne Solartechnik wird er aber nicht auskommen. Cramer wohnt in einem Haus in einer Kasseler Ökosiedlung – nur mit Gras auf dem Dach, keine hässlichen Solarmodule. Um trotzdem Sonnenstrom zu produzieren, baute er sich ein Gartenhäuschen mit einer Mini-Solaranlage auf dem Dach. „So ganz ohne“, sagt er, „ habe ich es dann doch nicht ausgehalten.“

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