Steve Jobs' Stanford-Rede "Bleiben Sie hungrig. Bleiben sie verrückt"

Der verstorbene Apple-Mitgründer erzählte 2005 an der Stanford University drei Geschichten aus seinem Leben. Die Rede wurde zur Legende. Steve Jobs' Ansprache im Wortlaut.

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Steve Jobs spricht mit Journalisten in San Francisco (Archivfoto von Oktober 2010) Quelle: dpa

 Festansprachen sind für gewöhnlich inhaltlich zu vernachlässlichen. Die Rede, die Steve Jobs im Juni 2005 an der Stanford University vor Graduierten hielt, war jedoch eine ganz andere Festansprache - sie war packend und inhaltlich sehr bedeutend.

Jobs gewährte solch einen Einblick in sein Privatleben, wie es man von dem verstorbenen Apple-Gründer und Chef nicht gewohnt war. Jobs erzählte drei Geschichten aus seinem Leben: wie er adoptiert wurde, wie er seine College-Ausbildung abbrach, wie er Apple mitbegründete und später gefeuert wurde und trotzdem wieder zu dem heutigen Computergiganten zurückkehrte. Sogar die Zeit, in der er dem Tode sehr nahe war, sparte er in Stanfort nicht aus.

Jobs formulierte drei wesentliche Ratschläge für junge Menschen, die vor dem Beginn ihrer beruflichen Karriere stehen: Sich nicht beirren zu lassen, stets auf die eigene innere Stimme zu hören und allein den Job zu machen, den man liebt.Die tiefe Ehrlichkeit und die ungewöhnliche Lebensgeschichte von Jobs verlieh seinem Fazit große Überzeugungskraft. Der Eindruck herrschte weltweit, die Ansprache wurde noch Wochen später in Blogs und Foren besprochen und diskutiert. Bis heute hält die Faszination an - auf youtube hat das Video der Commencement Speech bisher über sechs Millionen Klicks erhalten.

wiwo.de gibt hier den Wortlaut dieser legendären Rede frei übersetzt wieder. "Es ist mir eine Ehre, bei Ihrer Abschlussfeier sein zu dürfen. Ich habe nie ein Studium abgeschlossen. Um die Wahrheit zu sagen, ich war einem College-Abschluss noch nie so nahe wie heute. Ich möchte Ihnen drei Geschichten aus meinem Leben erzählen. Drei Geschichten, das ist alles.

In der ersten Geschichte geht es um das Erkennen von Zusammenhängen. Ich besuchte das Reed College, stieg aber bereits nach sechs Monaten wieder aus, hing dann noch weitere 18 Monate auf dem Campus herum, bevor ich das College wirklich verließ. Warum brach ich mein Studium ab?

Meine biologische Mutter war eine junge, unverheiratete College-Absolventin, und sie beschloss, mich zur Adoption freizugeben. Sie hatte sich in den Kopf gesetzt, ich sollte von Leuten adoptiert werden, die einen College-Abschluss besaßen, und sie hatte alles in die Wege geleitet, damit ich bei meiner Geburt von einem Rechtsanwalt und seiner Frau adoptiert würde. Aber als ich auf die Welt kam, beschlossen diese Leute, dass sie doch lieber ein Mädchen wollten. So kam es, dass meine Eltern, die auf einer Warteliste standen, mitten in der Nacht einen Anruf erhielten: „Wir haben einen neugeborenen Jungen, wollen Sie ihn?“ Die Antwort war: „Natürlich.“ Meine biologische Mutter fand später heraus, dass meine Mutter nie ein College absolviert und mein Vater nicht einmal einen Highschool-Abschluss hatte. Sie weigerte sich, die Adoptionspapiere zu unterzeichnen. Erst Monate später, als meine Eltern versprochen hatten, dass ich später ein College besuchen würde, gab sie nach. 17 Jahre später besuchte ich tatsächlich ein College. Aber das war fast so teuer wie Stanford, und meine Ausbildung verschlang die ganzen Ersparnisse meiner aus der Arbeiterschicht stammenden Eltern. Nach sechs Monaten sah ich keinen Sinn mehr darin. Ich hatte keine Ahnung, was ich mit meinem Leben machen wollte und sah nicht, wie mir das Studium helfen sollte. Also beschloss ich abzubrechen und darauf zu vertrauen, dass ich meinen Weg finden würde. Für mich war dies ein Furcht erregender Schritt, aber im Rückblick eine meiner besten Entscheidungen. (...) Denn viel von dem, was mir, getrieben von Neugier und Intuition, auf meinem Weg begegnete, erwies sich später als unbezahlbar.

"Ich stand in der Öffentlichkeit als Versager da"

In meiner zweiten Geschichte geht es um Liebe und Verlust. Ich hatte Glück – ich stieß schon sehr früh auf die Arbeit, die ich liebe. Mit 20 gründete ich gemeinsam mit Woz in der Garage meiner Eltern Apple. Wir arbeiteten hart, und in zehn Jahren war unser Zweimannbetrieb aus der Garage zu einem Großunternehmen mit zwei Milliarden Dollar Umsatz und über 4000 Angestellten angewachsen. Wir hatten gerade unsere beste Entwicklung – den Macintosh – in Produktion gebracht, ich war gerade 30, da wurde ich gefeuert. Wie kann jemand von einem Unternehmen gefeuert werden, das er gegründet hat? Nun, als Apple größer wurde, stellten wir jemanden ein, von dem ich glaubte, er könne das Unternehmen gemeinsam mit mir führen. Das erste Jahr ging alles gut. Doch mit der Zeit entwickelten wir unterschiedliche Visionen und schließlich kam es zum Bruch. In diesem Streit stellte sich der Vorstand auf seine Seite. Also stand ich mit 30 wieder auf der Straße, unter den Augen der Öffentlichkeit. Alles was mir wichtig gewesen war, war weg.

Ich stand zudem in der Öffentlichkeit als Versager da und überlegte mir, ob ich dem Silicon Valley den Rücken kehren sollte. Aber dann wurde mir eines klar: Ich liebte diese Arbeit noch immer. Daran hatten die Entwicklungen bei Apple nichts geändert. Ich hatte einen Fehlschlag erlitten, aber die Sache selbst liebte ich noch immer. Also beschloss ich, von vorn anzufangen. ... Die Schwere des Erfolgs wurde abgelöst von der Leichtigkeit des Neubeginns. Die Dinge waren nicht mehr so fest gefügt und sicher. Ich war frei zum Aufbruch in eine der kreativsten Phasen meines Lebens.

"Wäre ich nicht bei Apple rausgeflogen, wäre vieles nicht passiert"

In den nächsten fünf Jahren gründete ich eine Firma namens NeXT und eine weitere namens Pixar, und ich verliebte mich in eine wunderbare Frau, die ich später heiraten sollte. Pixar schuf den weltweit ersten computeranimierten Spielfilm, Toy Story. Eine überraschende Wendung der Umstände wollte, dass NeXT von Apple übernommen wurde, und so kehrte ich zu Apple zurück. Die Technologie, die wir bei NeXT entwickelt hatten, schaffte die Basis für die gegenwärtige Renaissance von Apple. Und mit meiner Frau Laurene habe ich eine wunderbare Familie aufgebaut.

Ich bin ziemlich sicher, dass all dies nicht passiert wäre, wenn ich nicht bei Apple rausgeflogen wäre. Es war eine wahrlich bittere Medizin, aber ich nehme an, der Patient brauchte sie. Manchmal wirft einem das Leben einen Ziegelstein an den Kopf. Verlieren Sie nie die Zuversicht! Was mich im Leben aufrecht hielt, war die Liebe zu meiner Arbeit – davon bin ich überzeugt. Sie müssen herausfinden, was Sie lieben. Und das gilt für die Arbeit genau so wie für die Menschen, die Sie lieben. Ihre Arbeit wird einen großen Teil Ihres Lebens ausfüllen, und der einzige Weg zu wirklicher Erfüllung ist eine Arbeit zu finden, die Sie wirklich gut finden. Wirklich gute Arbeit können Sie nur leisten, wenn Sie Ihre Arbeit lieben. Wenn Sie diese noch nicht gefunden haben, suchen Sie weiter! Geben Sie sich nicht vorschnell zufrieden. Es ist wie mit allen Herzenssachen: Man weiß erst, dass man es hat, wenn man es gefunden hat. Und wie jede großartige Beziehung wird sie im Lauf der Jahre besser und besser.

In meiner dritten Geschichte geht es um den Tod. (...) Das Bewusstsein, dass ich bald tot sein werde, wurde mir zu einer der wichtigsten Entscheidungshilfen. Denn fast alles – alle äußeren Erwartungen, aller Stolz, alle Angst vor Peinlichkeiten und Fehlschlägen – fallen im Angesicht des Todes nicht mehr ins Gewicht. Vor etwa einem Jahr wurde bei mir Krebs diagnostiziert. Ich hatte um 7:30 Uhr eine Ultraschalluntersuchung und die zeigte einen Tumor auf meiner Bauchspeicheldrüse. Die Ärzte sagten mir, es handle sich höchst wahrscheinlich um eine unheilbare Krebsart, und ich solle mich darauf einstellen, dass ich noch drei bis sechs Monate zu leben habe. Der Doktor riet mir, nach Hause zu gehen und meine Sachen in Ordnung zu bringen. Es bedeutet, man muss versuchen, den Kindern in wenigen Monaten das zu sagen, wofür man glaubte, man hätte noch zehn Jahre Zeit. Es bedeutet, man muss alles in Ordnung bringen, um es der Familie so leicht wie möglich zu machen. Es bedeutet Abschiednehmen.

"So nah war ich dem Tod nie gekommen"

Ich lebte den ganzen Tag mit dieser Diagnose. Am Abend wurde eine Biopsie vorgenommen. Ich stand unter Betäubungsmitteln, aber meine Frau, die dabei war, erzählte mir später, dass die Ärzte zu weinen begannen, als sie die Zellen unter dem Mikroskop betrachteten, denn ich hatte eine ganz seltene, heilbare Form von Bauchspeicheldrüsenkrebs, die operativ entfernt werden kann. Die Operation wurde durchgeführt, und heute geht es mir wieder gut.So nahe war ich dem Tod bis dahin nie gekommen, und ich hoffe es dauert noch ein paar Jahrzehnte, bis ich ihm wieder so nahe komme. Aber nachdem ich es erlebt habe, kann ich Ihnen eines versichern: Der Tod ist wohl die beste Erfindung im Leben. Er ist die Kraft, die Veränderung ins Leben bringt. Er räumt das Alte aus und macht Platz für Neues. Gerade jetzt sind Sie das Neue, aber eines Tages, gar nicht so lange hin, werden Sie langsam zum Alten werden. Verzeihen Sie die dramatischen Worte, aber das ist die Wahrheit.

Ihre Zeit ist begrenzt, also verschwenden Sie sie nicht, indem Sie anderer Leute Leben leben. Lassen Sie sich nicht von Dogmen einfangen. Lassen Sie nicht zu, dass der Lärm fremder Meinungen Ihre eigene innere Stimme übertönt. Und vor allem, haben Sie den Mut, Ihrem Herzen und Ihrer Eingebung zu folgen. Irgendwo haben Sie bereits jetzt im Gespür, was Sie wirklich werden wollen. Alles andere ist zweitrangig.

Als ich jung war, gab es eine großartige Publikation mit dem Titel „The Whole Earth Catalog“, die zu einer der Bibeln meiner Generation wurde. Der Herausgeber war Stewart Brand, der nicht weit von hier in Menlo Park lebte. Mit seiner poetischen Ader hauchte er dem Werk Leben ein. Es war eine Art Google als Taschenbuch. (...) Auf der Rückseite der letzten Ausgabe standen die Worte: „Stay Hungry. Stay Foolish“ – grob übersetzt: „Bleib hungrig. Bleib verrückt.“ Ich habe mir das immer für mich gewünscht. Und nun, da Sie Ihr Studium abschließen und einen Neubeginn machen, wünsche ich das auch Ihnen: Bleiben Sie hungrig. Bleiben Sie verrückt.“           

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