Steueraffäre Steuerfahnder durchsuchen Filialen der Privatbank Metzler

Aktion scharf gegen Steuersünder: Heute haben Steuerfahnder von Hamburg bis München Wohnhäuser und Geschäftsräume durchsucht. Die Ermittler knöpften sich auch Niederlassungen der Privatbank Metzler vor. Laut Aussagen von Strafverfolgern ist die Zahl der Selbstanzeigen heute sprunghaft angestiegen.

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Ein Mann betritt in Frankfurt Quelle: dpa

Nach der Aufdeckung zahlreicher Schwarzgeld-Depots in Liechtenstein haben Ermittler heute bundesweit Wohnhäuser und Geschäftsräume durchsucht. Das bestätigten Sprecher von Polizei, Finanzbehörden und Staatsanwaltschaft. Beteiligt an dem Großeinsatz waren nach „Spiegel Online“-Informationen insgesamt 37 Steuerfahnder, acht Staatsanwälte und einige hundert Polizeikräfte.

Auf ihrer Suche nach vermögenden Steuersündern haben Ermittler heute auch Niederlassungen der Privatbank Metzler in Frankfurt und München durchsucht. Das sagte der Sprecher der Bank, Jörg-Matthias Butzlaff. Details wollte er nicht nennen. Butzlaff wollte auch nicht sagen, ob die Bank in der Steueraffäre, die durch den Fall des bisherigen Postchefs Klaus Zumwinkel öffentlich geworden war, Beschuldigter oder Zeuge ist. In der Frankfurter Zentrale der Privatbank B. Metzler seel. Sohn & Co. KGaA sind laut Butzlaff etwa 600 Mitarbeiter tätig, in München sind es 15.

Auch in und um Hamburg gab es nach Angaben der Finanzbehörde der Hansestadt Razzien. Insgesamt sei es um fünf Fälle des Verdachts der Steuerhinterziehung gegangen, sagte ein Behördensprecher.

In Baden-Württemberg waren die Steuerfahnder nach Angaben des Stuttgarter Finanzministeriums ebenfalls unterwegs. Nach AP-Informationen wurden zwei Objekte in Stuttgart durchsucht. Darüber hinaus gab es laut Polizei Durchsuchungen in Köln. Laut „Handelsblatt“ (Online-Ausgabe) soll es auch rund um die Bankenmetropole Frankfurt Razzien gegeben haben. Bestätigungen dafür gab es zunächst nicht.

Panik unter Steuersündern

Das harte Durchgreifen der Fahnder scheint inzwischen bei Steuersündern für Panik zu sorgen. Allein in Hamburg gab es bis zum Nachmittag vier Selbstanzeigen, wie ein Sprecher der Finanzbehörde sagte. „Es rappelt jetzt mit Selbstanzeigen“, zitierte das „Handelsblatt“ Strafverfolger. Die Anwälte der Betroffenen legten offenbar Sonderschichten ein. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis die ersten prominenten Namen bekannt würden. Es gehe quer durch alle Schichten.

Druck auf Liechtenstein steigt, Fürstentum wehrt sich

Zugleich stieg der Druck auf Liechtenstein, der Steuerflucht einen Riegel vorzuschieben. Bundeskanzlerin Angela Merkel will den Skandal beim Besuch des liechtensteinischen Ministerpräsidenten Otmar Hasler am Mittwoch offiziell zur Sprache bringen. „Ich glaube, dass es eine passende Gelegenheit ist, sich über die anstehenden Probleme noch einmal zu unterhalten“, sagte sie in Berlin.

Nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ will die federführende Staatsanwaltschaft Bochum in einer ersten Welle noch in dieser Woche rund 125 Razzien bei mutmaßlichen Steuerhinterziehern durchführen, pro Tag 20 bis 25. Allerdings hüllte sich die Behörde selbst über ihre Ermittlungen zunächst in Schweigen. Schon die Berichterstattung über die Razzia beim scheidenden Postchef Klaus Zumwinkel habe die Arbeit der Ermittler für die anderen Fälle nicht einfacher gemacht, sagte Behördensprecher Bernd Bienioßek der AP. Frühestens Ende der Woche wolle die Behörde mit einem Resumée ihrer Ermittlungen an die Öffentlichkeit gehen.

Liechtenstein wies unterdessen Vorwürfe zurück, das Fürstentum lade Vermögende geradezu zur Steuerhinterziehung ein. Der Botschafter in Deutschland, Prinz Stefan von und zu Liechtenstein, sagte dem Sender N24, Steuerhinterziehung sei auch in Liechtenstein ein Delikt. „Das wird vielleicht in dieser Debatte, die jetzt sehr hitzig geführt wird, übersehen. Wir laden auch niemanden aus dem Ausland dazu ein.“

Allerdings werde Steuerhinterziehung in dem Fürstentum anders behandelt. „Wenn jemand bei uns in Liechtenstein Steuern hinterzieht, dann ist das so, wie wenn Sie eine Verkehrsübertretung machen“, sagte der Botschafter. Die Deutsche Steuergewerkschaft forderte mehr Steuerfahnder. Der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende der DSTG, Hans-Werner Kaldenhoff, sagte der AP, allein in Nordrhein-Westfalen fehlten rund 3.000 Leute.

  Die „Berliner Zeitung“ berichtete, der BND habe in einer groß angelegten Operation über Jahre hinweg Liechtensteiner Banken ausgespäht. Durch den Einsatz hoher Geldsummen seien auch leitende Bankmitarbeiter im Fürstentum als Quelle angezapft worden.

Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Thomas Oppermann, sagte dazu: „Das ist mir persönlich nicht bekannt.“ Er bewertete die BND-Operation als Erfolg. „Ich glaube, insgesamt ist das eine Erfolgsgeschichte, dass wir an Informationen herangekommen sind, die wir anders nicht bekommen hätten.“

Angeblich Daten zu 1000 möglichen Steuerhinterziehern

Die Bundesregierung erhofft sich Einnahmen von mehreren hundert Millionen Euro aus Steuernachforderungen. Für die Daten, die jetzt die Razzien wegen vermuteter Steuerhinterziehung in Gang brachten, wurden laut Finanzministerium an einen Informanten etwas mehr als vier Millionen Euro gezahlt. Es lägen Daten zu rund 1000 mutmaßlichen Steuerhinterziehern vor.

Die „Welt“ berichtete, Zumwinkel sei der prominenteste Verdächtige in der Steueraffäre. Allerdings gebe es mehrere mutmaßliche Steuersünder, die weit mehr Geld am deutschen Fiskus vorbeigeschleust hätten, heißt es unter Berufung auf Ermittlerkreise.

Steuergewerkschaft fordert Verzicht auf Abgeltungssteuer

Als Konsequenz aus dem jüngsten Steuerhinterziehungsskandal hat die Deutsche Steuergewerkschaft einen Verzicht auf die ab 2009 beschlossene Abgeltungsteuer gefordert. Durch sie werde die Steuerfahndung erschwert, sagte Gewerkschaftschef Dieter Ondracek der „Frankfurter Rundschau“ von heute.

„Unter dem künftigen Recht wäre der Fall Zumwinkel nicht aufgedeckt worden“, sagte er. Zur Begründung führte Ondracek an, dass wegen der Abgeltungsteuer, die anonym mit einem Pauschalsatz von 25 Prozent erhoben wird, Kapitalerträge nicht mehr in den Einkommensteuererklärungen auftauchen. „Die Steuerfahndung braucht aber eine Spur, einen Anfangsverdacht, um überhaupt Ermittlungen aufnehmen zu können.“

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