
Peer Steinbrück und Hartmut Mehdorn hatten eine Vereinbarung. Der ehemalige Bundesfinanzminister und der Ex-Chef der Deutschen Bahn einigten sich mündlich auf die Ausschüttung von 500 Millionen Euro, die der Bahnriese an den Staat abgeben sollte - jährlich und auf Dauer. Dass es dazu nicht mehr kam, ist Teil ihrer persönlichen Lebensgeschichte: SPD-Mann Steinbrück hat es 2009 nicht mehr in die neue Regierung geschafft und Mehdorn hat seinen alten Job wegen der Datenaffäre schon vor mehr als einem Jahr aufgeben müssen. Die wenigsten wissen von dem geheimen Deal. Doch der Plan überlebt ihr Karriereende auch so. 500 Millionen Euro soll die Deutsche Bahn künftig als Dividende ausschütten - als Teil des Sparpakets. Der Logistikonzern kann es sich leisten: Im Krisenjahr 2009 erwirtschaftete das Unternehmen noch einen Gewinn in Höhe von 830 Millionen Euro. Auf den ersten Blick klingt das also vernünftig. Doch wenn man weiter denkt, ist die Entscheidung der Bundesregierung ein Zeichen für Planlosigkeit. Jedes Jahr investiert der Bund rund sieben Milliarden Euro in den öffentlichen Personennahverkehr. Das Geld fließt an die Länder und Verkehrsverbünde, die widerum bei den Eisenbahnen in Deutschland wie der Deutschen-Bahn-Tochter DB Regio, der SNCF-Tochter Keolis oder den Konkurrenten Abellio und Veolia S-Bahn-, Regionalexpress- und Regionalbahnverkehr bestellen. Noch immer ist die Bahn-Tochter DB Regio unangefochter Marktführer im Schienenpersonennahverkehr (SPNV). Nahezu 90 Prozent der gefahrenen Personenkilometer im Nahverkehr übernimmt die Deutsche Bahn und daraus speist sich vor allem der erhebliche Gewinn des Konzerns. Der operative Gewinn lag 2009 bei 870 Millionen Euro. Nun holt sich die Bundesregierung also über Umwege 500 Millionen ihrer sieben Milliarden Euro wieder zurück. Sie hätte es einfacher haben können, indem sie die Regionalisierungsmittel stutzt. Das Gute daran: Den Monopolisten trifft es härter als ihre meist finanzschwachen Konkurrenten.
Eisenbahnregulierung muss gestärkt werden
Doch die Entscheidung birgt zwei gewaltige Risiken: Möglicherweise könnte sich die Politik gezwungen fühlen, im Gegenzug für den üppigen und regelmäßigen Geldsegen, der Deutschen Bahn an anderer Stelle entgegen zu kommen: bei der Regulierung. Das wäre fatal.
Noch immer steht Deutschland bei der Eisenbahnregulierung am Anfang ihrer Entwicklung. Selbst wenn es in anderen Ländern wie Frankreich noch düsterer ausschaut, ist die Situation in Deutschland alles andere als ein gut funktionierender Wettbewerbsmarkt. Die Politik darf bei der Regulierung also nicht nachlassen, sondern muss weiter Maßstäbe setzen - im Sinne des Fahrgastes.
Das zweite Risiko: Die Deutsche Bahn könnte sich gezwungen fühlen, das verlorene Geld an andererer Stelle zurück zu holen - beim Steuerzahler. Wie das funktionieren könnte, zeigt etwa das Beispiel Tübingen.
Die Bahn-Tochter DB Station & Service verlangt für einfahrende Züge in den Hauptbahnhof Tübingen Entgelte, so wie sie es an jedem Bahnhof macht. Weil seit diesem Jahr ein einziger Intercity pro Tag (morgens und abends) in den Bahnhof ein- und abfährt, haben die Bahnmanager den Bahnhof von einem Regionalbahnhof zu einem Fernbahnhof aufgewertet. Die Folge: Alle Züge, also auch alle S-Bahn- und Regionalexpress-Züge, müssen dadurch höhere Gebühren für die Einfahrt zahlen, nämlich 6,43 Euro pro Halt statt 1,68 Euro pro Zug ein Jahr zuvor.
Dem Land Baden-Württemberg entstehen dadurch Mehrkosten in Höhe von 280.000 Euro. Denn das Land übernimmt per Vertrag die Stationsentgelte der von ihr beauftragten Regionalverkehre. Gleiches gilt für den Ort Nürtingen, so dass das Land Baden-Württemberg am Jahresende 400.000 Euro mehr an die Deutsche Bahn zahlt.Möglicherweise sieht die Deutsche Bahn die Entscheidung der Bundesregierung deshalb vergleichsweise gelassen. Sie hat einige Stellschrauben, die Einnahmesituation zu verbessern. Am Ende könnte der Steuerzahler zur Kasse gebeten werden: über die von ihm finanzierten Regionalisierungsmittel.