Streitthema Zeitarbeit Schlecker knickt ein

Drogeriemarktkönig Anton Schlecker verabschiedet sich von seinem fiesen Zeitarbeits-Trick, mit dem er Gewerkschaften, Zeitarbeitsverbände, Politiker aller Parteien und die Bundesarbeitsministerin gegen sich aufgebracht hat. Einsicht zeigt er aber nicht.

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Christa und Anton Schlecker Quelle: PR

So schnell geht das selten. Am vergangenen Samstag meldete die WirtschaftsWoche vorab an die Nachrichtenagenturen und auf wiwo.de, dass die arbeitsmarktpolitischen Sprecher der Fraktionen von CDU/CSU und FDP im Bundestag, Karl Schiewerling und Heinrich Kolb, gemeinsam den Missbrauch der Zeitarbeitsregelung durch Schlecker per Gesetz unterbinden wollten. Schiewerling kündigte an, noch im Januar mit Bundesarbeitsminsiterin Ursula von der Leyen dazu Gespräche aufzunehmen.

Einen Tag später, am Sonntagabend, sprach die ARD-Talkmasterin Anne Will in Ihrer Sonntagabend-Runde von der Leyen darauf an, und die reagierte energisch: Ja, sagte die frühere Familienministerin, die eh auf der Suche nach einem griffigen Thema in ihrem neuen Ressort ist, durch Tricks wie von Schlecker würde die eigentlich wichtige und arbeitsmarktpolitisch nützliche Zeitarbeit „in den Dreck gezogen“. 

Und einen weiteren Tag später - am heutig Montag kurz nach der Teezeit - knickt der Patriarch aus dem schwäbischen Ehingen plötzlich ein. Zwei Nachrichtenagenturen melden,  Schlecker habe beschlossen, "mit sofortiger Wirkung keine neuen Arbeitnehmerüberlassungsverträge" mehr mit dem Schlecker eng verbundenen Zeitarbeitspartner Meniar abzuschließen. Weitere Infos: keine. Gibt Schlecker damit die Verwandlung von schönen Einzelhandels- in hässliche Zeitarbeits-Jobs endgültig auf? Bleibt abzuwarten. Was passiert mit den tausenden von Mitarbeiterinnen, die heute Meniar-Verträge haben? Keiner weiß es. Eine ziemlich überstürzte Entscheidung offenbar.

Falls sich jemand Sorgen macht um den Sturkopf Schlecker, von dem man alles erwartet hätte, nur nicht dass er nachgibt: Wirkliche Einsicht zeigt der Sturkopf nicht: Laut der Reuters-Agenturmeldung will das Unternehmen zwar mit dem überraschenden Schritt die lästige Debatte um seine Personalpolitik beenden. Aber die Diskussion um die Meniar-Arbeitsverhältnisse habe man in der Schlecker-Welt, soll ein Unternehmenssprecher gesagt haben, "nicht nachvollziehen können".

Schlecker hatte plötzlich eine ganz große Koalition gegen sich

Was Betriebsräte, Gewerkschafter und Politiker auf die Palme brachte, war der Schlecker-Dreh, sich selber ein Zeitarbeitsunternehmen zu halten, bei dem alte und neue Mitarbeiter anheuern mussten, um zu niedrigeren Konditionen die bisher besser bezahlten alten Jobs auszuüben. Die Stundenlöhne rutschen dabei schon mal von gut zehn auf unter sieben Euro ab. Von der Leyen kündigte bei Anne Will an, wenn es in dem Bereich Missbrauch gebe, „werden wir Tacheles reden“. Wenn es sich faktisch nicht um Zeitarbeit zwischen voneinander unabhängigen Unternehmen handele, sondern um ein „In-sich-Geschäft, dann müssen wir da gesetzlich nachsteuern“. Die Ministerin wollte dafür das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz so ändern, dass eine potemkinsche Zeitarbeitsfirma wie der Schlecker-Partner Meniar nicht mehr dieselben gesetzlichen Privilegien genießen kann wie richtige Zeitarbeitsunternehmen.

Damit hatte Schlecker nun eine ganz Große Koalition gegen sich. Unionsparteien und FDP sind ja nicht die ersten, die den Unternehmer zu einem menschenfreundlicheren Umgang mit seinen Verkäuferinnen zwingen wollen: SPD, Grüne und Die Linke haben längst Ähnliches verlangt und hätten von der Leyens Vorstoß auf keinen Fall gebremst. Eher hätten sie ihn  verschärfen wollen.

Proteste gegen den Trick mit der Zeitarbeit und die Machenschaften von Meniar hatte es 2009 schon mehrfach gegeben. Nach einer WirtschaftsWoche-Titelgeschichte über Meniar und konzerninterne Zeitarbeitsfirmen in anderen Branchen hatte die Linke im November dazu eine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet. Die Verbände der Zeitarbeitsbranche hatten sich von konzerninterner Zeitarbeit und den Schlecker-Methoden in dem WiWo-Beitrag distanziert. Der Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP), bei dem Meniar Mitglied ist, legte dem Unternehmen indirekt den Austritt nahe. Das dürfte sich nun von selber erledigen.

Dem CDU-Parlamentarier Schiewerling kommt das Verdienst zu, das Thema vor einer Woche durch seine Initiative in Berlin auf die höchste politische Ebene gehievt zu haben. Denn in Schiewerlings münsterländischem Wahlkreis – in der Kleinstadt Billerbeck – hatte im Dezember mal wieder die Eröffnung eines neuen Schlecker Marktes der XL-Kategorie für Furore gesorgt. Auch dort wurden Löhne von sechseinhalb Euro angeprangert - für Verkäuferinnen, die früher bei Schlecker besser bezahlt worden waren.

Anton Schlecker gibt nach, sieht aber keinen Fehler ein

„Hier werden Tarifverträge ausgehöhlt“, schimpfte ein SPD-Ratsherr bei der von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi organisierten Demonstration vor dem neuen Laden. „So werden Menschen an die Armutsgrenze gedrängt“, empörte sich der Fraktionschef der Grünen aus dem Billerbecker Stadtrat. Dann solidarisierte sich zwei Wochen vor Heiligabend der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Karl-Josef Laumann mit den Kritikern: was Schlecker mache, sei „systematische Tarifflucht, die das soziale Gefüge in Schieflage bringt“.

Schiewerling war bei der Protestaktion selber gar nicht dabei, befasste sich aber nun mit der Materie. Direkt nach der Rückkehr ins politische Geschäft kündigte er am Montag vergangener Woche einen Gesetzesvorstoß gegen Missbrauch durch unternehmensinterne Zeitarbeit an. Gegenüber der WirtschaftsWoche konkretisierte der oberste Arbeitsmarktpolitiker in der christdemokratischen Fraktion dann, dass es ihm dabei konkret um Schlecker geht. Und sein liberaler Kollege Kolb erklärte auf WiWo-Anfrage, er unterstütze Schiewerlings Vorstoß. Dass die beiden Arbeitsmarktexperten damit bei von der Leyen offene Türen einrennen, konnten die Herren zu dem Zeitpunkt noch nicht wissen. Ebensowenig, dass sich ihr Vorstoß schon zwei Tage später in wesentlichen Teilen erledigt haben würde.

Was für die Schleckerianer erst mal wie eine frohe Botschaft klingt, ist für die schwarz-gelbe Koalition ein tragischer Sieg. Das zerstrittene Regierungsbündnis hatte endlich einen gemeinsamen Gegner, den nicht einmal die Opposition verteidigt: Anton Schlecker.  Der aber entzieht sich dem Streit nun durch vorschnelle Kapitulation.

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