Strategiewechsel Bosch - vom Autozulieferer zum Umwelttechnikkonzern

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Zugleich greift Fehrenbach jedoch weit über Bosch hinaus. Die Milliardeninvestitionen in ressourcenschonende und klimafreundliche Technologien sind ein Signal an die gesamte deutsche Industrie. Mit dem geplanten Konzernumbau wird das achtgrößte Industrieunternehmen hierzulande zum Testfall für einen tiefgreifenden Wandel im verarbeitenden Gewerbe. Experten glauben, dass die vom Auto dominierte deutsche Wirtschaft vor der Zeitenwende steht: Klimawandel, Rohstoffknappheit und Umweltzerstörung in den Schwellenländern zwingen zum Umdenken und bereiten der Umwelttechnik einen ungeheuren Boom. Schon in zehn Jahren, sagen ernst zu nehmende Prognosen, könnte das Geschäft mit Umwelttechnologie die Autoindustrie überholen.

„Diese Verschiebung resultiert aus dem langanhaltenden, starken Wachstum der Umwelttechnik“, sagt Torsten Henzelmann, Umwelttechnikexperte bei Roland Berger. Angesichts der wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen sei der Wandel der deutschen Wirtschaft praktisch unausweichlich. „Es wird Gewinner und Verlierer in diesem Umbruch geben“, so Henzelmann, „doch unterm Strich werden mehr Arbeitsplätze entstehen, wenn die deutschen Unternehmen ihre Chancen nutzen.“

Wie kein anderer deutscher Industriekonzern könnte Bosch für diesen Paradigmenwechsel stehen, und das in vielerlei Hinsicht.

Unauffällig wirkt der Ort, an dem die Blaupausen für den Wandel der deutschen Industrie entstehen. Schillerhöhe heißt die weitläufige Waldlandschaft einige Kilometer westlich von Stuttgart, die seit Anfang der Siebzigerjahre Sitz der Robert Bosch GmbH ist. Zwei große Gebäudekomplexe, eine Kantine und ringsherum Bäume, Vögel, arglose Eichhörnchen und saubere Luft: Kaum zu glauben, dass von hier aus ein Konzern geführt wird, der mehr als 270.000 Mitarbeiter in über 50 Ländern beschäftigt, der pro Jahr mehr als 47 Milliarden Euro umsetzt und der pro Arbeitstag 14 neue Patente anmeldet. Über allen Wipfeln, hoch oben im Hauptgebäude, sitzt Bosch-Chef Fehrenbach und sagt Sätze, die dem Öko-Enkel des Firmengründers gefallen dürften: „Beim Klimaschutz gibt es kein Zurück und auch kein Bremsen. Man muss sich der Herausforderung stellen“ (siehe Interview).

Der weltgrößte Automobilzulieferer, der Hausgeräte- und Elektrowerkzeughersteller, der Heizungs- und Industrietechnikproduzent, tüftelt an allem, was Ressourcen und Kosten spart. Rund 40 Prozent der Mittel, die Bosch jährlich für Forschung und Entwicklung ausgibt – und damit gut 1,4 Milliarden Euro –, fließen heute schon in grüne Technik, Tendenz steigend. Jede zweite der rund 3200 Erfindungen, die das Unternehmen jährlich zum Patent anmeldet, kommt inzwischen aus dem Bereich Umwelttechnik, neudeutsch „Cleantech“, saubere Technik, genannt. Von der Windenergie und Öko-Kühlschränken über sparsame Dieselmotoren und Solarzellen bis zu Elektroautos und Meereskraftwerken – für all diese Aktivitäten hat sich der Mischkonzern eine gemeinsame Klammer einfallen lassen: Energie sparen und Energie umweltfreundlich erzeugen.

Mit Greenwashing hat das nichts zu tun, jenem Marketinggetöse, mit dem sich Unternehmen gern ein umweltfreundliches Image-Mäntelchen überwerfen. Im Gegenteil: Umweltfreundliche Technologien wie etwa die spritsparende Benzin- und Dieseldirekteinspritzung hat das Unternehmen schon seit Jahren im Programm. Bosch machte bisher darum so wenig Aufhebens, dass die Öffentlichkeit solche Technologien als Öko-Innovationen kaum wahrnahm.

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