Stahlindustrie Dreikampf um den Chefposten bei ThyssenKrupp

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Edwin Eichler ist Mitglied des Quelle: AP

Berliens Stolpersteine: Der Marineschiffbau ist stark verquickt mit internationaler Politik und Marinekadern, wo immer regierungsamtlich Kriegsschiffe bestellt werden. Forderungsausfälle in dreistelliger Millionenhöhe bei der griechischen Regierung, die ihre Schiffe nicht bezahlt, müssen bereits verkraftet werden.

Der Bau von Containerschiffen stockt in der Krise, auch hier werden Raten nicht bezahlt. Baustopps von drei Neubauten in Kiel und Emden waren bisher die Folge. Der Containerschiffbau soll verkauft werden – doch an wen? Es gibt niemanden, der zur Zeit des darniederliegenden Welthandels Schiffe bestellt, schon gar nicht im Hochlohngebiet Deutschland. Aber selbst wenn ihm der Verkauf des Containerschiffbaus gelingt, punkten kann er mit dem Randthema im Revier nicht, es taugt nicht für ein Leistungsabzeichen von Beitz oder Cromme.

Konkurrent Eichler muss sich an angsteinflößenderen Herausforderungen abarbeiten. Es gilt, Stahl und Nirosta-Edelstahl schnellstens aus der Verlustzone herauszuhieven. Wie macht das ein gelernter Informatiker, der in einer Kaserne im bayrischen Neubiberg studiert und es in zwölf Jahren zum Major gebracht hat?

Eichler wurde von Cromme und Beitz eigentlich mit einer „mission impossible“, einem unerfüllbaren Auftrag, bedacht. Zwei Hochöfen stehen in den Stahlwerken Duisburg still, die neuen Stahlwerke in den USA und in Brasilien, die noch nicht fertig sind, braucht der Weltmarkt nicht mehr. „Einmotten“ fordern die Arbeitnehmervertreter, denen die Übersee-Jobs wurscht sind. Dass das Brasilien-Werk dreimal so teuer ausgefallen ist und nun an die fünf Milliarden Euro kostet, ist schon kein Aufreger mehr im Vorstand.

Kandidat Eichler: Sinn für Visionen

Eichler muss es auch mit den gebeutelten Automobilherstellern aufnehmen. Die Autokonzerne wollen noch im Juni gewaltige Preisnachlässe bei ThyssenKrupp durchsetzen und befinden sich gerade in harten Verhandlungen. Gleichzeitig liegen die Rohstoffeinkäufer im Preispoker mit den Erzlieferanten dieser Welt. 50 bis 60 Prozent Preisnachlass traut sich Eichler da zu. 20 Prozent will er notgedrungen bei den Autoherstellern nachgeben. Dazwischen liegt finanzieller Spielraum – abzüglich eingesparter Löhne bei Kurzarbeit und Freisetzungen von 2.000 Kruppianern könnte er dann bald nach oben melden, dass der Himmel für ThyssenKrupp wieder lacht.

Eichler hat Sinn für Visionen. Nach seiner Offizierszeit heuerte er bei Bertelsmann an, brachte es zum Druckereichef (heute Arvato) in Gütersloh und rückte in den Vorstand des Medienkonzerns auf, von dem ein Ruhrgebietsmanager sagt, dass er in den Achtziger- und Neunzigerjahren so etwas wie ein Harvard-Studium ersetzt habe.

Manager, die in Bertelsmann-Diensten waren, gelten bei ThyssenKrupp als Open-minded, als eine Art Freidenker mit Freifahrtschein in den Visionshimmel, der nicht immer Erfolg garantiert – auch bei Bertelsmann klemmt es zurzeit gewaltig. Das hat dem Image nicht geschadet. Bertelsmänner denken in Netzwerken, Szenarien und gelten als führungsstark, weil sie alle Reinhard Mohns Mitarbeiterfibel gelesen haben, in der Partnerschaft und Ähnliches, was sich zur Durchsetzung seines Willens gut gebrauchen lässt, gepredigt wird.

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