Starbucks Verschwundene Romantik bei US-Kaffeehauskette

Seite 2/3

Starbucks traf den Zeitgeist. Viele der Shops sind mit kleinen Bistrotischen und bequemen Sesseln ausgestattet. Es soll „ein Rückzugsraum sein, eine private Ecke zwischen Arbeit und dem Zuhause, ein sicherer Ort, gemacht nur für dich“. Allerdings sind besonders in der Nähe von Universitäten die Plätze oft von Studenten blockiert, die sich für Stunden an ihrem Laptop und einem Latte Macchiato festhalten. Viele Starbucks-Cafés bieten einen drahtlosen Internetzugang. Wie es mit der angestrebten Kaffeehausatmosphäre zusammenpasst, dass von den in 2007 rund 1000 in den USA neu zu eröffnenden Cafés etwa 60 Prozent Drive-Through-Einheiten sein sollen, ist allerdings unklar. Auch Automaten, die heiße Getränke ausgeben sollen, widersprechen diesem Gedanken. Neben abgepacktem Kaffee für den Hausgebrauch können die Kunden in den Läden Kaffeetassen, Bücher, Spiele, die „New York Times“ und CDs kaufen. Vor allem das Musikgeschäft scheint Schultz am Herzen zu liegen. In Santa Monica in Kalifornien und im texanischen San Antonio können sich Musikfans in den Starbucks Hear Music Coffeehouses aus einer digitalen Musik-Bibliothek ihre eigenen CDs brennen. Ein Satellitenradiosender spielt Starbucks-Musik, eine von Starbucks mitherausgegebene CD mit Ray Charles schaffte es sogar bis auf die Nummer zwei der US-Charts. Die Renditen solcher Zusatzgeschäfte sind im Vergleich zu denen, die mit dem Verkauf von Kaffeegetränken zu erzielen sind, aber eher lau. Das gilt auch für die Experimente, die Starbucks in den USA zurzeit mit warmem Frühstück macht. Wenn sich Starbucks heute über etwas Sorgen machen muss, dann sind es vor allem die Schlangen vor den Tresen, besonders zu Stoßzeiten. Etwa morgens um neun in Las Vegas: In der Ecke des Pyramiden-Hotels Luxor hat sich neben klimpernden einarmigen Banditen eine Menschenschlange gebildet. Es dauert mehr als eine Viertelstunde bis Kaffeedurstige sich durch die Reihe der rund 20 Wartenden bis an den Tresen des kleinen Starbucks-Cafés vorgezuckelt haben. Oder mittags im World Financial Center in New York: Investmentbanker und Händler von der Warenterminbörse plaudern vor dem Starbucks-Laden, wo sie für einen Kaffee nach dem Lunch anstehen. Die fünf Grünschürzen hinter dem Tresen arbeiten fieberhaft, doch sie können den Andrang kaum bewältigen. Es dauert bis zu zehn Minuten, bevor die Banker ihren Wunsch loswerden. Bei jeder Bank würde man zetern, wenn lange Schlangen zum Warten zwingen, die Starbucks-Kunden nehmen es gelassen in Kauf. Dabei will Starbucks jeden Kunden in drei Minuten oder schneller bedienen. Weniger als 60 Prozent der Läden in den USA schaffen diese Marke im Schnitt.

Edlere Ketten wie Panera Bread oder Le Pain Quotidien haben in den USA, was die Wohlfühlatmosphäre betrifft, Starbucks längst übertroffen. Dort gibt es den Kaffee sogar in Porzellantassen. Und von unten locken Burger King, Dunkin’ Donuts und Au bon Pain preissensiblere Kundschaft mit einem verbesserten Angebot. McDonald’s ist mit seinem neuen Frühstücksangebot und dem McCafé sehr erfolgreich. Der US-Getränkekonzern Coca-Cola, der den Trend zu eisgekühlten Kaffeefertiggetränken total verschlafen hat, verbündete sich mit der Kaffee-Shop-Kette Caribou Coffee, um eine Aufholjagd zu starten. Das alles beunruhigt Starbucks-Chairman Schultz. Viele Wettbewerber hätten bereits ehemalige Starbucks-Kunden weggelockt, schreibt er in seinem Memo, „das muss aufhören“. Eine Garantie für eine Fortsetzung des Durchmarschs der vergangenen Dekade gibt es für Starbucks deshalb nicht. Seit Ende der Neunzigerjahre hat sich das Umsatzwachstum bereits halbiert. Auch das Gewinnwachstum lässt tendenziell bereits nach, die Kosten steigen schneller als die Umsätze, logischerweise lässt das die Margen schrumpfen. Ein Frühwarnsignal für die Aktionäre? Die Aktie ist bereits luftig bewertet. Das weiß auch Schultz, der selbst noch rund 2,3 Prozent der Anteile hält. Der Umsatz soll in den nächsten Jahren um jeweils rund 20 Prozent steigen, der Gewinn pro Aktie sogar um 20 bis 25 Prozent. Das ist ambitioniert und müsste die Aktionäre bereits heute nervös machen. Denn ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 40 lässt sich selbst mit solchen Wachstumsraten nicht rechtfertigen. In den vergangenen Wochen verlor die Aktie bereits rund 15 Prozent. Je größer der Kaffeeriese wird, desto klarer zeichnen sich die Problemfelder ab. So dürften die absoluten Top-Standorte insbesondere in den USA mittlerweile rar werden. Weniger produktive Kaffee-Shops werden aber die Marge verwässern. In einigen Städten mit hoher Starbucks-Dichte wie in San Francisco oder New York drohen Kannibalisierungseffekte. Ein Satire-Magazin witzelt bereits: „Neuer Starbucks eröffnet auf dem Klo von bereits existierendem Starbucks.“ Eine schlechtere Finanzlage würde sich auch daraus ergeben, dass „höhere Kosten verbunden mit der Instandhaltung und der Neumöblierung der bestehenden Läden“ entstehen könnten, heißt es beim Unternehmen selbst. Wer regelmäßig besonders hoch frequentierte Läden in den USA aufsucht, kann das nur bestätigen. In so manchem macht sich statt der angestrebten Wohlfühlatmosphäre ein eher ekliges Schmuddelgefühl breit. Von vielen der Toiletten ganz zu schweigen. Sie scheinen jedenfalls nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit der auch nicht immer lächelnden Schürzenträger zu stehen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%