Südamerika Brasilianische Multis erobern Weltmärkte

Unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit erobern brasilianische Konzerne den Weltmarkt. Sie sind Widrigkeiten gewohnt, pflegen Teamarbeit – und verehren nichts so sehr wie Effizienz. Das macht sie gerade in der Krise stärker als manchen Konkurrenten.

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Der brasilianische Präsident Quelle: EFE

Es sind Namen, mit denen die wenigsten in Deutschland etwas anfangen können: JBS und Fibria, Itáu Unibanco und BR Foods, Cosan und Pão de Açúcar. Wer aber Geschäfte macht, kennt die Kürzel vielleicht – oder wird sie bald kennenlernen.

Denn die sechs Unbekannten haben zwei Dinge gemeinsam. Ihre Zentrale liegt in Brasilien, und sie sind in etwas mehr als zwölf Monaten zu weltweiten Branchengrößen aufgestiegen – mitten in der stärksten Weltwirtschaftskrise der vergangenen 70 Jahre. Zwei Dutzend brasilianische Multis tummeln sich heute auf den Weltmärkten mit an der Spitze ihrer Branchen. 40 brasilianische Unternehmen hat die renommierte Managementschule Fundação Dom Cabral in Belo Horizonte ausgemacht, die im Ausland investierten und dort produzieren.

JBS etwa macht zwei Drittel des Steak-Umsatzes von 28 Milliarden Dollar in den USA. In Russland ist der Familienkonzern der größte Lieferant des Hamburgerkonzerns McDonald’s. Aber auch in Australien und Argentinien betreibt JBS insgesamt 140 Schlachthäuser – neben Brasilien, wo der Konzern seinen Sitz hat.

Zu den Pionieren der Expansionisten zählt der Automobilzulieferer Sabó, der schon länger außer Landes aktiv ist. Der Dichtringe-Spezialist übernahm schon in den Neunzigerjahren Firmen in Österreich, Ungarn und Deutschland, wo ihm Kaco im schwäbischen Heilbronn gehört.

Von Zinsen getrieben

Der bekannteste Aufsteiger ist wohl Jese Sergio Gabrielli, der Chef des Ölkonzerns Petrobras. Die Unternehmen der Stunde sind jedoch diejenigen, die die Krise zu ihrem Vorteil genutzt haben. Der brasilianische Stahlkonzern Gerdau etwa rollte den amerikanischen Markt auf, kaufte dort ein Unternehmen nach dem anderen und ist heute der größte Anbieter von Baustahl zwischen Alaska und Patagonien. Die Brasilianer bevorzugen kleine Stahlkocher, die mit Schrott statt Eisenerz gefüttert werden. So sind sie unabhängig von Erzminen und können in der Nähe ihrer Kunden produzieren.

Auf einen anderen Kontinent sprang Marcopolo. Der Buskarossenbauer hat mit dem indischen Marktführer Tata eine Busfabrik eröffnet. Wenn das Joint Venture in drei Jahren auf vollen Touren 25.000 Fahrzeuge im Jahr ausspuckt, wird dies die größte Busfabrik der Welt sein. In Ägypten wird Marcopolo die nächste Niederlassung eröffnen, geplant sind weitere Fabriken in Südafrika und Russland.

Die Unternehmensberatung Boston Consulting Group hat die wenigen echten Aufsteiger-Multis aus aufstrebenden Volkswirtschaften erfasst. Zu ihnen zählen der brasilianische Kompresssorenhersteller Embraco und der Elektromotorenproduzent WEG. Embraco mit Sitz im südbrasilianischen Joinville beschäftigt heute 10.000 Mitarbeiter weltweit – auch in Italien, China und Slowenien. Ein Viertel aller Kühlgeräte weltweit werden mit der Technologie ausgestattet, die in Südbrasilien entwickelt wurde.

Gleich in der Nachbarschaft von Embraco sitzt WEG. Der Motorenbauer ist einer der drei weltweit führenden Produzenten von Elektromotoren. Knapp 40 Prozent des Umsatzes erwirtschaftet der Konzern im Ausland, mit eigenen Werken in China, Mexiko, Argentinien und Portugal. In Europa macht die mittelständische Firma Platzhirschen wie Siemens und ABB das Leben schwer. Ein Siemens-Chef für Lateinamerika stöhnt: „Ich würde erheblich besser schlafen ohne WEG.“

Die brasilianischen Newcomer zeichnet eines besonders aus: Sie sind gewohnt, mit widrigen Umstände fertig zu werden. Denn Brasilien ist trotz vieler Fortschritte in den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen noch immer eine Herausforderung für jedes Unternehmen. Im „World Competitiveness Yearbook“ der Schweizer Wirtschaftshochschule IMD rangiert das Land nach Unternehmerfreundlichkeit auf den hintersten Rängen. Vor allem der ineffiziente Staat mit einer ausufernden Bürokratie, einer absurd veralteten Arbeitsgesetzgebung, der lahmenden Justiz sowie die katastrophale Infrastruktur ziehen Brasilien in den Rankings nach unten.

Im auffälligen Kontrast dazu stehen die brasilianischen Unternehmen. Bei Flexibilität und Offenheit der Mitarbeiter für neue Herausforderungen stehen laut IMD brasilianische Konzerne weltweit an der Spitze. Auch bei der Fähigkeit, sich auf neue Märkte einzustellen, oder der kulturellen Aufgeschlossenheit für Ideen, die von außen kommen, belegen brasilianische Unternehmen vordere Positionen.

Umsatzrendite liegt bei 15 Prozent

So kommt es, dass die Effizienz der brasilianischen Konzerne im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hoch ist. Wie eine Profitpeitsche wirkte in den vergangenen Jahren der Wettbewerb in Brasilien um Kapital. Brasilianische Banken boten bis vor Kurzem nie weniger als 14 Prozent Zinsen für vergleichsweise risikolose Festeinlagen. Diese Rendite müssen Unternehmen erst mal schlagen. Denn nur wenn Unternehmen in Brasilien eine höhere Rendite in ihrem Geschäft verdienen, als es das Geld auf der Bank bringt, sind sie wettbewerbsfähig. Nach einer Untersuchung der Unternehmensberatung Roland Berger bewegt sich die Umsatzrendite der 50 größten brasilianischen Industrieunternehmen bei etwa 15 Prozent.

Brasilianische Manager bewegen sich souverän in der Finanzszene. Die führenden Unternehmen werden regelmäßig von Analysten wegen ihrer exzellenten Standards für gute Unternehmensführung gelobt. Den überzeugendsten Vertrauensbeweis für die brasilianische Börse lieferten die Investoren in der Krise: Drei der größten Börsengänge weltweit fanden an der Bovespa in São Paulo statt – undenkbar noch vor Kurzem.

Brasilianer sind keine Individualisten sondern Teamplayer. In den Chefetagen dominiert Gruppenmanagement. AB Inbev, der weltgrößte Brauereikonzern, der in Deutschland etwa Beck’s und Franziskaner Weizenbier produziert, wird von drei Dutzend Brasilianern geführt, mit denen Konzernchef Carlos Brito von einer Fusion zur nächsten zieht. Inbev arbeitet wie eine Investmentbank und hat mit europäischer Biertradition wenig im Sinn. Was zählt, ist der Gewinn und wie er steigt. Inbev macht heute eine operative Rendite von 27 Prozent auf den Umsatz von rund 30 Milliarden Dollar, das ist die höchste Marge der Branche – ein Prosit auf den Profit.

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