Sportartikel Unmenschliche Zustände bei chinesischem Zulieferer von Puma

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Tatsächlich ist Puma über die Verhältnisse bei Dongguan Surpassing informiert: Mit den Vorwürfen konfrontiert, räumt das Unternehmen gegenüber der WirtschaftsWoche ein, es gebe „Verbesserungsbedarf“ in der Fabrik. Bereits bei einer Betriebsrevision im Februar und einem unangekündigten weiteren Besuch im Mai seien Probleme festgestellt worden. Einige Verbesserungen seien seit dem ersten Besuch erzielt worden. So müssten Arbeiter nicht länger selber die Kosten einer Gesundheitsuntersuchung vor der Einstellung zahlen – zumindest nicht, solange sie anschließend eingestellt werden. Weitere Verbesserungen seien im Rahmen eines Korrekturplans in Arbeit. Dafür seien zwei neue Mitarbeiter in der Fabrik eingestellt worden, die sicherstellen sollen, dass die Standards des Puma-Verhaltenskodex eingehalten würden.

Früher hat Dongguan Surpassing auch für Konkurrenten wie Adidas, Reebok, Converse und L.A. Gear gearbeitet. Inzwischen jedoch lebt die Fabrik fast ausschließlich von Puma-Aufträgen. In den Sommermonaten, wenn die Produktion für die Weihnachtssaison auf Hochtouren läuft, arbeiten hier laut CLW rund 10 000 Menschen, in den Wintermonaten fährt das Management die Belegschaft auf rund 6000 Mitarbeiter herunter. Ein gängiges Modell in der Branche. Fast zwei Drittel der Arbeiter sind Frauen. Viele Fabriken in China, vor allem in der Schuh- und Textilindustrie, bevorzugen Frauen; sie seien „geschickter mit den Fingern“ und machten meist „weniger Ärger als Männer“, so der Direktor einer anderen taiwanischen Fabrik in China, die für einen Puma-Konkurrenten arbeitet.

Zu den Hauptvorwürfen, die CLW in seinem Puma-Dossier auflistet, gehören exzessive Überstunden in der Fabrik von Dongguan Surpassing. Laut Arbeitsvertrag, so CLW, liege die wöchentliche Arbeitszeit bei 40 Stunden in der Woche, der Samstag und der Sonntag sind frei. In der Praxis jedoch säßen die Arbeiter bis zu 70 Stunden pro Woche an den Nähmaschinen und Schneidetischen. Nach dem offiziellen Ende des Arbeitstags gebe es nur eine kurze Pause, „und um kurz vor sechs geht es weiter“, sagt Arbeiterin Wang. Meistens werde dann noch bis nach 21 Uhr gearbeitet.

Mitunter, wenn Aufträge schnell erledigt werden müssten, ließen die Chefs die Nacht durcharbeiten. Die meisten Mitarbeiter müssten zudem am Samstag antreten. Wer sich weigere, den bestrafe das Management unbarmherzig. Wer sich bei Überstunden dreimal verweigere, verliere seinen Job und müsse eine Geldstrafe von 43 US-Dollar zahlen, kritisiert der CLW-Bericht. Reiner Hengstmann, bei Puma weltweit für die Umsetzung der Umwelt- und Sozialstandards zuständig, sagt: „Es gibt bei Dongguan Surpassing keine erzwungenen Überstunden.“ Die Behauptung sei nicht nachvollziehbar. Geleistete Überstunden würden auch vergütet.

CLW hält dagegen, zwar bezahle das Unternehmen den Arbeitern die Überstunden. Doch wisse kaum jemand von ihnen, wie viel. Wangs Lohnabrechnung weist neben dem Grundlohn von umgerechnet knapp 70 Euro noch einmal gut 30 Euro für Überstunden aus. Doch wie viele Stunden sie dafür gearbeitet hat, lasse sich nicht ablesen. Wer versuche nachzufragen, den wiesen die Vorgesetzten brüsk ab. „Wir trauen uns nicht mehr, auch nur irgendetwas zu fragen“, sagt Zhang Ye*, einer von Wangs Kollegen in der Fabrik. Zhang gibt sein Alter mit 20 an. Doch mit seinen schmalen Armen und dem dünnen Flaum über der Oberlippe wirkt er bestenfalls wie 16, die gesetzliche untere Altersgrenze für Arbeiter. Es gebe in dem Betrieb zwar eine Arbeitnehmervertretung, erzählt der junge Mann, doch die kümmere sich nicht um die Belange der Arbeiter, sie „steht auf der Seite des Managements“. Er kenne zwar den Boss der Arbeitnehmervertretung, doch der spreche nicht mit den Arbeitern.

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