Spitzengastronomie Dank Businessplan zum Michelin-Stern

Lässt sich ein Michelin-Stern unternehmerisch planen? Das Restaurant Wilder Ritter in Durbach folgte seinem Businessplan und hatte Erfolg. Innerhalb von nur zwei Jahren schaffte es der Wilde Ritter auf die exklusive Liste der 198 ausgezeichnteten Restaurants.

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Müller, Baur, Weber vom Wilden Ritter Quelle: Robertino Nikolic für WirtschaftsWoche

Es ist Dienstag, der 10. November, 16.33 Uhr, als Dominic Müller erfährt, dass sein Businessplan zu einem guten Teil aufgegangen ist. Die Deutsche Presseagentur hat gerade eine Zusammenfassung der Ergebnisse des Guide Michelin veröffentlicht, jenes berühmten Gourmetführers, dessen Sternen die Köche hinterjagen. Ein Lokaljournalist sichtet die Listen und ruft bei Müller an. Der hört so einen Tag vor der offiziellen Veröffentlichung des Führers, wovon er bei Eröffnung des Restaurants Wilder Ritter im März 2008 geträumt hat: Der Michelin verleiht dem jungen Durbacher Restaurant einen Stern.

Es ist der einzige, der in der Ortenau in der Nähe von Offenburg strahlt. 198 Restaurants in Deutschland tragen diese Auszeichnung, 18 gleich zwei und lediglich neun sogar drei der an Blumen erinnernden Symbole (siehe Tabelle Seite 2). 23 Restaurants erhalten erstmals einen Stern, der Wilde Ritter ist einer davon. Und das gleich im zweiten Jahr seines Bestehens.

Anvisiert hat Müller diesen Augenblick schon Ende 2007. Festgehalten auf Schreibmaschinenpapier, aufwendig gebunden in rotem Leinen mit dem silbern eingedruckten Wort „Businessplan“ darauf. 94 Seiten mit Anhang, die mit Marktanalyse, Kostenvoranschlägen der Inneneinrichter den Kauf, die Sanierung und die Verwandlung des Hotels Ritter in Durbach detailliert skizzierten. Auf Seite 59 unter Punkt 7.6.3.1. steht ein zentrales Standbein – Müllers Vision für das Gourmet-restaurant Wilder Ritter notiert: modern, aber gemütlich, kreative Küche – ein „zeitgemäßer Gourmettempel, der einen Kontrast bieten soll zur traditionellen Gastronomie des Schwarzwaldes“.

Mit Plan zum Erfolg

Für jeden Bereich des Hotels hat Müller spezifiziert, was genau passieren soll, vom großzügigen Spa über die Tagungsräume in einer ehemaligen Garage bis hin zum Oldtimerbus, in dem Gäste konferieren oder feiern können. Das Restaurant erfüllt eine besondere Aufgabe: „Die Strahlkraft eines Michelin-Sterns überträgt sich auf alle Bereiche des Hauses und hilft enorm beim Marketing.“ An sechs Banken hat er den Plan geschickt. „Sie hätten alle mitgemacht.“

Der gelernte Gastronom Müller kaufte das Durbacher Hotel Ritter im -Januar 2008 und begann, alles zu sanieren und renovieren, vom Heizkessel bis zu der Fassade des Anbaus aus den Siebzigerjahren – bis auf die Gaststube, in der in den Neunzigerjahren Wilhelm Brunner bereits zwei Michelin-Sterne er-kocht hatte. An diese Zeit erinnern die Autogrammkarten von teils längst verstorbenen Stars der Unterhaltungsbranche, die Müller in der Lobby wieder aufhängen ließ. Auch sonst wollte Müller nicht die Vergangenheit des Hauses verbergen. In der Bierstube Ritter Keller hängen Schwarz-Weiß-Bilder der früheren Eigentümerfamilie, das alte Tapetenmuster der Hotelzimmer ließ Müller scannen und verfremdet auf Bilder drucken, die in den 47 Zimmern und 13 Suiten hängen.

Ein neues Kapitel der ruhmreichen Gourmetvergangenheit soll nun der Koch Christian Baur aufschlagen. Der gebürtige Allgäuer hatte schon 2004 in Mersburg einen Michelin-Stern erkocht, den er vier Jahre hielt, bevor er des Saisongeschäfts am Bodensee müde wurde. Ein Jahr arbeitete er im Schlosshotel Kronberg im Taunus und zuletzt als Küchenchef im Hotel Zum Krug in Hattenheim im Rheingau.

Deutschland Beste Restaurants 2009 Quelle: WirtschaftsWoche

Seine Zukunft in Durbach sah Baur zunächst nur auf dem Laptop in Gestalt von Animationen der künftigen Einrichtung. Skeptisch war er dennoch nicht. „Müllers Art hat mich fasziniert“, sagt Baur über seinen Chef, der Menschen begeistern kann. Müller ist freundlich und freundschaftlich im Tonfall, aber forsch in der Sache. Mit Müllers klaren Zielen konnte Baur sich sofort anfreunden: Im Hotel Ritter sollte Baur verantwortlich sein für das Gourmetrestaurant, die Speisen der bürgerlichen Ritter Stube und des legeren Ritter Kellers. „Für drei Restaurants verantwortlich zu sein reizte mich. Aber ich wollte auch wieder die Bestätigung eines Sterns“, sagt Baur.

Die Tester erwarten dafür handwerkliche Zubereitung, Fertigprodukte sind tabu, Fleisch, Fisch oder Gemüse müssen überdurchschnittliche Qualität haben, die Basisfonds für die Saucen selbstverständlich selbst gekocht. Und der Koch soll nicht bekannte Rezepte gut kochen, sondern eine eigene Handschrift entwickeln – gerne auf Basis der französischen Küche. Baur hat mittlerweile eine Datenbank von 350 selbst entwickelten Rezepten in seinem Computer.

Revolution auf Tellern

Und rechnen können muss Baur auch. „Das Gourmetrestaurant muss auch für sich schwarze Zahlen schreiben“, sagt Müller. Nicht zuletzt deshalb schwärmt er von Baurs „Pochiertem bretonischem Lammrücken auf Schneckenporridge“ ebenso wie von der erreichten Kennziffer Wareneinsatz: 31 Prozent des Preises eines Gerichts verwendet Baur im Schnitt für den Einkauf der Zutaten. Bis zu 50 Prozent seien es anderswo in der Spitzengastronomie, weiß Müller, der monatlich mit Baur und den anderen Abteilungsleitern ihre Kennzahlen bespricht. Klassisches Controlling statt ungehemmter Kreativität heißt die Devise.

Die Zahlen darf auch Sommelier Ronny Weber nicht aus den Augen verlieren beim Einkauf der Weine für das Restaurant. Er verantwortet den Weinkeller des Hauses und plant bereits den nächsten Ausbau im Hotel Ritter – eine Weinhandlung in einem benachbarten Felsenkeller. Bis dahin ist vor allem seine Aufgabe, den neu gewonnenen Stern auch im Service weiter leuchten zu lassen. Nichts ist gefährlicher, als bei vollem Restaurant an die Grenzen zu kommen und so Gäste zu enttäuschen. So hat sich das Trio darauf geeinigt, auch mal einige Tische nicht zu besetzen. „Wenn alle Gäste zur gleichen Zeit reservieren, können Küche und Service kaum das Niveau halten, das wir anstreben“, sagt Weber. Auch deshalb nimmt das Küchenteam des Gourmetrestaurants gleichzeitig Urlaub, mittags und zwei Tage die Woche ist der Wilde Ritter geschlossen. Den Stern zu verlieren wäre eine Imagekatastrophe. „Dann könnte man das Restaurant im Prinzip wieder dichtmachen“, sagt Müller.

An Christian Baur liegt es nun, seine Kreativität zu pflegen. Alle zwei Monate kommt ein neues Menü heraus. Modern und weltoffen soll die Küche sein, klassisches Küchenhandwerk das Fundament bilden. Klassiker werden neu interpretiert und mit überraschenden Elementen aufgefrischt. „Auf dem Teller gibt es immer nur eine kleine Revolution“, sagt Baur. Große Aromenexperimente lehnt er ab, aber sprachlich darf seine Küche schon mal außergewöhnlich daherkommen: „Kaninchen trifft Möhre“ oder „Wild-Wechsel“ heißen dann die Gerichte.

Wohin die Reise geht, weiß Baur hingegen schon lange – seit er den Businessplan von Dominic Müller gelesen hat. Dort hat Baur es schwarz auf weiß: „Der Wilde Ritter steht für leichte, kreative und innovative Bioküche auf angestrebtem 2-Sterne-Niveau (Michelin) (...).“ Und bislang ist für Müller und seine Mitstreiter alles nach Plan verlaufen.

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